Leipzig, im Oktober 2004:
Inmitten eines Chaos aus unzähligen Fototüten, Tagebuchaufzeichnungen, Tüchern, Masken und anderen Souvenirs, sich angesammelten Fahr-, Visiten- und Eintrittskarten, mitgenommen aussehenden Büchern und dreckigen Klamotten finde ich mich plötzlich in meiner Wohnung in Leipzig wieder.
Noch keine zwei Wochen bin ich schon wieder zu Hause.
Die Fotos, die ich gerade erst abgeholt habe, holen mich sofort wieder zurück- zurück in diese so andere, so voller Gegensätze steckende und in jeder Hinsicht so starke und intensive Welt, in der ich meine diesjährigen Semesterferien verbrachte: Indien.
Sechs Wochen durfte ich mit dem f&e Programm der IPPNW in der chaotischen Großstadt Amedabad bei der Familie Patel leben. Drei Wochen davon hospitierte ich in verschiedenen Sozial Projekten in Ahmedabad und Umgebung, die Famulatur teilte ich auf in eine Woche auf der TB Station des Civil Hospitals und zwei Wochen auf der Pädiatrischen Station des VS Hospitals.
Meine Erlebnisse könnten vielfältiger und unterschiedlicher nicht sein und ich könnte jetzt Bände füllen mit diesem Bericht. Ich werde aber versuchen, mich möglichst knapp zu halten und Euch eine Mischung aus den Fakten und meinen Eindrücken dieser schönen Zeit zu vermitteln.
Indien- erste Impressionen
Nach einem relativ entspannten Flug werde ich am Flughafen von Ahmedabad von Ketan und seinem 11 Jahre alten Sohn Dev abgeholt. Bei diesem Arzt und seiner Familie sollte ich also die nächsten Wochen verbringen.
Auf der Autofahrt die ersten Eindrücke: Überall Menschen auf den Straßen: laufend, Fahrrad oder Roller fahrend oder auch wohnend unter Plastikfolien auf dem staubigen Boden direkt neben den Autos. Kühe, wo man auch hinsieht, mitten auf der Verkehrskreuzung in aller Ruhe Müll fressend, der in Hülle und Fülle herumliegt.
Zu Hause angekommen lerne ich Ketans Frau Jayshree und seine 15 jährige Tochter Disha kennen.
Die krassen Gegensätze Indiens werden schnell deutlich. Die Familie Patel wohnt in einem schönen Haus mit Garten in einer ordentlichen Wohngegend. Direkt daneben wohnen Menschen in ärmlichsten Baracken. Das alles ohne Leibwachen oder hohe Zäune wie man es erwarten könnte. Das immer noch verankerte Kastenwesen und der hinduistische Glauben von der Vorherbestimmung des Lebens lassen die Menschen ihr Schicksal widerspruchslos anerkennen.
Bei Familie Patel fühlte ich mich sofort wohl. Dev merkte schnell, was für einen Riesenspaß es macht, Gujarati mit mir zu sprechen, da ich es natürlich nicht verstehe. So lernte ich in den Wochen nach und nach immer mehr Gujarati. Zwar nicht genug, um mich auf Station mit den Patienten zu verständigen, die nicht immer englisch sprachen, wohl aber, um den immer wiederkehrenden und überall gestellten Fragen "Where are you from?", What´s your name?" oder "Where are you going?" auf Gujarati antworten zu können, was immer Erstaunen und große Freude hervorrief.
Inder sind sehr kontaktfreudige Menschen. Wenn man als offensichtlicher Ausländer über die Straßen geht, spürt man alle Blicke auf sich gerichtet und hört immer wieder eben jene Fragen, da dies oft die einzigen englischen Sätze sind, die die Leute können. Dabei ist es wirklich schön zu erleben, mit welcher Dankbarkeit und Freude die Leute reagieren, wenn man sich auf ein kurzes Gespräch mit ihnen einlässt.
Ehe man sich versieht, wird man schon zu seinem Gesprächspartner nach Hause eingeladen, allerdings habe ich irgendwann den Eindruck gewonnen (und auch die Erfahrung gemacht), dass diese oft nicht wirklich ernst zu nehmen sind, sondern aus Freundlichkeit oder aus gesellschaftlichem Zwang ausgesprochen werden. Dies ist die andere Seite, die hinter der andauernden Freundlichkeit steckt: du weißt nie, was jetzt ernst gemeint ist, da immer alles schön und gut sein soll. Ich fand es zum Beispiel oft schwer, wirklich ehrlich und offen über ein Problem zu sprechen oder Kritik zu äußern, da dies als persönlicher Angriff gewertet werden könnte.
Selbst mit den wenigen Menschen, die ich in dieser Zeit wirklich näher kennen lernte, konnte ich nicht immer aufrichtig und ohne falsche Rücksicht meine Meinung und Gedanken aussprechen, was manchmal frustrierend war.
Auffallend oft wurde ich, als klar wurde, dass ich aus Deutschland komme, auf Adolf Hitler angesprochen. Das fand ich am Anfang noch nicht mal verwunderlich, Deutschlands Geschichte ist schließlich ein einschneidendes Ereignis für die ganze Welt.
Irritiert hat mich allerdings die nicht nur einmal gestellte Frage, wie ich denn zu Hitler stände, -war er gut oder schlecht?- Er habe Deutschland doch weit nach vorne gebracht und sei eine beeindruckende Führungspersönlichkeit gewesen. Wie bitte? Da musste ich doch erst mal schlucken.
Man muss allerdings bedenken, dass zum Beispiel für viele der älteren Generation Hitler ein Idol ist, da er die Briten schwächte, als Indien um die Unabhängigkeit kämpfte. Dass diese Meinung allerdings auch von Jüngeren und sogar von Ärzten (also gebildeten Menschen) vertreten wird, ruft in mir doch ein mulmiges Gefühl hervor.
Interessanter Weise fand ich kurz nach meiner Rückkehr diesen Zeitungsartikel, der vielleicht einen Ansatz zum Verständnis beiträgt:
"Hindus loben Hitler
Ahmedabad (AFP) Ein Schulbuch im indischen Bundesstaat Gujarat stellt Adolf Hitler als Vorbild dar. Das Sozialkundebuch wurde von der nationalistischen Hindu- Provinzregierung im Juni eingeführt. Darin heißt es: "Hitler brachte der deutschen Regierung binnen kurzer Zeit Würde und Anerkennung, indem er eine starke Verwaltung aufbaute." Der indische Bildungsminister Arjun Singh sagte, die "aschisten im Land" würden Hitler zum Vorbild machen, was zu einem "fürchterlichen Völkermord" führe. Bei Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Muslimen wurden 2002 in Gujarat etwa 2000 Menschen getötet."
(aus der Süddeutschen Zeitung vom 20.10.2004)
Famulatur
Ich hatte mich dazu entschlossen, auf Anraten meiner Vorgängerin Lena meine Famulatur aufzusplitten und einen Teil auf der Tuberkulosestation des Civil Hospital abzuleisten.
Ich sollte es nicht bereuen, denn dort traf ich auf so aufgeschlossene und nette Residents, die sich so viel Mühe gaben, mir immer alles genau zu erklären (notfalls auch mehrmals, da ich ihr Englisch nicht immer sofort verstehen konnte, was sich aber später legte!). Innerhalb einer Woche hatte ich jede Instanz von der OPD Sprechstunde über die Sputumdiagnostik, der Röntgenbildinterpretation, der stationären Behandlung und der folgenden medikamentösen Behandlung (DOTS) durchlaufen und ausführlichst erklärt bekommen.
Besonders schön war, dass mich die Residents mit in ihr Wohnheim zum Mittagessen nahmen, so dass ich gleich Kontakt zu anderen Studenten gewann und auch sehen konnte, wie ein Student in Indien so lebt. Die Residents (eigentlich wie Assistenzärzte, nur dass die Facharztausbildung 3 Jahre dauert und die Ärzte mit ca. 26 fertig sind!) müssen auf dem Klinikgelände wohnen und sind ständig "on call". Die letzte Visite ist abends gegen 8 Uhr und wenn man dann um 9 oder 10 nach Hause kommt (falls man nicht jede zweite Nacht Nachtschicht schieben muss), muss noch gelernt werden. Also für Freizeit bleibt da wenig bzw. eigentlich sogar gar keine Zeit! Umso erstaunter aber natürlich erfreuter war ich, als sie mir anboten, mir am Sonntag, ihrem einzigen freien Tag, die Stadt zu zeigen oder etwas anderes zu unternehmen.
Auf der Pädiatriestation des VS Hospital, wo ich die nächsten zwei Wochen verbrachte, hatte ich nicht ganz so aufgeschlossene Residents. Natürlich war keiner unfreundlich zu mir, aber das Klima war doch deutlich anders und ich musste mehr Eigeninitiative an den Tag legen. Interessant war es alle Mal, die Krankheitsbilder waren vielfältig und natürlich ganz anders als bei uns (Malaria, Tuberkulose oder Mangelernährung) und auch der Umgang mit den Mitteln war ein anderer. Bekommt ein Kind auf Station zum Beispiel nach acht oder mehr Tagen Fieber, wird direkt davon ausgegangen, dass es sich um eine Malaria handelt und dementsprechend mit Chloroquin behandelt, da dies billiger und schneller ist, als erst einen Bluttest zu machen. Die letzten Tage durfte ich in der Neonatologie und der angegliederten Intensivstation verbringen, was noch mal ein kleines Highlight zum Schluss war, da zum einen dort die Residents plötzlich wieder viel netter waren und es außerdem ein für mich ganz neuer und interessanter Bereich war.
Schlimm war der Tag, an dem wir ein drei Monate altes, völlig unterernährtes (1,5 kg) und schon septikämisches Kind verloren. Die Mutter hatte bereits drei Kinder verloren: Zuerst Zwillinge, die beide am zweiten Tag gestorben sind und dann noch eines, welches auch nur wenige Monate gelebt hat. Die Gründe waren wahrscheinlich die ähnlichen, die auch zum Tod dieses Babys geführt haben: Mangelnde Bildung und dadurch falsche bzw. unzureichende Ernährung.
Trotz solch tragischer Momente überwogen doch die schönen, und die Kommunikation mit den Kindern, ohne eine gemeinsame Sprache zu sprechen, zählt für mich zu den schönsten Erfahrungen dieser Zeit.
Sozialprojekte
Besonders freute ich mich natürlich auf die Sozial Projekte, die ich in den ersten Wochen in Ahmedabad besuchte. Ich entschied mich, auf Quantität statt auf Intensität zu setzen und lieber viele Projekte kurz, als nur wenige für eine längere Zeit zu sehen. Das führte zwangsläufig dazu, dass ich laufend mit neuen Reizen konfrontiert wurde und in der kurzen Zeit nicht immer ganz in die Materien einsteigen konnte. Auch war ich eigentlich meistens "nur" Zuschauer und blieb praktisch recht inaktiv.
Das machte die Sache allerdings keineswegs uninteressanter, denn es war eine unvergessliche Erfahrung, all diese tollen Menschen und Projekte kennen zu lernen. Ich konnte einen Eindruck von der Vielfalt und der Menge an sozialem Engagement erhalten sowie bereichert mit einigen Anregungen zurück nach Hause kehren.
Ich werde hier die wichtigsten Projekte kurz vorstellen:
Manav Parivar- Shri Baldevdas Charitable Trust
Diese schon vor über 40 Jahren gegründete Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht allen Bedürftigen soziale, physikalische und auch spirituelle Hilfe zu leisten. Die Mitarbeiter sind alle ohne Ausnahme Freiwillige, heißt nicht bezahlte Arbeitskräfte. Jeder kann mithelfen wann und wie er eben kann.
Die größte Aktion von Manav Parivar findet jeden zweiten und vierten Sonntag im Monat etwa 40 km außerhalb von Ahmedabad statt. Dort finden sich jedes zweite Wochenende an die 100 Ärzte und Apotheker sowie weitere über 100 Freiwillige ein, um die bis zu 8.000 Menschen, die aus ganz Gujarat anreisen, zu versorgen. Diese Menschen nehmen teilweise mehrtägige Reisen auf sich, weil es dort medizinische Behandlung, Medikamente und warmes Essen für jeden gibt - umsonst versteht sich.
Ketan setzt mich am Samstagabend in der Manav Parivar Zentrale ab, wo sich schon an die 10 Männer und Frauen eingefunden haben. Die Zentrale ist das Wohnzimmer von Dadaghi (= heiliger Großvater), einem älteren ehrwürdigen Herrn ohne Zähne und ganz in weißes Tuch gehüllt, der anno 1968 Manav Parivar ins Leben gerufen hat.
Nachdem jeder sich Dadaghi zu Füssen geworfen hat (was die angemessene Begrüßung für alte Menschen ist) und dafür ein paar Nüsschen und Zucker in die Hand gelegt bekommt geht es bald los. In einen Minibus gequetscht fahren wir alle zusammen los. Wir sind die Vorhut der Freiwilligen, die restlichen 200 kommen morgen bei Sonnenaufgang nach, nachdem sie sich alle zu einem Morgengebet bei Dadaghi eingefunden haben.
Es ist schon dunkel, als wir auf dem Gelände ankommen. Es herrscht eine total ausgelassene aber doch auch andächtige Stimmung. Ein paar Männer bereiten auf dem überdachten Platz mit den Feuerstellen - der Küche - alles für die morgen anstehende Massenverpflegung vor. Die ersten vereinzelten Patienten, die von weither kommen mussten, haben sich schon am Tor eingefunden und schlafen teilweise einfach auf der Strasse und die Apotheker sortieren ihre Medikamente, die komplett durch Spenden finanziert sind. Angefangen von Antibiotika, Paracetamol und Vitaminpräparaten bis hin zu allen möglichen Salben, Tuberkulostatika oder Psychopharmaka ist alles in Massen vorhanden.
Für uns ist ein Matratzenlager gerichtet und so können wir noch ein paar Stündchen schlafen, bevor es früh am Morgen losgeht.
Ich werde am nächsten Morgen - es ist noch dunkel - durch die Massen von Menschen geweckt, die plötzlich durch das Tor strömen und alle schnell aber schön ordentlich in einer Reihe eintreten. Was ich dann erlebe ist ein perfekt durchorganisiertes Massenspektakel. Geduldig wartet ein jeder der ca. 8.000 Menschen in seiner Schlange, die nach Geschlecht und Beschwerden eingeteilt werden und durchläuft die Stationen: Anmeldung, Arzt, Medikamente abholen an der Apotheke und Essensausgabe. Ein kleines Labor und ein Röntgenapparat stehen auch zur Verfügung und in der "Küche" sind über 50 Frauen damit beschäftigt, Chapati (Fladenbrot) zu rollen und zu backen.
Schluss ist, wenn der letzte Patient an der Reihe war, was dann so am späten Nachmittag der Fall ist. Manche der Ärzte kommen erst dann zum ersten Mal an diesem Tag zum Essen, nachdem sie den ganzen Tag einen Patienten nach dem anderen gesehen haben. Das Schöne an dem Camp ist, dass alle Freiwilligen gleichwertig sind und keinerlei Hierarchie und Anspruch herrscht. Auf diesen Camps vergisst jeder, wer er ist und ob Chefarzt oder einfacher Arbeiter, alle sind hier, um ihren Beitrag für die Menschlichkeit zu leisten.
Manav Sadhna
Angegliedert an das Gandhi Ashram, wo Gandhi lange Zeit lebte und wirkte, befindet sich eine kleine Schule, von der aus gleichzeitig verschiedene soziale Projekte aus organisiert und koordiniert werden.
Die Projekte sind meistens für Kinder ausgelegt und sind sehr vielfältig. Es gibt Aktionen wie Straßenschulen in den Slums, Ernährungs- und Gesundheitsprogramme aber auch Bastel- und Spielnachmittage wie der "Back to Childhood"- Tag, der jeden Samstag Kindern aus den Slums die Möglichkeit bietet, ihren Slum- Alltag zu vergessen (viele betteln, putzen Schuhe oder versuchen anderweitig an Geld zu kommen, statt in die Schule zu gehen) und für ein paar Stunden wieder ganz Kind sein zu können.
Auch Manav Sadhna versucht, die Spiritualität nicht außen vor zu lassen: Jede Aktion beginnt mit einem Gebet und endet mit einer kleine Mahlzeit (für die Kinder).
Beeindruckend war die Aktion "Childdoctors": Dort werden 10 bis 15 Jährige zu "Ärzten" geschult, das heißt ihnen wird ein Köfferchen mit Verbandsmaterial, Desinfektionsmittel, Nagelschere und Kamm ausgehändigt und sie "behandeln" die anderen Kinder. So wird Verantwortung übertragen, ein Bewusstsein für Hygiene geschaffen und den Kindern eine Alternative zum Betteln geboten - die "Childdoctors" werden mit einem kleinen Taschengeld entlöhnt.
SEWA- Self Employed Women´s Association
Diese riesige Organisation ist sogar über die Grenzen von Gujarat bekant. Ziel ist es Frauen durch Arbeit zur Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu verhelfen. Verschiedene Ausbildungsprogramme (Gesundheit, Ernährung, Alphabetisierung
) werden genauso angeboten wie die Möglichkeit finanzierbare Kredite aufzunehmen. Da viele Leute kein regelmäßiges Einkommen haben, geben die Banken ihnen auch kein Geld oder nur zu Preisen, die sich niemand leisten kann.
Ich habe von SEWA nur ein Projekt besucht, was sich mit der Aufklärung über AIDS und andere sexuell übertragene Krankheiten (STD) befasst. So genannte "Street Workers" gehen regelmäßig in die Slums und veranstalten Aufklärungsgespräche. Dort werden dann nach Alter und Geschlecht getrennt Bilder von verschiedenen Krankheiten gezeigt und erklärt, warum und wie die Leute ein Kondom benutzen sollen.
Die ganzen Jugendlichen sind hier, um eine Aufklärungsstunde zu erhalten. Sie sind zwischen 14 und ich weiß nicht, wann ich geboren wurde. Manche waren noch nie in der Schule. Alle sind Müllsammler. Sie spezialisieren sich auf Plastik, Papier oder Metall und verdienen so ein wenig. Devendra zeigt ihnen Bilder von STD´s und erklärt ihnen wie man ein Kondom benutzt und wie man sich mit HIV ansteckt. Diese teilweise erst 14 Jahre alten Jungs gehen zu den "Sex Workers". Es dauert ein bisschen bis ich verstehe, dass dies keine Sozialarbeiter sind, sondern Prostituierte. ( Auszug aus meinem Tagebuch)
Blind People´s Association
Einen Ausbildungsplatz oder gar eine Arbeit zu finden ist in Indien für Blinde und Behinderte nicht selbstverständlich. Die Blind People´s Association bietet eben diesen Menschen diese Möglichkeit. Auf einem großen Gelände befinden sich ein Wohnheim für Blinde und Behinderte, eine Druckerei und Buchbinderei, eine Tischlerei sowie eine Weberei und Schneiderei. Die Organisation bietet außerdem die Möglichkeit, mit einem speziell für Blinde entwickelten Programm das Arbeiten am Computer zu erlernen, sowie die Ausbildung in Physiotherapie. In einer Werkstatt werden sogar eigene Prothesen hergestellt.
Die Jugendlichen und Erwachsenen erhalten hier eine Ausbildung, mit der sie danach die Möglichkeit haben in einer Firma übernommen zu werden und sich selbständig ihr eigenes Geld zu verdienen.
Die BPA organisiert auch Medical Camps unterschiedlicher Art. Ich nahm an einem Camp für Mental Diseases teil und fuhr mit 4 Psychiatern, 2 Psychologen und einem Pharmakologen in die ländliche Umgebung, wo die Bewohner schon informiert worden waren, dass wir kommen würden. Die Diagnosen waren meist Schizophrenie, Depressionen, Grand Mal Epilepsie oder Mental Retardition. Medikamente wie Haloperidol, Lithium oder Psychopharmaka jeder Art wurden am laufenden Band verschrieben und umsonst ausgegeben, bis die Vorräte zu Ende gehen. Ob das die richtige Methode ist, diesen Menschen zu helfen, sei dahingestellt.
Resümee:
Es war schon seit langer Zeit ein Traum von mir Indien kennen zu lernen und dort Entwicklungshilfe oder etwas Ähnliches zu leisten. f&e gab mir die Chance, ein mir bis dahin fremdes Land in einer einheimischen Familie zu erleben, was mir Indien noch viel näher brachte, als die restliche Zeit, die ich durch Indien reiste. Gleichzeitig erhielt ich die Möglichkeit, eine Famulatur zu kombinieren mit einem Einblick in die Entwicklungs- und Sozialarbeit vor Ort. Ich empfand es als sehr bereichernd, diese vielen Projekte kennen zu lernen und einen für mich ersten Eindruck von der medizinischen und auch sozialen Arbeit in einem Entwicklungsland zu erhalten. Ich kann mir jetzt gut vorstellen, für längere Zeit in einem Entwicklungsland zu arbeiten und ich bin der IPPNW sehr dankbar, mir diese bereichernde und erlebnisreiche Zeit ermöglicht zu haben.
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