10.02.2017 „Propaganda“ klingt nicht gut. „Wir unterstützen Journalisten“, so nannte PR-Altmeister Harold Burson das „Wahrnehmungsmanagement“, das seine Firma Burson-Marsteller (BM) für Auftraggeber mit zweifelhaftem Ruf betreibt. BM gehört zu den international führenden Agenturen, die sich auf „Krisenmanagement“ spezialisiert haben. Die PR-Aktivitäten für Diktatoren wie Pinochet oder Ceauşescu oder die Greenwashing-Kampagne für den Chemiemulti Union Carbide nach der Chemiekatastrophe im indischen Bhopal gehören zu den Sternstunden ihrer Skrupellosigkeit.
Widersprüchliche Kampagnen für unvereinbare Auftraggeber sind keine unüberbrückbaren Hindernisse. BM kann im Dienste Exxons den Klimawandel kleinreden und gleichzeitig für die Atomindustrie im postfaktischen Dreiklang für „CO2-freie, bezahlbare und verlässliche“ Atomenergie werben. Dieser Dreiklang wird uns im Wahljahr noch häufig begegnen, denn PR-Strategen wissen: durch permanente Wiederholung einer Aussage steigt der gefühlte Wahrheitsgehalt. Auch wenn es sich um eine glatte Lüge handelt.
Es ist faszinierend, was mit diesem psychologischen Hebel alles möglich ist. Wer hätte gedacht, dass sich nach Fukushima noch irgendjemand aufschwingt, um eine Atomrenaissance herbei zu reden? Britische und amerikanische Dokumente belegen, dass das Krisenmanagement der Atomlobby tatsächlich postwendend eingesetzt hat.
Schon im Mai 2011 hatten US-amerikanische PR-Agenturen im Auftrag der Atomlobby die sozialen Medien mit ihren Inhalten geflutet. Unter großem Applaus wurde diese beachtliche Leistung 2012 bejubelt und mit PR-Preisen bedacht. Die wichtigste Auszeichnung in der Welt der PR ist die sogenannt Sabre Award. Den Preis für „Überragende Leistungen im Reputationsmanagement“ wurde 2012 für eine besondere Leistung vergeben: “And the winner is ... Burson-Marsteller and Nuclear Energy Institute NEI“ intonierte der Laudator und setzt zu einer befremdlich-empathischen Rede an [1]. Nach dem mehrfachen Super-GAU von Fukushima seien viele Menschen verunsichert und würden die Atomenergie kritisch sehen. Also mussten Antworten kreiert werden - nicht nur für die besorgten Bürger, sondern, viel wichtiger, für die Medien, die mit servierfähigen Formulierungen versorgt werden mussten.
Einige Video-Dokumente aus dieser Zeit gibt es noch im NEI-youtubekanal zu bewundern. Kristin Zaitz, eine junge, sympathische Atomingenieurin rezitiert betont unaufgeregt Texte zur Sicherheitskultur und der grundsätzlichen Notwendigkeit von Atomkraft – hübsch zurecht gemacht vor dem Schriftzug „Clean Energy for the Future“ [2]. Sie ist Mitglied bei „Women in Nuclear“ – einem Lobbyverband, der mit „emotionaler Intelligenz“ die antinukleare Hälfte der Menschheit auf Kurs bringen will [3]. Zur Laufzeitverlängerungswahl 2009 gründete der Verband sogar einen deutschen Ableger [4]. Ein echter PR-Kracher ist allerdings die Organisation „Mothers for Nuclear“ [5]. Zaitz ist hier Mitbegründerin und versichert, dass sie sich aus reiner Besorgnis um die Umwelt engagieren würde und keineswegs, weil sie von der Atomindustrie bezahlt werde (sie arbeitet als leitende Ingenieurin im umstrittenen kalifornischen Atomkraftwerk Diablo Canyon).
Gruppen wie „Women in Nuclear“ oder „Mothers for Nuclear“ werden in den USA oft als Astroturf-Organisationen bezeichnet. Astroturf ist der englische Begriff für Kunstrasen – also einem Plastikprodukt, das von weitem aussieht wie Gras. Ähnlich verhält es sich mit Astroturf-Organisationen, die aussehen sollen, wie Graswurzelbewegungen, aber statt dessen sorgfältig orchestrierte Kunstprodukte der Atomlobby sind. Zaitz Gesicht taucht daher auch gleich bei einigen Astroturf-Organisationen auf – oft zusammen mit dem stilisierten Atommodell: mit Fingerfarben auf bunte Pappe gemalt, auf T-Shirts gedruckt, auf Aufklebern und in Holz gefräst wie ein hübsches Mandala. Wenn nicht die IAEA „unseren Freund - das Atom“ in ihrem Logo führen würde, man könnte glatt auf die Idee kommen, es wäre den Muttis beim Fingerfarbe-Malen eingefallen. Nicht zufällig entsteht der Eindruck, die ganze Atomszene sei jung, schön, sympathisch und dynamisch – und die alten, selbstgefälligen, grauen Eminenzen in den Laboren und Vorstandsetagen hätten mit dieser attraktiven Bewegung für die neue Atomgeneration nichts zu tun.
„Wozu das Ganze?“ mag man sich in intellektuellen Kreisen fragen, wo man längst begriffen hat, dass die Reaktoren der sogenannten 3. Generation, die in Flamanville und Olkiluoto so grandios versagen und, gemeinsam mit dem geplanten Reaktor C in Hinkley Point, ganz heiße Kandidaten für die Liste zukünftiger Atomruinen sind, von denen es weltweit bereits rund 100 gibt. Auch unter gut informierten Zeitungslesern wissen nur die wenigsten, dass im weltweiten Forschungsverband GIF rund 20 Unternehmen an der sogenannten 4. Generation von Atomreaktoren forschen [6]. Klein und billig sollen sie sein und im Zweifel mobil – so können die Genehmigungsverfahren geschmeidiger werden [7]. Das Müll- und das Proliferations-Problem ist quasi nicht mehr der Rede wert: „Atoms for Peace“ – es kommt alles wieder. Einzig das mit der Marktreife, das kann noch ein paar Jahrzehnte dauern.
Wenn da nicht diese störenden Erneuerbaren Energien wären. Wenn sie den Markt bis dahin besetzt haben, gibts für die eingesetzten Forschungsgelder Null „return“. Mit Gewalt wird man die Erneuerbaren in einer Demokratie wohl kaum aus dem Markt halten können. Doch wie bemerkte der amerikanische Kommunikationsexperte Harold D. Lasswell, doch so pointiert: „Meinungsmanagement sei billiger als Gewalt, Bestechung oder andere mögliche Kontrolltechniken“ [8]. Derselbe befand auch, dass so etwas Kompliziertes wie eine Demokratie der Propaganda bedürfe. Wenn also im Wahlkampf auf allen Kanälen auf die Energiewende eingedroschen wird, dürfen wir uns darüber freuen, dass es uns günstiger kommt als echte Gewalt. Und wenn uns das hübsche Atom-Mandala begegnet, schauen wir doch mal, was dahinter steckt.
Denn auch in Deutschland gibt es mittlerweile deutliche Indizien für niederschwellige PR-Aktivitäten der Atomindustrie. Das Land von Atomausstieg und Energiewende ist PR-technisch sicher eine deutlich härtere Nuss als die USA oder Großbritannien. Wenn diese jedoch von der Nukleargemeinschaft zu knacken ist, brechen die Dämme des Widerstands andernorts leichter. Ein beachtenswerter Umstand, mit Blick auf die Bundestagswahl in diesem Jahr.
Von Dr. Eva Stegen
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