Palästina

von Alisia

Meine Entscheidung für Palästina fiel ziemlich spontan, als am Auswahltag ReCaP, der Projektteil in Palästina vorgestellt wurde. Auf diese Entscheidung folgten ein paar Monate, die geprägt waren von der Frage: „Ist das nicht super gefährlich? Kannst Du nicht mal irgendwo friedliches hinreisen?“. Zunächst einmal dazu: ich habe mich in Palästina und in Israel sicher gefühlt und mir hat dabei insbesondere der Kontakt zu den lokalen Studierenden geholfen. Trotzdem war ich ganz schön aufgeregt, als ich Ende Juli in Tel Aviv aus dem Flughafen kam, lagen doch zweieinhalb Monate voller Ungewissheit vor mir.

Mit ReCaP ging es dann im August los. Die Termine für ReCaP sind auch in jedem Jahr ähnlich, da palästinensische Medizinstudierende das Programm organisieren und die Terminplanung von deren Semesterplanung abhängt. ReCaP steht für “Refugee Camp Project“, das Ziel des Programms ist es ca.10 internationalen Medizinstudierenden einen Einblick in die Gesundheitsversorgung in der West Bank und in die Situation in den Geflüchtetenlagern zu geben. Dabei haben wir beispielsweise in den UNRWA-Kliniken, die den Geflüchteten-Camps angegliedert sind, hospitiert. Daneben haben wir auch gemeinsam mit den palästinensischen Organisator:innen einige Male in einer Klinik in Bethlehem hospitiert und konnten so auch einen Einblick in das reguläre Gesundheitssystem im Westjordanland bekommen. Neben den Tagen im Krankenhaus haben wir auch einige Tage an der Uni verbracht. Neben Vorträgen, beispielsweise zum Gesundheitssystem in Palästina, gab es dabei auch die Gelegenheit, die Organisator:innen des Projekts besser kennen zu lernen. Zusätzlich haben wir noch Ausflüge in verschiedene Städte in der West Bank unternommen und verschiedene zivilgesellschaftliche Projekte besucht.
Gewohnt haben wir während des Projekts alle zusammen in Betlehem, einer lebendigen Stadt, die neben Weihnachtskrippen und Kirchen noch so viel mehr zu bieten hat: Märkte, auf denen man auch nach Wochen immer wieder neues entdeckt, mein Lieblingscafé im christlichen Stadtteil Beit Sahour und eine Menge aufgeschlossene Menschen und ihre Geschichten. Aber eine Stadt die auch geprägt ist von der Mauer zwischen der Westbank und Israel, die direkt an Bethlehem grenzt, mit den bekannten Banksy-Graffitis. Geprägt auch von Militärcheckpoints, die man überqueren muss, um das etwa 10km entfernte Jerusalem zu erreichen, was vielen Einwohner:innen von Bethlehem gar nicht möglich ist.
Ich bin sehr dankbar für die Zeit mit ReCaP und all die Menschen, die ich über das Projekt kennengelernt habe und die vielen spannenden Erfahrungen, die wir machen durften. Eines der eindrücklichsten Erlebnisse für mich war ein Tag, den wir mit den Rettungssanitäter:innen von Ostjerusalem verbringen konnten. Auch Situationen wie die spontane Hochzeitseinladung einer Familie an unsere ganze Gruppe werde ich nie vergessen, wo wir plötzlich in Wanderklamotten mitten in der Familienfeier standen und ganz natürlich mit aufgenommen wurden.
ReCaP ist also kein Projekt, in dem die Teilnehmer:innen sich ehrenamtlich engagieren, sondern bietet internationalen Studierenden eine Möglichkeit, palästinensische und internationale Medizinstudierende kennenzulernen und die Situation in der West Bank zu erleben, Kontakte zu knüpfen und zu lernen. Das Projekt bietet vor allem einen Einblick in verschiedene Aspekte der Situation in Palästina und gibt eine Menge Stoff zum Nachdenken.

Ich habe meine Famulatur dann im 2.Monat in Ostjerusalem gemacht. Dort war ich im St. Josephs -Hospital in der Notaufnahme. Die Mitarbeiter:innen dort haben mich sehr freundlich aufgenommen und waren auch sehr bemüht mir etwas beizubringen und mir zu erklären was gerade so passiert. Da dort auch viele palästinensische Studierende Unterrichtet werden, konnte ich auch immer wieder an deren Seminaren teilnehmen und es war sehr hilfreich, sich auch mit anderen Studierenden austauschen zu können. Die Notaufnahme in St. Josephs ist eher klein, theoretisch bestünde auch die Möglichkeit dort in der Gynäkologie, der Inneren oder der Allgemeinchirurgie zu famulieren. Die Famulatur im St. Josephs hat nochmal eine ganz andere Perspektive eröffnet, da das Krankenhaus nur wenige Meter entfernt von einem Chassidisch-Jüdisch geprägten Stadtteil von Jerusalem liegt und so die räumliche Nähe der verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Jerusalem deutlich erlebbar ist. Eine interessante Information zu Famulaturen in palästinischen Krankenhäusern ist auch, dass die medizinische Lehre auf Englisch stattfindet und auch viele englische Fachbegriffe im Alltag Verwendung finden, sodass man sich auch ohne arabisch zu sprechen ganz gut zurechtfinden kann. Im Umgang mit den Patient:innen hat sich die Sprachbarriere aber natürlich trotzdem deutlich gezeigt und ich war immer sehr dankbar, wenn die anderen Studierenden für mich übersetzt haben. Gewohnt habe ich während meiner Famulatur nicht mehr in Bethlehem, sondern in Abu Dis, einem palästinensischen Vorort von Jerusalem. Die Wohnsituation in Jerusalem ist recht schwierig, weswegen ich mich schlussendlich trotz der längeren Wege für ein AirBnB in Abu Dis entschieden habe. Das tägliche Überqueren von Checkpoints, die langen Wege und das Warten haben meine Famulaturzeit schon geprägt und nachdenklich gemacht. Nachmittags konnte ich die dann aber noch die Zeit in Jerusalem nutzen, zum Sport gehen, durch die Altstadt schlendern oder Museen besuchen. In Jerusalem existieren so viele Kulturen, so viel Geschichte und so viele unterschiedliche Lebensrealitäten auf engstem Raum wie wahrscheinlich sonst kaum irgendwo sonst, sodass ein Monat gar nicht reicht alles zu entdecken. Im Anschluss an meine Famulatur habe ich noch die Gelegenheit genutzt, etwas zu reisen, den Norden Israels und die Wüste Negev zu besuchen und noch ein wenig Zeit in der Natur zu verbringen.

zurück

Navigation