Ein Appell von IPPNW und IALANA

Diplomatie statt Kriegsvorbereitung

Den aufgeheizten Konflikt um die Ukraine friedlich lösen!


In dem aktuell gefährlichen Konflikt zwischen der NATO und Russland fordern wir die Bundesregierung auf, aktiv dazu beizutragen, die Eskalation zu stoppen und eine friedliche Lösung zu suchen. Dabei sollen alle bestehenden wechselseitigen völkerrechtlichen Verpflichtungen genutzt werden, um gegenseitige Sicherheit zu erreichen. Dauerhafte Sicherheit kann nicht gegeneinander, sondern nur miteinander erreicht werden.

Obwohl die Truppenkonzentration bedrohlich wirkt, will Russland erklärtermaßen keinen Krieg, sondern einen Vertrag, der seine Sicherheit gewährleistet und hat dazu zwei detaillierte Entwürfe vorgelegt, die in der Öffentlichkeit allerdings weitgehend unbekannt sind. Einige der Vorschläge enthalten weitgehende Maximalforderungen und Verhandlungsmasse für ein neues europäisches Sicherheitskonzept. Andere Vorschläge in den Vertragsentwürfen für gegenseitige Sicherheitsgarantien zwischen Russland und der NATO sowie zwischen Russland und den USA  sind einigungsfähig, z.B. zur Einrichtung von Telefon-Hotlines, für eine wechselseitige Unterrichtung über militärische Übungen und Manöver und die jeweiligen Militärdoktrinen (Art. 2, Vertragsentwurf NATO-Russland) oder der Vorschlag eines Verbotes einer Stationierung von landgestützten Mittel- und Kurzstreckenraketen in Gebieten, die es ermöglichen, das Gebiet der anderen Vertragsparteien zu erreichen (Art. 5).  Weitere zielen auf die Beendigung der nuklearen Teilhabe und den Abzug der US-Atomwaffen aus Europa (Art. 7 des Vertrags mit den USA). Im Artikel 1 heißt es: „Die Vertragsparteien lassen sich in ihren Beziehungen von den Grundsätzen der Zusammenarbeit, der gleichen und unteilbaren Sicherheit leiten. Sie werden ihre Sicherheit (….) nicht auf Kosten der Sicherheit der anderen Vertragsparteien stärken.“

Die Bundesregierung hat eine besondere rechtliche Verpflichtung gegenüber Russland: Am 9. November 1990 haben Kohl und Gorbatschow einen „Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit“ geschlossen, der unverändert noch gilt. Art. 7 lautet: „Falls eine Situation entsteht, die nach Meinung einer Seite eine Bedrohung für den Frieden oder eine Verletzung des Friedens darstellt oder gefährliche internationale Verwicklungen hervorrufen kann, so werden beide Seiten unverzüglich miteinander Verbindung aufnehmen und bemüht sein, ihre Positionen abzustimmen und Einverständnis über Maßnahmen zu erzielen, die geeignet sind, die Lage zu verbessern oder zu bewältigen.“ Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Gespräche im Sinne dieser Verpflichtungen zu intensivieren.

Wichtige einzuhaltende völkerrechtliche Verpflichtungen für die Lösung des aktuellen Konflikts ergeben sich insbesondere aus den Grundsätzen der UN-Charta zur friedlichen Streitbeilegung (Art. 2 Ziff. 3) und zum Gewaltverbot (Art. 2 Ziff. 4). Sie folgen auch aus der NATO-Russland-Grundakte vom 27. Mai 1997. Demnach unterliegt die dauerhafte Stationierung von substanziellen Kampftruppen in den neuen Nato-Ländern in der Mitte und im Osten Europas völkervertraglichen Beschränkungen. Die jetzt praktizierte lückenlose Rotation von NATO-Truppen an der NATO-Ostgrenze unterläuft Verpflichtungen des Abkommens. Forderungen der neuen NATO-Länder, die NATO solle sich darüber hinwegsetzen, muss widersprochen werden. Zu Recht erinnert Russland an die Formulierung im Schlussbericht des OSZE-Gipfels von 1999 in Istanbul, wonach jeder Teilnehmerstaat bei Änderungen seiner Sicherheitsstrukturen die Rechte aller anderen Staaten achten und seine Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten festigen wird. Diese Zusage haben die NATO-Staaten beim OSZE-Gipfel im Dezember 2010 in Astana bekräftigt.

Wir appellieren an die Bundesregierung, die anstehenden Verhandlungen mit Respekt und unter Anerkennung der gegenseitigen Sicherheitsinteressen und unter Beachtung der bestehenden Sicherheitssysteme zu führen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Russland seit 1990 zunehmend seine Sicherheit an der Westgrenze durch die NATO bedroht sieht. Der Verzicht auf die Osterweiterung der NATO ist zwar nicht völkerrechtlich bindend vereinbart worden, war aber wiederholt Gegenstand von Gesprächen und Verhandlungen mit Vertretern der russischen Regierung.

Wir fordern die Bundesregierung auf, im folgenden Rahmen zu verhandeln:

  • verschärfte Bemühungen, das Waffenstillstandsabkommen Minsk II durchzusetzen und die Parteien davon abzuhalten, die territorialen Streitigkeiten hinsichtlich der Krim und des Donbass militärisch zu beenden.
  • Aktivierung aller noch bestehenden Gesprächskanäle zwischen Russland und NATO, um eine friedliche Lösung zu finden, die sowohl westliche als auch russische Sicherheitsbedenken anerkennt.
  • Stopp aller Maßnahmen, die gegenwärtig eine militärische Auseinandersetzung befördern. Dazu gehören der Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine, die Beendigung aller Truppenkonzentrationen beidseits der ukrainischen Ostgrenze, die Einrichtung eines Sicherheitsbereichs beiderseits der ukrainischen Ostgrenze, in dem alle Truppenbewegungen ab Divisionsstärke (= 5.000) der Gegenseite vorab gemeldet werden sowie die Unterlassung von Manövern in diesem Sicherheitsbereich.
  • rote Telefone insbesondere im Atomwaffenbereich; keine Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenraketen in Europa sowie ein beidseitiger Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen.
  • Verhandlungen im Rahmen der OSZE über den russischen Vertragsentwurf mit dem Ziel einer europäischen Sicherheitsstruktur und einer Neubestimmung des Verhältnisses Russland-NATO im Geist der früheren Abkommen über gegenseitige Sicherheit.
  • Förderung aller Formen des kulturellen Austauschs und persönlicher Kontakte zwischen den Völkern von Russland und Deutschland, die in ihrer großen Mehrheit jeden Krieg in Europa ablehnen, sondern friedlich miteinander leben wollen.

Herausgeber:
Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzt*innen in soziale Verantwortung (IPPNW)
Deutsche Sektion der International Association of Lawyers against Nuclear Arms (IALANA)


Erstunterzeichner*innen:

Franz Alt, Journalist,
Gerhard Baisch, Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied IALANA; Dr. Bernd Asbrock, Richter i.R.; Dr. Till Bastian, Publizist; Prof. Dr. Helga Baumgarten, Politikwissenschaftlerin; Ralf Becker, Koordinator Initiative "Sicherheit neu denken";  Peter Brandt, Historiker und Publizist; Reiner Braun, International Peace Bureau; Dr. med. Angelika Claußen, IPPNW-Vorsitzende; Daniela Dahn, Schrifststellerin, Prof. Dr. Wolfgang Däubler; Ina Darmstädter, Vorstand Friedensfestival Berlin e.V.; Prof. Dr. Jost Eschenburg, pax christi, Bistum Augsburg; Annegret Falter, IALANA Beiratsmitglied; Ulrich Frey, Mitglied im Vorstand der Martin-Niemöller-Stiftung e.V.; Dr. Heiner Fechner, Vorstände der IALANA, VDJ und EJDM; Prof. Dr. i. R. Albert Fuchs, Dr. Rolf Gössner, Jurist und Publizist; Dr. Peter Gerlinghof, Initiative Erinnern und Gedenken Sangerhausen; Prof. Dr. Ulrich Gottstein, IPPNW-Ehrenvorstandsmitglied; Dr. Ulrike Guérot, Prof. Europapolitik; Bernd Hahnfeld, IALANA, Gert Heidenreich, Schriftsteller und ehem. PEN-Vorsitzender West, Gisela Heidenreich, Buchautorin, Prof. Dr. i.R. Helwart Hierdeis, Erziehungswissenschaftler; Uwe-Karsten Heye, Journalist, Diplomat und Autor, Otto Jäckel, Rechtsanwalt, Vorsitzender der IALANA e.V.; Prof. Dr.-Ing. Nasser Kanani, Ingenieur und Naturwissenschaftler; Michael Karg, Propst i.R., Vorsitzender der Martin-Niemöller-Stiftung e.V., Joachim Kerth-Zelter, Rechtsanwalt, Bundesvorsitzender der  Vereinigung Demokratischer Jurristinnen und Juristen; Gerold König, Pax christi Bundesvorsitzender; Dr. Elke Koller, Internationaler Versöhnungsbund; Karl-Wilhelm Lange, Regierungspräsident i.R.; Prof. Mohssen Massarrat, wiss. Beirat der IPPNW; Michael Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschlands und Parl. Staatssekretär a.D.; Herbert Nebel, Mitglied im Vorstand der Internationalen Liega für Menschenrechte e.V.; Prof. Dr. Götz Neuneck, deutscher Pugwash Beauftragter der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler; Prof. Dr. Frank Nonnenmacher; Prof. Dr. Norman Paech, Völkerrechtler; Florian D. Pfaff, Major a.D., Sprecher des Arbeitskreises "Darmstädter Signal"; Matthias Platzeck, Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums; Dr. med. Lars Pohlmeier, IPPNW-Vorsitzender, Rüdiger Postier, Richter am Bundesverwaltungsgericht a.D.; Konrad Raiser, Theologe, ehem. Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen; Rainer Rehak, stellv. Vorsitzender der Informatiker*innen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FifF), Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des internationalen Versöhnungsbundes; Pamela Rosenberg, ehem. Intendantin der Berliner Philharmoniker, Prof. Dr. Jürgen Scheffran, Physiker und Geograph; Thomas Schmidt, Co-Generalsekretär EJDM Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt e.V.; Prof. em. Dr. Dr.h.c. Dieter Senghaas, Friedens-, Konflikt- und Entwicklungsforscher; Amela Skiljan, stellvertretende Vorsitzende IALANA, Prof. Dr. i.R. Gert Sommer, Prof. für Klinische Psychologie und Konfliktforschung, Dr.h.c. Graf Sponeck, Beigeordneter UNO Generalsekretär a.D.; Tommy Spree, Leiter des Anti-Kriegs-Museums Berlin; Prof. Johano Strasser, Politologe und Schriftsteller, ehem. Präsident des PEN-Zentrums Deutschland; Antje Vollmer, Bundestagsvizepräsidentin a.D., Peter Vonnahme, Richter am Bayer. Verwaltungsgerichtshof i.R., Mitglied von IALANA; Dr. iur. Peter Weiss, President Emeritus, IALANA; Prof. Dr. Herbert Wulf, Burkhard Zimmermann „Initiative Neue Entspannungspolitik jetzt!", Andreas Zumach, Journalist

Alle Unterzeichner

Bislang haben 5134 Personen unterzeichnet (5134 davon hier online)

Hier alle 4370 öffentlich sichtbaren Unterzeichner:

Jens Niemann, - 08.02.2022
Dr. med. Ursula Wischer, - 08.02.2022
MR Frank Müller, - 08.02.2022
Ferdinand Reul, - 08.02.2022
Dr Hans-Jürgen Schäfer, - 08.02.2022
Dipl. Ing. Ute Herrmann, - 08.02.2022
Dr. med. Ludwig Brügmann, - 08.02.2022
Dr. Herbert Kaefer, - 08.02.2022
Doris Kommerell, - 08.02.2022
Christina Emmrich, - 08.02.2022
Christa Senberg, - 08.02.2022
Dr. Eberhard Seidel, - 08.02.2022
Sigrun Schulze-Stadler, - 08.02.2022
Gerlinde Schermer, - 08.02.2022
Tobias Köhler, - 08.02.2022
Dr. med. Wilfried Duisberg, - 08.02.2022
Karlheinz Hug, - 08.02.2022
Dieter Jansen, - 08.02.2022
Katrin Warnatzsch, - 08.02.2022
Ute Jansen, - 08.02.2022
Danielle Klepper, - 08.02.2022
Annette Paschke, - 08.02.2022
Dr. Elisabeth Heyn, - 08.02.2022
Dr. Joachim Both, - 08.02.2022
Dr. Ludger Nohr, - 08.02.2022
Clemens Ronnefeldt, - 08.02.2022
Inge Ritterbex, - 08.02.2022
Michael Schmid, - 08.02.2022
Dr. Georg . Klepper, - 08.02.2022
Vera Hermanns, - 08.02.2022
Dr. Odette Klepper, - 08.02.2022
Arzt Ernst-Ludwig Iskenius, - 08.02.2022
Dr. Andrea Ohme-Löser, - 08.02.2022
Dr. Sandor Ragaly, - 08.02.2022
Edith Grams, - 08.02.2022
Brigitte Pinsker, - 08.02.2022
Dr. Cäcilie Kowald, - 08.02.2022
Bernhard Köhler, - 08.02.2022
Gundula Schielicke, - 08.02.2022
jutta jankowsky-urban, - 08.02.2022
Martin Singe, - 08.02.2022
Philipp Ingenleuf, - 08.02.2022
Joachim Guilliard, - 08.02.2022
Birgid Maren Vogel, - 08.02.2022
Dr. Ariadne Altenschmidt, - 08.02.2022
Dr. Brigitte Jaschke, - 08.02.2022
Dr. med. Dieter Lehmkuhl, - 08.02.2022
Marlene Barghoorn, - 08.02.2022
Dr. med. Rainer Stephan, - 08.02.2022
Dr. med. Neşmil Ghassemlou, - 08.02.2022

 

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