Kenia

Von Ulrike Buchholz

01.12.2007 "Hey Ulli, happy new year! There's nothing happy in Kenya - the country is in turmoil, we cannot go to Kericho town, people are being shot dead! No shops are open, looting is widespread. Not just in Kericho but all over Kenya apart from central province. Banks are closed, we can't access money, salaries aren't paid - am broke!" (Vernon Mochache, Kericho, Kenia, 1. Januar 2008) - "our Kericho [is] in fire but we are ok. Happy New Year!" (Fred, Kericho, Kenia, 1. Januar 2008)

Diese und ähnlich verlautende SMS Kurznachrichten tickern am Neujahrstag 2008 über mein Handydisplay und verändern meine Sicht - nicht unbedingt meine Weltsicht, dazu bin ich leider schon zu abgeklärt und weiß um die mögliche Brutalität von Menschen, auch nicht unbedingt meine Sicht durchs Fenster auf die verschneite Dünenlandschaft und auf uns, den um den wärmenden Kamin sitzenden Freundeskreis, dazu bin ich leider schon zu ignorant und kann diese Tage genießen und gleichzeitig um das Schicksal der kenianischen Freunde wissen.
Diese Nachrichten aber verändern meine Sicht auf meinen Aufenthalt in Kenia im Sommer 2007 - manches Erlebnis interpretiere ich neu und manche Erinnerung löst andere Gefühle aus. Aber auch schon die Wochen, die Hellen, meine kenianische IPPNW- Austauschstudentin, und ich zusammen diesen Herbst in Deutschland verbrachten, haben mich manchen kenianischen Sommertag anders erinnern lassen, - weniger romantisch, weniger fröhlich, weniger optimistisch, weniger unkompliziert.

Der Aufbruch nach Kenia, die Motivation im Gepäck.
Ende Juli, nach dem üblichen Klausurenmarathon am Ende eines jeden Semesters, sitze ich im Flieger nach Nairobi. Ich freue mich, im Rahmen des "famulieren & engagieren" Projekts (f&e) der IPPNW-Deutschland und im Austausch mit dem Partnerverein in Kenia dort Famulaturen und Sozialprojekte absolvieren zu können. Im Gepäck habe ich die Erinnerung an meinen zweimonatigen Aufenthalt 2005 in der DR Kongo und an mein dortiges Praktikum in einem kleinen Provinzkrankenhaus im Osten des Landes. Im Kongo war ich Menschen begegnet, deren Kultur und Infrastruktur durch Kolonialisierung, jahrelange Rebellionen und jüngste kriegerische Auseinandersetzung weitgehend zerstört ist. Es sind letztlich die an diesem Ort aufgeworfenen Fragen zu Subsahara-Afrika (und auch die Abenteuerlust), die mich wieder dorthin treiben: Fragen zur Korrelation von Armut und Infektionskrankheiten, Fragen zum Schicksal von Frauen in armen, patriarchalischen Gesellschaften, Fragen zu den zahlreichen unsinnigen Entwicklungshilfeprojekten. Ich erlaube mir also den Luxus, mich nochmals auf den Weg zu machen, um diesen Themen weiter auf den Grund zu gehen, diesmal in einem afrikanisches Land, das zwar nicht allzu weit vom Kongo entfernt liegt, dessen Geschichte aber eine völlig andere ist und immer wieder für den Kontinent als Vorbild gilt. Ich freue mich, nicht (nur) als Touristin zu reisen, sondern eingeladene Besucherin zu sein. Ich hoffe, auf der anderen Seite auf Ärzte und andere Menschen zu treffen, die an einem Dialog interessiert sind, an einem gemeinsames Engagement - vor Ort und global.

Anflug auf Nairobi - Anflug von Skepsis.
So schwebe ich also über die Weltmeere und durch die Wolken. Dazwischen hängen meine Gedankenfetzen: Was will ich da, in Kenia? Was, was ich noch nicht gesehen, noch nicht gedacht hätte über Afrika? Habe ich mit diesen Themen, mit Entwicklungshilfe und -zusammenarbeit nicht bereits nach dem Kongoaufenthalt, allerspätestens aber mit meiner Doktorarbeit abgeschlossen? Was mögen Hellen, Vernon und Michael von mir erwarten? Kann ich mich - so schön "famulieren & engagieren" klingt - wirklich in einem anderen Land sinnvoll einbringen oder bin ich nicht vielmehr ein Störfaktor? Dann aber lande ich in Nairobi und werde am Flughafen warmherzig von einer Schar von Menschen empfangen - von den IPPNW-Studenten Hellen, Michael, Ken, Stella, Mosi und Florentius und von Walter und Rachel aus dem IPPNW-Büro. So spielen die Zweifel und auch die nasse Kältezeit des kenianischen Hochlandes vorerst keine Rolle mehr.

Übersicht über meinen Aufenthalt in Kenia.
Vor mir liegen gut zwei Monate in Kenia: Die drei ersten Augustwochen famuliere ich auf der Gynäkologie und Chirurgie am Kenyatta National Hospital (KNH), dem Universitätsklinikum der Hauptstadt Nairobi. Die folgenden Wochen verbringe ich im weiter westlich gelegenen Kericho, einem kleinen Ort, der aber das Herz der kenianischen Teeproduktion darstellt! Dort arbeite ich 14 Tage im District Hospital bei Vernon, einem jungen Arzt im Anerkennungsjahr und ehemaligen kenianischen f&e-Austauschstudent, und besuche für eine Woche Grace und ihre Waisenkinder. Zum Schluss kehre ich anlässlich des "IPPNW African Regional Meeting" zurück nach Nairobi und helfe anschließend noch den Mitarbeitern von "Kicoshep" für eine Woche bei ihrer Sozialarbeit in Kibera, dem größten Slum der Stadt. Die letzten Tage in Kenia verbringe ich als Touristin zwischen Mombasa am Indischen Ozean und den luftigen Höhen des Mount Kenya.

Nairobi . Eine Zweiklassengesellschaft.
Nairobis Straßen sind die einer Weltmetropole: Hier pulsiert das Leben, Blechlawinen von Matatu-Sammeltaxis, Citihoppa-Bussen und Privatautos schieben sich durch die Innenstadt, vorbei am Uhuru-Park mit seinen Imbissbuden, Tümpeln und Tretbooten. Die Luft hängt schwer und staubig zwischen den Fassaden der nicht gerade pittoresken Hochhäuser. Hier befindet sich eines der vier Hauptquartiere der UN und auch viele andere internationale Organisationen haben einen Hauptsitz in Nairobi. Weiße, "Musungus", gehören zum alltäglichen Straßenbild und fallen neben Indern und Asiaten nicht weiter auf. Im Vergleich zu Kampala, der Hauptstadt des Nachbarlandes Uganda, fällt hier nur selten der Strom aus und auch das Wasser fließt die meiste Zeit. DHL ist in Kenias Hauptstadt genauso zugegen wie Barclays Bank oder Unilever. An der Straßenecke unterhalten sich zwei junge Kenianerinnen über die neuste Folge der US-amerikanischen TV-Serie "Desperate Housewives", gegenüber diskutieren zwei junge Männer die Ergebnisse der englischen Premier League, Paramount und Dreamworks werben für Michael Bays Film "Transformers". Die Kinder der Stadt, Brüder und Schwestern meiner Kommilitonen am Kenyatta National Hospital, studieren in Großbritannien und den USA. Doch nur wenige Menschen können sich wie Weltbürger frei in den Straßen Nairobis bewegen, ein Großteil der Menschen ist in der Armut der Slums der Stadt gefangen. Viele beobachten das Treiben mehr als es zu konsumieren und nur wenige haben ein Auto und das nötige Kleingeld um im "Carnivore" oder "Pavement" das Nachtleben der Hauptstadt zu genießen.

Die meisten meiner Kommilitonen am Kenyatta National Hospital entstammen der unteren Oberschicht. Entweder finanzieren die Eltern ihnen das Studium oder aber sie sind aufgrund von hervorragenden Schulleistungen Stipendiaten der staatlichen Universität. Letztlich steht aber auch bei diesen fast immer ein zumindest moderat wohlhabendes Elternhaus im Hintergrund - Beamte, Lehrer, Ingenieure, Betriebsleiter. Denn Voraussetzung für gute Schulleistungen ist fast ausschließlich der Besuch einer Privatschule. Die ganz reichen Familien allerdings bringen die hohen Studiengebühren auf, um ihre Kinder an die Hochschulen in den USA, in Kanada, Großbritannien oder auch Russland zu schicken.

Die untere Klasse der Gesellschaft, die Armut ist den meisten der Medizinstudenten ähnlich fremd wie mir. Als ich am ersten Wochenende mit einigen der Kommilitonen im Rahmen des Gynäkologie/Geburtshilfekurses zum Pflichtpraktikum in die Geburtsklinik nach Pumwani, einem der vielen Slums in Nairobi, gehe, sind sie von der sogenannten "babyfactory" genauso schockiert wie ich: ein überfüllter Kreissaal ohne Arzt und mit nur wenigen Hebammen, dreckige Betten und Böden, alleingelassene Frauen, die weder für sich noch für ihr neugeborenes Kind die nötige Kleidung dabei haben, Babys, die zu wenig Freude der Beteiligten aber zu guten Übungszwecke der umher stehenden Studenten zahlreich zur Welt kommen.
So bekomme ich also schon in den ersten Tagen meines Keniabesuchs eine Idee von der komplexen Wirklichkeit einer ausgeprägten Zweiklassengesellschaft, ein Thema, das mich die folgenden zwei Monate weiterhin beschäftigen wird.

Begegnungen mit den Medizinstudenten.
Wunderbar ist, dass das Willkommen bei meiner Landung am Flughafen durch die IPPNW-Studierendengruppe die folgenden Wochen anhält. Wo immer ich auftauche, habe ich das Gefühl, eingeladen zu sein, so dass ich mich nach wenigen Tagen in der Fremde irgendwie heimisch fühle – zwischen meinen kenianischen Mitbewohnerinnen in "Sylvia's Hostel", meiner kleinen Herberge, unter den Studenten am KNH und bei Besuchen in ihren Wohnheimen auf dem Klinikgelände. Bei allen Differenzen die ich auch von Anfang an sehe, und dem (mir aus meiner Zeit im Kongo nicht unbekannten und dennoch manchmal nervigen) Gefühl, ein bunter bzw. weißer (und deshalb recht populärer) Hund zu sein, bin ich erstaunt und erfreut über die unerwartete Nähe, die uns verbindet: Wir haben ähnliche Träume für unsere Leben, wir teilen manche Sorge, wir lachen über die gleiche Filmkomödie, wir zocken (mehr oder weniger erfolgreich) das gleiche PC-Spiel. Sicher, was hatte ich mir auch vorgestellt? Dass Michael und Florentius sich später ein Leben als Stammesführer im kenianischen Hinterland wünschen oder aber Christine und Hellen sich dabei als dienende Ehefrau mit 10 Kindern und zwei Nebenfrauen sehen? Diese Realität gibt es in Afrika und auch in Kenia, aber es ist natürlich nicht die der Akademiker und der jungen, emanzipierten Studentinnen und Studenten. Sie wünschen sich wie wir eine sie erfüllende Arbeit u.a. als Ärzte, eine gleichberechtigte Partnerschaft, eine Familie. Dass uns - trotz Gemeinsamkeiten - vieles aber aufgrund unserer unterschiedlichen kulturellen Herkunft und Sozialisierung auch trennt, erahne und spüre ich dann doch auch früh und manche Unterschiede bleiben komplex und irritierend.

Was uns verbindet, was uns trennt.
Es heißt doch, Bücher veränderten die Welt. Ich aber denke - besonders nach meiner Zeit in Kenia -, dass es Spielfilme sind. Ich bin soziologisch zu ungebildet, um das Ausmaß der Wirkung von Filmen und Serien auf den Konsumenten ermessen zu können, inwieweit sie bspw. unsere Wertevorstellungen prägen und unsere Sicht auf andere Gesellschafts- und Kulturkreise. Aber ich weiß um mein eigenes Erleben von Filmen und um mein Kultivieren ihrer Botschaften. Und ich habe insbesondere in Kenia beobachtet, welche Auswirkungen diese in Bildern erzählten Geschichten aus unserer westlichen Welt auf Afrikaner bzw. Kenianer haben: Beatrice wünscht sich ein flottes Auto, einen begehbaren Kleiderschrank und ein spektakuläres Beziehungsleben herbei, wie sie die Figur "Gabi" in Desperate Housewives führt, Allan hat gehörigen Respekt davor, in Europa zu leben, weil er davon ausgeht, dass dort jede Frau einen Colt in ihrer Handtasche trägt (und die Damenwelt ist nicht immer positiv auf ihn zu sprechen!), Hellen lässt sich bei ihrem ersten Anblick von Schnee auf der Schwäbischen Alb zu meinem Erstaunen auf die weiße Decke fallen und formt mit ausgebreitet Armen und Beinen ein Engelchen - "that's like in the movies, isn't it Ulrike?"

Nun, so lustig und absurd diese und andere Szenen wirken, nach einigen Tagen und Wochen bin ich aufgrund solcher Erlebnisse meinem Gefühl gegenüber skeptischer geworden, wir, die jungen deutschen und kenianischen Studenten, hätten vieles gemeinsam. Ich merke, dass mancher Tagtraum der kenianischen Studenten extrem durch unsere westliche Welt (u.a. den Teil der Hollywoodrealität) geprägt ist. Wir entdecken zunächst also unter Umständen v.a. deshalb Gemeinsamkeiten, weil wir Gleiches konsumieren, - auch ich schaue seltsame Serien um US-amerikanische Hausfrauen und Hollywoodmovies an. Abgesehen von der (an anderer Stelle zu diskutierenden) Frage um den normativen Einfluss von industriellen Konsumgütern ist dieser Sachverhalt meiner Meinung nach v.a. deshalb prekär, weil wir ungleichberechtigte Konsumenten sind: Das Kultur- oder vielmehr Konsumgut entspringt ausschließlich der westlichen Welt. Und so stark dieses die kenianische, afrikanische Jugend prägt, so wenig haben wir jungen Deutschen, Europäer oder US-Amerikaner afrikanische Werte oder Träume verinnerlicht. Problematisch ist diese Ungleichheit, so denke ich, weiterhin deshalb, weil nur derjenige, der die reale westliche Welt kennt, die Fiktion kritisieren und sich so von ihrem Einfluss emanzipieren kann. Ich kann bspw. Figuren wie Gabi als Karikatur erkennen, anstelle sie als real existierenden Charakter zu verkennen.

Was aus diesem Beispiel (zur wirklichen einflussreichen Filmindustrie) hervorgeht, meine ich, wiederholt sich auf fast allen Beziehungsebenen zwischen den meisten Afrikanern und Europäern. Auch wenn wir uns als Partner begegnen wollen, wir sind ungleichberechtigte Gefährten. Denn wir, die Europäer, können uns in unseren Staaten und mit unseren finanziellen Mitteln viel eher zu mündigen, emanzipierten (Welt)Bürgern entwickeln als es den meisten Afrikaner jemals vergönnt ist: An erster Stelle habe ich nämlich - bei allen Defiziten unseres deutschen Schulsystems - eine humanistische und demokratische Bildung genossen, die mir, kurz zusammengefasst, zumindest erlaubt, im Privaten und Politischen, im Lokalen und Globalen, meine eigene Mündigkeit zu erkennen und Autoritäten anzuzweifeln. Des weiteren wurde mich nicht nur die Fähigkeit gelehrt, mir Wissen anzueignen, sondern ich habe auch weitgehend freien Zugang dazu: eine freie Presse, endlos viele Bibliotheken, leicht erschwingliche Bücher, ein (noch) kostenloses Studium. Zudem habe ich die finanzielle und juristische Freiheit, mich mit dem nötigen Kleingeld und meinem deutschen Reisepass frei in der Welt zu bewegen und andere Lebensrealitäten kennen zu lernen und sie miteinander und v.a. aber mit meiner eigenen zu vergleichen.

All das ist für meine kenianischen Freunde nicht der Fall und das macht uns am Ende leider zu ungleichen Partnern. In ihrem intellektuellen Potential stehen sie mir natürlich in nichts nach. (Vermutlich überflüssig oder schon missverständlich, dies hier zu äußern, aber das Vorurteil beispielsweise über das Unwissen afrikanischer Ärzte grassiert hierzulande.) Aber sie sind, sobald es bspw. um politische Diskussionen geht - um Globalisierung, um die UN, ja selbst um Kolonialisierung oder die Unabhängigkeitsbewegung - unwissend und unmündig, weil ihnen sämtliche Quellen vorenthalten werden, weil es kaum eine unabhängige Medienlandschaft gibt, weil Fernsehen und Printmedien kaum Nachrichten aus dem Ausland vermitteln, weil das Internet kontinuierlich am Zusammenbrechen ist, weil Bücher teuer sind, weil es kaum öffentliche Bibliotheken gibt, weil Wirtschaft-, Sozialkunde, Geschichte und Politik nur marginal auf dem Lehrplan stehen, weil (nicht nur) die Schule eine absolute Obrigkeitshörigkeit lehrt, weil das Konto eines durchschnittlichen kenianischen Studenten und erst recht der Pass, es nicht zulassen, mal eben ins Nachbarland Uganda zu reisen, geschweige denn über den Ozean zu fliegen, um sich die asiatische, europäische oder amerikanische Realität anzugucken.

Das trennt uns. Und zwar mehr, als mir lieb ist. Nicht nur, weil ich diese Chancen auch Stella, Tarus oder Nancy von Herzen gönne, sondern weil ich ihnen gerne gleichberechtigter begegnen würde.
So what? Macht die ganze Geschichte Sinn? Mein Besuch in Kenia und die eigentlich grandiose Idee eines Austauschs, die Einladung eines kenianischen Medizinstudenten durch die IPPNW-Deutschland? Vielleicht. Aber es kann nur eine Annäherung an einen gleichberechtigten Austausch sein, an eine mögliche gegenseitige Kritik unserer Gesellschaften und Kulturen.

Kericho
Nach den Wochen in der umtriebigen Metropole Nairobi freue ich mich, die Luft der Großstadt hinter mir zu lassen und bin gespannt auf die Reise in die westliche Provinz - durch Kenias berühmte und wunderschöne Natur. Die Fahrt nach Kericho im Matatu ist für mich ein kleines Abenteuer, - für Vernon, der mich liebenswürdiger Weise in Nairobi abholt, ist es eher eines der vielen unbequemen Ärgernisse auf Kenias Straßen: Ich schaue aus dem Fenster und bestaune die weite Landschaft des Rift Valleys, freu mich über die am Straßenrand weidenden Zebras, Vernon versucht trotz der Sprünge über die unzähligen Schlaglöcher Zeitung zu lesen und ärgert sich über den allzu gelassenen Fahrer, dem erst kurz vor dem Steilhang auffällt, dass die Bremsen defekt sind und für deren Reparatur geschlagene zwei Stunden braucht. Auch ich werde spätestens bei der Rückfahrt ein paar Wochen später von den Schlaglöchern wach gerüttelt werden und muss (mal wieder) darüber nachdenken, welch unglaubliches Hindernis schlechte Straßen für die Entwicklung eines Landes bedeuten - für Beziehungen, für Handel, für Sicherheit. So bin ich erstaunt, dass die so marode Strecke Nakuru - Nairobi zur wichtigsten Fernstraße Ostafrikas gehört. Hierüber werden sämtliche Import- und Exportgüter zwischen der ostafrikanischen Region und deren bedeutendster Hafenstadt Mombasa transportiert: Öl, Nahrungsmittel, Industrieprodukte erreichen hierüber Kenia, Uganda, Ruanda, Burundi, den Südsudan, Ostkongo und Nordtansania, Kaffee, Tee und Blumen gelangen en retour in die weite Welt. Nachdem wir das 100km breite Tal Rift Valley, Teil des Ostafrikanischen Grabenbruchs, hinter uns gelassen haben, erreichen wir irgendwann Kericho: Die auf fast 2000m gelegene Siedlung, die ein bisschen an eine Westernstadt aus Cowboyfilmen erinnert, ist das Zentrum der kenianischen Schwarzteeproduktion. Um den Ort herum erstrecken sich endlos die grünen Teefelder. Dieser erste Blick auf den grandiosen grünen Teppich, gesäumt von Eukalyptuswäldern, und auf die weidenden Milchkühe mutet mich heimatlich an. Vermutlich kein Wunder, denn die englischen Kolonialherren haben die klimatisch äußerst günstige Gegend mit ihrer Landwirtschaft ab dem Ende des 19. Jahrhunderts geprägt.

Die ersten englischen Worte, die ich in Kericho nochmals nachschlage, sind "Gummistiefel" und "Matsch" und "mvua" (Regen) reihe ich ergänzend in meinen kleinen Suaheliwortschatz ein. Denn nach einem morgendlich strahlend blauen Himmel und 40°C ziehen mittags bald schon Wolken auf und nachmittags folgt stundenlanger Regen, der den Straßenboden in Schlamm verwandelt.

Kericho überrascht mich noch mehr als es Nairobi getan hat, - nicht vordergründig das erstaunlich feuchte Klima, aber die Lebensfreude, die unglaubliche Gastfreundschaft. Doch ungefähr so vielschichtig wie die Wetterlage eines Tages, ebenso vielschichtig ist die Realität dieser Kleinstadt. Auch in Kericho bewege ich mich wieder weitgehend in der oberen Schicht der Gesellschaft, die untere beobachte ich vielmehr. Zwar sind die sozialen Unterschiede in einer kleineren Ansiedlung wie Kericho im Vergleich zur Millionenstadt Nairobi mit Villenvierteln und Slums geringer, aber auch das Zentrum der Teeplantagen kennt Extreme: So stehe ich am einen Tag mit Gummistiefeln im Kreissaal des chronisch unterfinanzierten staatliche District Hospitals vor Frauen, die die umgerechnet 3,50 Euro für die Geburt ihres Kindes nicht aufbringen können, und am anderen Tag bade ich bei Sonnenschein im Swimmingpool des Clubs der Teeplantagenmanager.

Bon amusement in Kericho und das Ende einer Stadt
Solange ich nicht all zu viel über solche Kontraste grüble und in Weltschmerz versinke, sind die Tage in Kericho reich und schön. Ich lebe bei Vernon, dem jungen Arzt, und seinem Studienfreund Felix, Pharmazeut des District Hospitals. Vernon, seine Nachbarinnen Simat und Sylvia, sowie Michael, Wendo und Debra sind junge Ärztinnen und Ärzte in ihrem Anerkennungsjahr und genießen die Freiheit nach der lernintensiven Unizeit, während der sie meist noch unter der Beobachtung ihrer Eltern oder zumindest der Professoren standen. Sie genießen ihr erstes selbst verdientes - wenn auch knapp bemessenes - Geld (und sind am Ende eines jeden Monats pleite), sie leben das Mehr an Freizeit aus, dass sie im Vergleich zu den streng angeordneten Unijahren trotz Nacht- und Wochenenddiensten haben. Und ich lebe die Lebensfreude mit: Schaue mit ihnen bei Tusker (dem kenianischen Bier schlechthin) auf Sylvias neu erworbenen DVD-Player, wie Shakira im Videoclip zu "Hips Don't Lie" auf dem Boden herum robbt, tanze mit Vernon und Debra zu traditioneller Luomusik in der Bar des Westland Hotels und trinke mit dem Röntgentechniker und Dorfhelden Fred dabei etwas zu viel Whiskey. Ich gehe mit den Freunden der Bekannten der Teemanager auf den grünen Hügeln Kerichos im Swimmingpool baden, schaue mit Vernon abends im Fernseher die endlose columbianische Soapopera "El cuerpo del Deseo" um den schönen, allerdings von den Toten auferstandenen Salvador und höre Felix zu, wie er kluge Pläne für sein Leben und sein Land schmiedet.

Ich mag das Leben, mein vorübergehendes Leben dort an diesem Ort und ich mag seine Menschen - die Freunde um Vernon, die Kollegen im Krankenhaus, die Menschen auf der Straße. Ich mag die Gespräche, in die ich schon nach wenigen Tagen auf dem Weg zur Arbeit verwickelt werde: die Plauderei mit Jeremie, dem Zeitungsverkäufer, über die Wetterlage, die Diskussion über Moral mit John, dem etwas scheinheiligen Baptistenprediger mit der Alkoholfahne.

Ich mag den Ort, wenngleich auch hier über Armut und unmenschliche Umgangsformen nicht hinwegzusehen ist. Aber Kericho ist, so erlebe ich es, so erleben es auch Vernon und Felix, trotzdem eine freundliche, eine lebensfrohe Stadt. Und so drücken die Worte, die Vernon Anfang Januar nach den manipulierten Präsidentschaftswahlen von dort aus an mich schreibt, nicht nur sein Entsetzen über den plötzlichen Wandel der Stadt aus, sondern erfüllen auch mich mit Trauer, - nicht nur angesichts menschlicher Rohheit, sondern um genau diesen Ort und seine Menschen:
[...] 20 minutes after being declared the winner, he [Kibaki] was sworn in. [...] Then all hell broke loose. [...] People went on the rampage rioting against the president. [...] After one day, this took a turn for the worse where all this was targeted at members of the Kikuyu community [...]. Their shops were burnt, their wives, daughters and sisters raped, their houses burnt! It was mayhem.
After 2 days, things turned for the worse where now the violence was directed towards any other tribe that was not predominant in a particular region. Everything that was happening to the Kikuyus started happening to other tribes. It's like everyone went berserk. In Kericho where the predominant tribe is the Kalenjin my own tribe suffered the same fate. Houses were burnt, vehicles burnt, plants in the shamba burnt. I could not leave my house. The gangs were asking for identification cards which state where you come from then killing you on the spot!
The police were called in and made everything worse by firing live bullets at the rioters killing majority of them. It became a mini war since other rioters took it that way. Shops were closed, supermarkets closed, banks closed, major highways barricaded. You only sat in your house with no food and waited for any eventuality! It was the scariest moment of my life. [...]
People who had their property burnt lived in the police stations. I visited the Kericho police station one day to look for food and was depressed at thousands of people living like refugees- it did not matter how rich one was, they all slept in the open, cooked in the open and went to the toilet in the open!! It was depressing [...]
It is never going to be the same again. [...]
(Vernon Mochache, Kericho, Kenia, 10. Januar 2008)

Soziale Ungerechtigkeit und Erbarmungslosigkeit
Neben diesem - wenige Monate nach meinem Aufenthalt - ausgebrochenen Rassismus, belastet das multiethnische Land Kenia seit jeher aber die extreme soziale Ungerechtigkeit. Und während das grauenhafte Ausmaß der Wahlunruhen für mich wie auch für die allermeisten Kenianer keineswegs absehbar war, sind Armut und Elend in diesem afrikanischen Land und damit verbundene Spannungen nicht zu übersehen. (Unklar ist, inwieweit der soziale Unfriede mit den ethnischen Konflikten in Zusammenhang steht.) Die allermeisten Menschen in Kericho und in ganz Kenia haben ein weniger gefälliges Leben als meine Freunde Vernon, Felix oder Fred, die hier in Deutschland vielleicht zur Mittelschicht gezählt würden, und fast alle bewegen sich Dimensionen weit entfernt vom Leben der Villenbewohner in Nairobi oder Mombasa. Die Mehrzahl der Menschen sind Personen wie Zeitungsverkäufer Jeremie, unser Putzmann Paul oder der junge Bursche, dem ich eines Tages die bei der Zuckerrohrernte durchtrennten Handsehnen wieder zusammenflicke. Sie schlagen sich als Tagelöhner und mit Gelegenheitsjobs durch oder versuchen als Selbstversorger mit einem kleinen Stück Land den Alltag zu überleben, meist nur mit einem Maiskolben und viel Chai, dem süßen Milchtee, im Magen. Diese Menschen sind auch die Patienten im District Hospital: Zusätzlich zu oder aufgrund ihrer Armut ereilt sie noch ein weiteres Schicksaal - ein Unfall, eine Infektionskrankheit, Geburtskomplikationen - und stürzt sie und ihre Familien in ein unabsehbares Dilemma. Was mag es bedeuten, wenn der Familienvater, der sich als Tagelöhner auf einer Baustelle großflächige Verbrennungen zugezogen hat, vernarbt nie wieder in dieser Agrargesellschaft tätig werden kann? Was bedeutet die Infektion der schwangeren Mutter mit HIV und Tbc für sie, ihren Ehemann, ihre Ehe und ihre Kinder? Was passiert mit einer zehnköpfigen Familie, wenn die Mutter unter der Geburt verstirbt?

Ein Sozialsystem mit Arbeitnehmerrechten, Renten- oder Unfallversicherung, Krankenkassen, Sozialhilfe oder Waisenrente ist in Kenia non existent (und auch auf absehbare Zeit nicht geplant). Wer aber kommt dann für diese Menschen auf oder setzt sich für ihre Belange ein? Die Antwort ist: Niemand. Es gibt die verklärte Vorstellung, dass in den afrikanischen Kulturen das Sozialgefüge der Familie besonders ausgeprägt sei und auffinge, was hierzulande unsere staatlich institutionalisierte Fürsorge leistet. Dem ist, soweit ich es erfahren habe, nicht so. Die Mitglieder der Kleinfamilie mögen füreinander einstehen, jedoch kann die Krankheit nur eines Mitgliedes das Sozialgefüge bereits zerstören. Die Großfamilie dagegen existiert kaum noch in Ländern wie Kenia, die durch Landflucht und Emigration geprägt sind. Und die christlichen Kirchen, denen bis zu 80 Prozent der kenianischen Bevölkerung angehören, sehen ihren Auftrag weniger in der Diakonie, als vielmehr in der Mission und Gottesdienstgestaltung.

Ich bin aber vor allem darüber erschüttert, dass das Ideal der Mitmenschlichkeit wenig zählt, auch nicht in den hierzulande sogenannten "sozialen" Berufen. Es ist irritierend manch kenianische Freunde und Kollegen zu beobachten - auf der Straße, in der Klinik: So gastfreundlich und großzügig sie mir gegenüber sind, die Würde der armen Menschen treten sie mit Füßen. Wer mittellos ist, wird nicht gegrüßt, nicht willkommen geheißen, der wird im Krankenhaus ohne Schmiergeld nicht behandelt und zu zwei weiteren Patienten ins Bett gelegt, dem wird vor der Operation kein gutes Wort zugeflüstert und keine beruhigende Hand auf die Schulter gelegt, dessen Frau wird im Kreissaal ausgelacht und während der Geburt angeherrscht. Menschen zweiter Klasse werden verachtet, ihnen wird nicht einmal das zugedacht, was nichts kostet, wie ein freundliches Wort oder auch nur ein Blick. Kenia ist an vielen Ecken und Enden aber auch mittendrin ein zutiefst kapitalistisches Land: (Gut) Behandelt wird nur der, der bezahlt.

Einmal mehr wird mir klar, dass die Würde des Menschen lediglich ein Ideal ist und leider kein Verhalten, das uns a priori inne wohnt. Sie muss in den gesellschaftliche Normen verankert, muss geschützt sein, vor allem aber muss sie von jedem einzelnen selbst erlebt worden sein.

Barmherzigkeit - Vorbilder
Und trotz der beobachteten Erbarmungslosigkeit begegne ich gerade in Kenia Menschen, die mir in ihrer gelebten Mitmenschlichkeit Vorbilder sind und die in ihrem Land andere Akzente setzen.
Grace in Kericho. Grace Chepkemoi Soi hat 24 Kinder. Drei davon hat sie selbst zur Welt gebracht, sie sind in der Zwischenzeit erwachsen und haben ihre eigenen Familien. Alle anderen Kinder sind nach und nach zu ihr gekommen - als Babys, Kleinkinder oder Jugendliche. Sie alle teilen das Schicksal, mit dem HI-Virus infiziert zu sein und ihre an AIDS erkrankten Eltern verloren zu haben. Nicht wenige von ihnen wurden von ihren verbliebenen Familienmitgliedern verstoßen und von den Nachbarn ausgegrenzt. Als ich am ersten Morgen unserer kurzen Begegnung den Weg zu dem Haus der ungewöhnlichen Großfamilie auf einem der vielen grünen Hügel Kerichos erklimme, erwarten mich fröhliche und gesunde Kinder, denen ihr Schicksal und ihre Krankheit auf den ersten Blick nicht anzumerken ist. Grace gibt ihnen ein geborgenes Zuhause. Sie schenkt ihnen Liebe, ohne Gegenliebe zu erwarten. Das mag ich an ihr besonders, - dass sie ein Mensch ohne Hintergedanken und Berechnung ist. Und ich bewundere ihren tiefen Glauben, den sie trotz aller Lebenserfahrung wahrt, ein Glauben nicht nur an Gott, sondern besonders auch an Menschen, ihr bedingungsloses Vertrauen in das Gute.

Kicoshep in Kibera, Nairobi. Auch in Nairobi lerne ich ähnlich aufrichtige Menschen und deren beeindruckendes Projekt kennen: Kicoshep, "the Kibera Integrated Community Self-Help Programme". Kicoshep wurde Anfang der 90iger Jahre in Kibera, dem größten Slum Nairobis, vor dem Hintergrund der schnellen Ausbreitung der HIV-Infektion und den plötzlich tausenden an AIDS erkrankten Menschen gegründet. Die Arbeit der Non-Profit-Organisation beruht auf drei Säulen: auf Schulbildung, kleinen Gesundheitsposten und Hausbesuchen. Jeden Nachmittag, nachdem am Morgen die Patienten in der "Clinic" versorgt wurden, machen sich vier bis fünf der Mitarbeiter, die meist selbst aus Kibera stammen, auf den Weg zu schwerkranken Klienten von Kicoshep. Dazu nehmen sie kilometerweite Wege durch den endlosen Slum auf sich, waten durch Schlamm und Müll, schlängeln sich durch die "Panja roads", die Rattenstraßen, um dann schließlich manchmal für Stunden bei einem der Kranken zu sitzen.

Hier verstehe ich zum ersten Mal, was Seelsorge bedeuten mag, insbesondere in einer Gesellschaft, wo schwerkranken Menschen kein Aufenthalt im Krankenhaus, keine Medikamente und also keine Genesung oder Schmerzlinderung zustehen. Humphrey, Julius, Rusbed und Mary nehmen sich die Zeit mit den kranken, sterbenden Menschen zu sprechen, mit ihren Partnern, Kindern und Eltern. Sie nehmen ihre Sorgen und Ängste ernst, beraten sie, singen und beten mit ihnen. Mir erscheint es bei meinem ersten Hausbesuch etwas bizarr, als ich, "doctor Uli", von Humphrey aufgefordert werde, den im Sterben liegenden, offensichtlich an AIDS erkrankten Mann zu untersuchen und am Ende das Ganze noch im zerfledderten Heft zu protokollieren: Das Stethoskop ist zerbrochen und in unserem kleinen, grauen Köfferchen haben wir sowieso keine Medikamente, die Symptome und Schmerzen lindern könnten. Aber mit der Zeit verstehe ich, dass wir an der Tatsache des nahenden Todes zwar nichts mehr ändern, die Menschen aber im Sterben begleiten können und auch die Berührung einer Untersuchung einem Menschen gut tun kann, Zuwendung und Leben bedeutet. Und so zelebriere ich also diesen Ritus die Tage mit, schaue mir in der Dunkelheit der Hütten die von AIDS gezeichneten Körper an und höre durch das taube Stethoskop Herz und Lunge ab, bete ein Vaterunser auf deutsch und schreibe eine Kurzdiagnose und einen frommen Spruch in das Protokollheftchen.

Einschub zu Kibera. Die Atmosphäre bei Kicoshep ist freundlich und friedlich, ich fühle mich wohl in der kleinen Festung inmitten des Slums Kibera, arbeite gerne mit den Kollegen und amüsiere die Mutter-Kind-Gruppe mit meinem für sie scheinbar absurden Vortrag über Malaria. Aber Kibera selbst ist wirklich kein Spaß, und Erinnerungen an Szenen aus dem - eigentlich recht kritischen - Film "The Constant Gardener" werden wach, die sich hier in Kibera zutragen und diese verkorkste Afrika-Armuts-Romantik der westlichen Welt beschwören. Touristen scheinen hier regelmäßig aufzukreuzen und danach zu suchen, so erzählen mir die Kollege. Mich aber überkommt - trotz Sonnenuntergang - kein sentimentales Gefühl beim Blick über die endlose Hüttensiedlung (wovon Teile einige Monate später während der Wahlunruhen abgefackelt werden). Mir scheint vielmehr, als würde der Zug, an dessen Strecke der Slum liegt, den ganzen Ballast und Müll des Landes auf seiner langen Fahrt quer durch Kenia - vom indischen Ozean bis zum Lake Victoria, von Mombasa bis Kisumu - einsammeln und genau hier an diesem Ort abwerfen. Die Geschichten der Menschen, die meist aus der fernen Provinz mit viel Hoffnungen in die Hauptstadt kamen, gehen mir nach - die der verstoßenen HIV positiven Großmutter, die von der ebenfalls positiv diagnostizierten Agneta, die deshalb ihren Job verliert, die des vergewaltigten Mädchens.

Wenn die Dämmerung hereinbricht, versuche nicht nur ich, sondern auch meine Kollegen so schnell wie möglich in den heimischen vier Wänden zu sein. Und nach den Märschen über Müllschichten, Skelettteile und stinkende Rinnsale will ich abends nur noch duschen, essen und schlafen (Dinge, die man in Kibera selbst nicht ohne weiteres tun kann) und denke an Humphreys Worte: "God is holy and man is sinful".

Ein guter Mensch sein.
Bei aller geübten Kritik am unsozialen kenianischen Staat, an der Bigotterie der Kirche, vor allem aber auch an den vielen erbarmungslosen kenianischen Bürgern - für mich ist es schmerzvoll aber lehrreich, in den Wochen und Monaten in Kenia auch die Grenzen meines eigenen Handelns und Mutes zu erkennen, das Scheitern der eigenen Ideale einzugestehen, wenn ein stützendes Sozialsystem, das Rückgrat einer Gesellschaft nicht vorhanden ist.
An einem Nachmittag gegen Ende meiner Keniazeit gehe ich mit Florian, ehemaliger f&e-Student, deutscher Arzt und keniaerprobt, durch die Innenstadt Nairobis. Vor uns sehen wir plötzlich eine Menschentraube, in deren Mitte liegt in sich zusammen gesunken eine Frau, daneben ein etwa achtjähriges Kind. Sie scheinen dort gebettelt zu haben. Wir nähern uns und während Florian sich zielstrebig auf die bewusstlos erscheinende Frau zubewegt, schießen mir, statt möglicher medizinischer Differentialdiagnosen, tausend Zweifel durch den Kopf: "Jetzt wirklich helfen?" "Das kostet den ganzen spaßigen Nachmittag." "Und eine Menge Geld dazu!" "Ambulanz gibt's hier nicht, also auch noch ein Taxi holen" - "Damit sich dann in der Notaufnahme im KNH überhaupt jemand bewegt, werden einige Scheine über den Tresen wandern müssen" - Genauso wird sich die Szene dann nachher auch weiterentwickeln. Ich schäme mich für meine Gedanken und weiß dennoch, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis ich hier in Kenia ein völlig anderer Mensch wäre, als der, der ich in Deutschland zu sein pflege. Hier in Berlin habe ich schon einige solcher Personen von der Straße gezogen - kaum eine Heldentat, denn die eigentliche Arbeit übernehmen Notarzt und Krankenkasse. In Nairobi bzw. Kenia befürchte ich, würde ich mich bald schon wie die anderen Umherstehenden verhalten: Schauen und die naiven Musungus (Weißen) machen lassen, selbst wenn ich das nötige Kleingeld in der Tasche habe.

Meiner Erfahrung nach ist es fast unmöglich, ein gerechter, ein barmherziger Mensch zu sein, wenn diese Ideale in einer Gesellschaft nicht nur nicht als Konsens verankert sind, sondern zudem auch nicht durch staatliche Institutionen geschützt (angefangen bei Polizei und Justiz) und gepflegt (Sozialsysteme, karitative Einrichtungen etc.) werden. Es sei denn, du opferst dein ganzes Leben der guten Sache, sowie es Grace tut oder auch mancher Mitarbeiter bei Kicoshep. Nun kann ich mir - mit dem Anspruch, ein guter Mensch sein zu wollen - sagen, "Wie schön, dass ich nicht in Kenia sondern in Deutschland lebe." In einer global gedachten Welt verhält es sich aber komplizierter, denn die Sozialsysteme reichen nicht über Europa hinweg, mit den Menschen jenseits der Grenzen stehen wir aber trotzdem in vielschichtiger Verbindung und somit in gegenseitiger Verantwortung. Dies kann ich insbesondere nach meinen Besuchen im Kongo und nun in Kenia nicht mehr leugnen, erst recht nicht, wenn die Menschen, denen ich in Afrika begegnet bin, meine Solidarität mitunter auch einfordern.

Diese Bitten rauben mir manches Mal Schlaf, Nerven, Freude. Die Gründe für das Unbehagen sind vielerlei: Zum einen muss ich meine eigenen Grenzen sehen und feststellen, dass ich global gedacht nur bedingt ein guter Mensch sein kann, will ich nicht meinen eigenen Lebensstandard hier aufgeben. (Julius bittet mich, Geld für ihn und seine Familie zu sammeln, Humphrey ebenso für sein Sozialprojekt, Vernon für sein Masterstudium - Und das sind nur drei, die es tatsächlich gebrauchen könnten, mindestens zehn weitere haben mich um Unterstützung gebeten und dann sind da noch die Freunde im Kongo.). Zum anderen ärgert mich, dass die ortsansässigen (finanziellen) Eliten nicht zur Verantwortung gezogen werden bzw. sich der Verantwortung nicht stellen. Und zuletzt habe ich immer wieder das Gefühl, ausgenutzt zu werden, da die bittenden Personen sich selten die mit meiner Gabe verbundene Entbehrung vorstellen können oder wollen, und zudem teilweise Gerechtigkeitsideale und den Solidaritätsgedanken belächeln.

"You're a communist!" Der Unglaube an soziale Gerechtigkeit und Demokratie
Als ich mit Hellen im November hier in Deutschland im Supermarkt einkaufen gehe und aus dem Kühlregal die Biomilch ziehe, fragt sie mich, warum ich die deutlich teurere Milch auswählte. Ich versuche, ihr die Idee der Biolandwirtschaft nahezubringen, erzähle von Naturschutz, von "happy and unhappy cows" und davon, dass es mir vor allem aber darum ginge, die Bauern gerechter zu entlohnen. Zum runden Abschluss meine ich dann noch, den Diskurs in den globalen Kontext einbetten zu müssen und vergleiche meine lokale Verbraucherpolitik mit "fair trade coffee and tea" und glaube, damit sei mir ein didaktisch besonders kluger Zug gelungen, zumal Hellens Vater in der Teeproduktion tätig ist. Sie aber schaut mich nur an, lacht amüsiert und meint: "That's stupid!" Bis zu welchem Ausmaß ihr vernichtendes Urteil auch immer ernst gemeint war (denn Hellen provoziert gerne und dafür mag ich sie auch besonders), die Wahrheit ist, dass sie und viele ihrer Altersgenossen extrem pragmatisch sind und häufig in keinerlei Weise an soziales Engagement, an soziale Gerechtigkeit, an ein Sozialsystem oder an Demokratie glauben. Die Möglichkeit, dass sich diese Einstellungen auf absehbare Zeit hin ändern könnten, erscheint mir minimal, denn v.a. die gesellschaftlichen Vorbilder, die kenianischen Eliten in Wirtschaft und Politik, beuten das Land und seine Bewohner gnadenlos aus und verhindern bzw. zerstören zudem jegliche demokratische Staatsstrukturen (wie nun zuletzt bei der manipulierten Präsidentschaftswahl). Wie aber dann soll man an Ideale wie soziale Gerechtigkeit oder Demokratie glauben? Als ich Hellen das Sozialsystem in Deutschland zu erklären versuche, meint sie: "Hey, you're a communist!" - Sie glaubt, ich beschriebe nicht die Realität sondern eine Utopie. Und auch die Demokratie als Staatsform ist für viele Menschen in Kenia ein unerreichbarer Traum bzw. wird missverstanden. So schreibt mir ein Student rückblickend auf die Wahlunruhen: "I didn't know that Kenya would have to pay such a high price for democracy." Stattdessen ist die Sehnsucht groß nach Führern, obwohl die jüngste Geschichte Kenias doch wiederholt von deren Scheitern zeugt.

"We need a leader." Die Sehnsucht nach Führern
Zwar muss ich diesmal nicht wie im Kongo ein selbstgeschriebenes Theaterstück zu Adolf Hitler rezensieren, aber auch in Kenia werde ich wieder überall in Diskussionen um "leader" verstrickt - beim Gespräch auf der Straße, bei der Unterhaltung mit den Studenten, ja selbst im Dialog mit den Mitgliedern der kenianischen IPPNW. Jedesmal wird diskutiert, wie ein "good leader" auszusehen hätte, werden Beispiele zwischen Hitler und Robert Mugabe herangezogen, und auch das Führerpotential der Kandidaten um das kenianische Präsidentschaftsamt kommentiert. Niemals aber steht dabei der Führer als solcher zur Debatte. Vielleicht ist die Sehnsucht nach einem Führer nachvollziehbar in einem Land, indem demokratische Strukturen nicht existieren oder versagen und indem Obrigkeitshörigkeit ein gesellschaftlicher Konsens ist. Es ist verständlich, dass sich Menschen, die immer wieder maßloser Willkür und Korruption ausgesetzt sind, den großen Aufräumer herbeisehnen und dabei manche Kausalitäten nicht erkennen.

Trotzdem frustriert mich diese Einstellung manchmal, vor allem wenn der Wunsch nach einer Führungsgestalt, deren bedingungslose Akzeptanz und die damit verbundene eigene Passivität auch im Privaten wiederkehren: Bspw. regen sich die Studenten maßlos über ihren vom IPPNW-Chef ernannten "Leader" auf, anstelle ihn ab- bzw. selbst zu wählen. Und der IPPNW-Chef sieht seine Aufgabe darin, die Studenten zu zukünftigen Führern heranzuziehen. Oder viele der Studenten haben z.B. wunderbare Talente, medizinische oder literarische, oder gute Ideen, bspw. die Organisation eines Fußballmatchs, - anstelle diese aber zu präsentieren und anzugehen, warten sie darauf, von irgendeinem Leader irgendwann, irgendwo entdeckt zu werden. Und Hellen z.B. bedankt sich nach ihrem Aufenthalt hier in Deutschland bei mir, der fast Gleichaltrigen, dafür, dass ich ihre große Schwester war. Tatsächlich, ohne mich und andere hätte sie, die eigentlich so Lebenslustige, die Begabte, die keineswegs Scheue, noch mehr Tage und Abende vor dem DVD-Player verbracht, darauf wartend, dass das Schicksal an die Tür klopft und sie abholt.

Felix ist ein Gegenbeispiel - er interessiert sich nicht weiter für leader und wartet auch nicht darauf, entdeckt zu werden. Er ist der Studienfreund von Vernon und mein Mitbewohner während der Wochen in Kericho. Der Pharmazeut am District Hospital ist der älteste von sechs Brüdern, dennoch liegt ihm fern, der große Bruder zu sein. So erzählt er mir, als er an einem der Wochenenden den kleineren Bruder Eric nach Nairobi zum Studienanfang begleitet, er wolle ihm nur die Werkzeuge zum Überleben (Mensa, Sekretariat und Wohnheim) zeigen, den Rest müsse der Kleine schon selbst entdecken, sonst werde er doch nicht unabhängig. Genauso hält er, in seinen jungen Jahren schon Chef von zwei Institutionen, es auch mit seinen Angestellten. Sowohl die Mitarbeiter in der Krankenhausapotheke als auch in seiner eigenen, neu gegründeten Computerschule fördert er in ihrer Selbständigkeit. Und als am Monatsende "natürlich" - so Felix - die Abrechnung in der Computerschule nicht stimmt, gibt er seinen beiden Lehrern und der Sekretärin eine Woche Zeit, die Ursachen dafür zu entschlüsseln bzw. aufzuheben. Er handelt so in aller Ruhe und Freundlichkeit, immer lächelnd, Felix eben, der Glückliche. Er erklärt mir viel über Kenia und über manch kenianische Mentalität. Und er erläutert, dass er unter anderem in die relativ neue Möglichkeit des Kleinkrediterwerbs viel Hoffnung stecke: Bei den zwischenzeitlich auch in der Provinz niedergelassenen Bankfilialen scheint fast jeder Kenianer ein Darlehen aufnehmen zu können. Felix denkt, dass dieses Angebot nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung des ganzen Landes fördere, sondern auch die Selbstverantwortung der Menschen. Er selbst träumt davon, eines Tages eine Wirtschaftssendung im Fernsehen zu produzieren, die über erfolgreiche kenianische Kleinunternehmer berichtet, die für die Zuschauer Inspiration und Vorbild sein können.

Zum Wahlkampf und dem Kampf danach
Die im Dezember anstehenden Wahlen sind während meines Keniabesuchs im Sommer ständiges Thema - in den Medien, in öffentlichen Diskussionen und in den Gesprächen der Freunde. Dabei geht es meist hitzig zu, denn im Vordergrund stehen - auch bei den Kandidaten - nicht unbedingt politische Inhalte, sondern Emotionen und Identitäten. Die junge Generation hofft auf einen allgemeinen Umschwung mit dem Oppositionskandidaten Raila Odinga. Und bei den Angehörigen seines Stammes, den Luos, ist er, der aus ihrer Mitte kommt, ein Star. Ähnlich bejubelt wird der amtierende Präsident Mwai Kibaki von seinen Stammesmitgliedern, den Kikuyus. Deren Region scheint er während seiner Regierungszeit bevorteilt zu haben, so dass viele Kenianer ihn als einen Kikuyu, nicht aber als Vertreter aller Bürger des Landes sehen.

Dass die politische Kultur Kenias weniger durch Rationalität als vielmehr durch Emotionen geprägt ist, wird mir an zwei Orten besonders deutlich: Als Raila Odinga von der Oppositionspartei ODM zum Präsidentschaftskandidaten gekürt wird, steht seine Geburtsstadt am Lake Victoria Kopf: Junge wie Alte tanzen durch die Straßen und ich fühle mich, an diesem Tag zu Besuch in Kisumu, an den Sommer der Fußball WM in Deutschland erinnert. Auch erlebe ich, dass die meisten Bewohner des Slums Kibera, aus dem Westen eingewanderte Luos, sich voller Stolz mit ihrem Stammesvertreter und dem möglichen neuen Präsidenten identifizieren. Dass Raila Odinga sich in den letzten 15 Jahren als Abgeordneter genau dieses Bezirkes nur wenig für die Belange der Ärmsten der Armen eingesetzt hat, scheint dabei keine Rolle zu spielen. Bei aller beobachteten Impulsivität - ich hätte jedoch nicht vermutet, dass es nach den enttäuschenden, manipulierten Wahlen zu solch einer Explosion der Emotionen, zu solchen Gewaltausbrüchen kommen würde und erst recht nicht zu einem solch offen gelebten Rassismus zwischen den einzelnen Ethnien.

Die Ursachen für den Ausbruch der Gewalt sind wohl vielschichtig: Die machtbesessenen politischen Eliten beschwören - auf dem Fang nach Stimmen - Stammeszugehörigkeiten und provozieren somit ethnische Konflikte, sie manipulieren Wahlen (oder nehmen solche zumindest in Kauf) und setzen am Ende Polizei- und Militärgewalt ein. Die landesweite Armut, der allgemeine soziale Unfriede macht die Menschen aggressiv und anfällig für extremistische Strömungen, für die Stimmungsmache der Wahlkampfmaschinerie und lässt so den latent vorhandene Rassismus ausbrechen.

Gerade aber Konflikte um die Stammeszugehörigkeiten fallen mir während meiner Zeit in Kenia wenig auf. Viele Menschen berichten mir zwar mit Stolz von ihrer Stammesherkunft, der wegen Muttersprache und Riten (und manches Mal auch wegen der sozialen Absicherung) große Bedeutung zukommt, jedoch scheint mit dieser Identität keine Ablehnung anderer Ethnien verbunden zu sein. Vorurteil über andere Stämme werden eher ironisch vorgetragen, scheinen niemals die Minderwertigkeit der anderen zu beinhalten, sondern ähneln - meinem Empfinde nach - eher den Neckereien wie sie sich hierzulande zwischen Berlinern und Schwaben zutragen mögen. Andererseits muss ich beim Anblick der ersten Nachrichtenbildern aus dem von den Wahlunruhen heimgesuchten Kenia an eine Unterhaltung mit Hellen hier in Deutschland denken, - als ich nicht nur die Polizeigewalt gegenüber Zivilisten, sondern auch Kikuyus lynchende Luos sehe. Hellen interessiert sich - noch lange vor ihrem Deutschlandbesuch - für die Geschichte des Nationalsozialismus. Also besuche ich mit ihr das ehemalige Konzentrationslager Sachsenhausen und das Holocaustmahnmal in der Innenstadt Berlins. Ich versuche, ihr den Irrsinn der nationalsozialistischen Rassenideologie zu erklären und meine abschließend, dass es für mich nach wie vor schwer vorstellbar sei, wie meine Großelterngeneration an solch aberwitzige Ideen glauben und für diese sogar töten konnte. Hellen antwortet mir darauf, dass sie das aufgrund ihrer Erziehung und ihren Beobachtungen in Kenia nur leider allzu gut nachvollziehen könne. Vielleicht haben die Unruhen und Gewaltausbrüche die Welt auch nur deshalb so überrascht, weil Kenia bislang im Kontrast zu den Schattenseiten seiner Nachbarländer strahlte: dem Völkermord in Ruanda, dem andauernde Gemetzel im Ostkongo, den Bürgerkriegen in Norduganda, Somalia und im Sudan.

Kwa heri! & Ahsante sana! Oder: Der Schlussteil
Von Vielem wäre noch zu erzählen: von der Höhenkrankheit auf 4900m und den Beachboys am Strand von Mombasa, von skurrilen Kirchengruppen und dem Kult um Leuchttürme, vom Erdbeben und dem ausgeschlagenen Angebot, Freds Zweitfrau zu werden, von der HIV-Epidemie und dem Walter Reed Project der US-Armee, vom IPPNW African Regional Meeting und der IPPNW Beauty Queen, von Plüschsofas und laufenden Fernsehgeräten, von den Fragen zu Angela Merkel und zu den kinderlosen deutschen Frauen, von Entwicklungshilfe und "brain drain", von Medizintouristen und grantigen Sekretärinnen, von Schuhputzern und Gaunereien, von den Meinungen zu Robert Mugabe und Barack Obama, von Notstromaggregaten und christlichen Musikclips - Aber hier ist nun Schluss! Sawasawa?!

Resümee
Das seltsame vor dem Hintergrund meines nun doch etwas nüchtern, kritisch und traurig ausgefallenen Berichts ist, dass ich am Ende meines kalten kenianischen Sommers ohne jeden Zweifel auf wunderschöne, warmherzige Wochen zurück blickte. Neben all den Unstimmigkeiten hatte ich Freunde gewonnen, neben all den traurigen Momenten in Krankenhäusern, auf der Straße oder im Slum - ich hatte Spaß, ich hatte Bier und Nyama Choma, ich hatte lustige Partys, ich bin auf der optimistischen Welle der jungen, lebensfrohen Kenianer mitgeritten und habe nicht allzu viel auf den Boden, sondern in die Sonne geschaut. Jetzt wird mir deutlich, dass die Fragen, mit denen ich angereist war, unbeantwortet bleiben, stattdessen neue aufgeworfen wurden und dass manche meiner Hoffnungen verflogen ist. Aber bei allen Grübeleien zu Afrika, bei allen Zweifeln an meiner Rolle dort, bei aller Resignation angesichts der Tatsache, dass es auch in Kenia wenig politisches Engagement gibt, - der Aufenthalt dort hat mich geprägt. Unter anderem dahingehend, dass ich unser politisches und soziales System hier in Deutschland, v.a. aber auch den Frieden in Europa mehr als je zuvor zu schätzen weiß und schützen will. Außerdem ist für mich unersetzbar (so pathetisch es klingen mag), dass ich durch f&e neue Freunde gewonnen habe, in Kenia aber auch hier in Deutschland, und unter den Kommilitonen Mitstreiter für eine humane Medizin und eine gerechte, friedliche Gesellschaft.

Besonders bedanken möchte ich mich bei der IPPNW-Deutschland, die mir diesen Austausch ermöglicht und mich unterstützt hat, bei Ulla Gorges, die mich und die anderen f&e-ler so großherzig begleitet hat, bei Vernon Mochache, der mein zuvorkommender Gastgeber in Kericho war, bei Florian Hugenberg, der mir ein unentbehrlicher Gesprächspartner war und mich mit manch spaßigen Seiten Kenias im richtigen Augenblick abzulenken wusste, bei den kenianischen IPPNW-Studenten, die mich freundschaftlich durch den Alltag am KNH begleitet haben, bei Dr. Walter Odiahambo für den freundlichen Empfang und manches Nyama Choma, bei Hellen für ihren munteren Besuch in Deutschland und dafür, dass ich sie hier im Bericht auseinandernehmen durfte, bei meinen Freunden Flo und Liska und bei meiner Familie, die mich immer und überallhin gehen lassen und meine Freunde immer und von überallher willkommen heißen.

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