Pressemitteilung vom 06. Januar 2023

Stoppt die Zerstörung von Lützerath!

Umwelt-, Friedens- und Klimaschutzorganisation erklären die Räumung als fatales Signal für den Klimaschutz

In einer gemeinsamen Presseerklärung forderten heute 14 Umwelt-, Friedens- und Klimaschutzorganisationen die zuständigen Instanzen von Legislative und Exekutive dazu auf, sofort Beschlüsse zu fassen, welche die Zerstörung von Lützerath unterbinden. Sie warnten davor, dass die Zerstörung von Lützeraths ausbeutbaren Abermillionen Tonnen Braunkohle zu einer wesentlichen Verschärfung der Treibhausgas-Problematik beitragen werde.

Die Entscheidung zur Abbaggerung des Dorfes Lützerath zugunsten des Braunkohletagebaus Garzweiler II wurde von Wirtschaftsminister Habeck mit der Energiekrise infolge des Ukrainekrieges gerechtfertigt. Für die Lösung der aktuellen Energieversorgungskrise würden diese Mengen jedoch keinesfalls gebraucht, heißt es in der Erklärung.

Die unterzeichnenden Umwelt- und Klimaschutzorganisationen erklärten weiterhin:

•    
Die Opferung von Lützerath wird als “Kompromiss” verkauft, weil der Kohleausstieg im Rheinland auf das Jahr 2030 vorgezogen wurde. Aber die insgesamt noch abzubaggernden Kohlemengen wurden gegenüber der vorherigen Planung nicht nennenswert reduziert. Und wie belastbar Ausstiegs-Jahreszahlen am Ende sind, haben wir soeben beim Atomausstieg erleben müssen. Luisa Neubauer hat zurecht darauf hingewiesen, dass das Pariser Klimaabkommen von 2015 bereits ein Kompromiss war, hinter den noch weiter zurückzugehen verantwortungslos ist.

•    Der Beschluss zur Zerstörung von Lützerath reiht sich in ein energiepolitisches Gesamtbild ein, die ausbleibenden russischen Energierohstoffe überwiegend durch fossile (und atomare) Energieträger zu ersetzen. Die Chance, die Krise zu einer wirklich ambitionierten Umstellung auf Erneuerbare Energien zu nutzen, wird absichtlich verspielt, ebenso wie eine Reform unseres Lebensstils, der auf übersteigertem Energieverbrauch basiert. Während z.B. absurde Abstandsregeln für Windräder unangetastet bleiben, werden LNG-Terminals im Schnellverfahren unter Aushebelung des (auch rechtlich normierten) Umweltschutzes durchgepeitscht.

•    Der für die Polizeiaktion zuständige Aachener Polizeipräsident Weinspach hat zu Recht bemerkt, dass die Zerstörung von Lützerath nicht von der Polizei, sondern von der Politik beschlossen wurde. Es sei Aufgabe der Polizei, „Recht durchzusetzen“. Hierzu ist zu bemerken:

In der Tat handelt es sich beim bevorstehenden Polizeieinsatz um die Durchsetzung von Recht, nämlich vom Eigentumsrecht des RWE-Konzerns und von Entscheidungen der Bundesregierung und der NRW-Landesregierung. Zugleich handelt es sich aber auch um die Durchsetzung von Rechtsbrüchen durch ebenjene Akteure. Denn die Klimarettung ist – auch nach dem „Klimaurteil“ des Bundesverfassungsgerichts vom Frühjahr 2021 – eine Aufgabe, die sich unmittelbar aus dem Grundgesetz ergibt. In Abwägungen unterschiedlicher Rechtsgüter ist ihr ein hoher Stellenwert einzuräumen. Dieser Grundsatz ist bei den Entscheidungen über Lützerath eklatant verletzt worden. Sie widersprechen u.a. dem völkerrechtlich verbindlichen Pariser Klima-Übereinkommen von 2015. Die Polizei ist aber als Bestandteil der “vollziehenden Gewalt” nach Artikel 20 (3) des Grundgesetzes unmittelbar an “Gesetz und Recht” gebunden, nicht an gesetzes- oder gar verfassungswidrige Entscheidungen der Legislative oder Exekutive.

•    Der zutreffend als „Klimakiller“ eingestuften Braunkohle sollen mit Lützerath unersetzliche Kulturdenkmäler, wie ein Bauernhof aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, oder die 1650 nach Beendigung des 30jährigen Kriegs gepflanzte „Friedenslinde“ zum Opfer fallen; daneben unzählige Hektar des weit und breit besten Ackerbodens. Dies unterstreicht zusätzlich den gemeinwohlschädlichen Charakter des Vorhabens.

•    Durch die absehbare Gewalteskalation wird auch die politische Kultur weiter beschädigt. Das harte polizeiliche Vorgehen gegen Menschen, welche die Verheerung des globalen Klimas aufhalten wollen, steht in auffallendem Kontrast zu nachlässigen polizeilichen Reaktionen auf rechtsextreme bzw. rechtspopulistische Demokratieverächter der Corona-Leugnerszene oder vandalisierende Silvester-Horden.

Aus allen diesen Gründen ist an den Polizeipräsidenten Weinspach die Forderung zu richten, alle ihm verfügbaren Spielräume auszunutzen, um die angekündigte polizeiliche Gewalteskalation zu stoppen; und zwar mit dem Ziel, dass die Zerstörung von Lützerath unterbleibt.

An die zuständigen Instanzen von Legislative und Exekutive (insbesondere in NRW) ergeht die Forderung, sofort Beschlüsse zu fassen, welche die Zerstörung von Lützerath unterbinden.


Unterzeichnende Organisationen:
Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV)
IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges), Sektion Deutschland
Europäische Energiewende Community
Stadt.Klima.Wir! (Hamm)
Energiewendegruppe Münster
Energiegenossenschaft LauterStrom eG
RauEE-Stiftung Erneuerbare Energien
AntiAtomBonn e.V.
ByeByeBiblis - Energiewende in der Region e. V. (BBB)
Energiebildungsverein Rockenberg
Friedensinitiative Nottuln e.V.
Klima- und Umweltbündnis Stuttgart
Solarverein Goldene Meile e. V.
IPPNW Regionalgruppe Mönchengladbach-Viersen


Kontakt:
Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. Pressestelle Frère-Roger-Str. 8-10, 52062 Aachen Telefon: (0241) 51 16 16, Fax: (0241) 53 57 86

zurück

Ansprechpartner


Patrick Schukalla
Referent Atomausstieg, Energiewende und Klima
Email: schukalla[at]ippnw.de

Atomenergie-Newsletter

Materialien

Öffentliches Fachgespräch im Bundestag zum Thema „Austausch über die Atomkatastrophen in Tschernobyl und Fukushima sowie die aktuelle Situation in Saporischschja“ vom 15. März 2023

Statement von Dr. Angelika Claußen "Atomkraft ist eine Hochrisikotechnologie – zivil wie militärisch"

Titelfoto: Stephi Rosen
IPPNW-Forum 174: Der unvollendete Ausstieg: Wie geht es weiter für die Anti-Atom-Bewegung?
auf ISSUU lesen  |  im Shop bestellen

IPPNW-Information: Radioaktive „Niedrigstrahlung“. Ein Blick auf die Fakten (PDF)

Risiken und Nebenwirkungen der Atomenergie
Risiken und Nebenwirkungen der Atomenergie
pdf-Datei  |  im Shop bestellen


Navigation