Japan

Hiroshima

Atomwaffenangriff

Am 6. August 1945 warfen die USA die Atombombe „Little Boy“ über dem Zentrum der japanischen Stadt Hiroshima ab. Von den 350.000 Einwohnern starben etwa 140.000 bis Ende des Jahres. Die Überlebenden „Hibakusha“ erlitten Spätfolgen der radioaktiven Strahlung, wie z. B. signifikant erhöhte Krebsraten.

Der Blick vom Roten Kreuz Krankenhaus über Hiroshima, 1945. Die Atombombe setzte enorme Energiemengen frei. Etwa 50 % der Gesamtenergie zerstörte als gewaltige Druckwelle den Stadtkern Hiroshimas, damit auch einen Großteil der Krankenhäuser im Umkreis von etwa zwei Kilometern. Foto: U.S. GovernmentHintergrund

Während des Zweiten Weltkriegs stellten die USA drei Atombomben her. Nach dem ersten erfolgreichen Test einer Atomwaffe, dem Trinity-Test vom 16. Juli 1945, sollten die verbleibenden zwei Bomben über japanischen Städten abgeworfen werden. Am 6. August 1945 wurde die Uranbombe „Little Boy“ über Hiroshima detoniert, am 9. August 1945 folgte die Plutoniumbombe „Fat Man“ über Nagasaki. In Hiroshima wurde die berühmte Aioi-Brücke inmitten eines dicht besiedelten Gewerbe- und Wohngebiets als Zielkoordinate ausgewählt. „Little Boy“ explodierte in 580 m Höhe mit einer Sprengkraft von ca. 15.000 Tonnen TNT-Äquivalent.

Folgen für Umwelt und Gesundheit

Die Atombombe setzte enorme Energiemengen frei. Etwa 50 % der Gesamtenergie zerstörte als gewaltige Druckwelle den Stadtkern Hiroshimas, samt beinahe aller Gebäude und Krankenhäuser im Umkreis von etwa zwei Kilometern. Trommelfelle und Lungen platzten noch mehrere Kilometer entfernt vom Hypozentrum, während Gebäudeteile, Fahrzeuge und Körper als Projektile durch die verwüsteten Straßen schossen. Es herrschten Windstärken, wie sie sonst nur bei großen Hurrikans gemessen werden.

Etwa 35 % der Gesamtenergie führten in Form von Hitze zu einem regelrechten Feuersturm, der die gesamte Innenstadt erfasste. Mit Temperaturen von 3.000 °C bis 4.000 °C im Hypozentrum verdampfte dort jegliches Leben und ließ nur „atomare Schatten“ auf dem Asphalt zurück. Auch die meisten Gebäude im Umkreis von etwa zwei Kilometern gingen in Flammen auf. Freiliegende Haut wurde innerhalb eines Umkreises von 3,5 km verbrannt. Menschen, die sich in Kellern und Bunkern versteckten, starben an Sauerstoffmangel und Rauchvergiftung. Die verbleibenden 15 % der Gesamtenergie der Atombombe wurden in Form von radioaktiver Strahlung freigesetzt.

Von 298 Ärzten in Hiroshima überlebten nur 28 die Atomexplosion. Gemeinsam mit etwa 130 Krankenpflegern und 28 Apothekern waren sie die Einzigen, die nach der Detonation medizinische Hilfe leisten konnten. Die meisten Todesfälle der ersten zwei Wochen waren auf Verbrennungen, Verletzungen und akute Strahlungsfolgen zurückzuführen. Von der dritten bis zur achten Woche starben vor allem diejenigen, die einer Strahlung von über drei bis vier Sievert (Sv) ausgesetzt wurden durch Organversagen, Blutverlust, unstillbares Erbrechen, blutige Durchfälle, Hautablösungen und Knochenmarksdepression mit Anämie, Infektanfälligkeit und Blutungen. Am ersten Tag starben nach konservativen Schätzungen mindestens 45.000 Menschen. Bis Ende des Jahres 1945 stieg die Zahl auf etwa 140.000. Die exakte Zahl der Opfer wird nie abschließend geklärt werden, auch weil die tatsächlichen Bevölkerungszahlen in Hiroshima in den letzten Kriegstagen letztlich unbekannt waren, Dokumente verbrannten, ganze Familien umkamen und das Sozialsystem durcheinandergeriet. Als Folgen der direkten Strahlenauswirkung auf Haut und Augen wurden zunächst narbige Keloide und Katarakte beschrieben. Ab etwa 1947 wurde bereits eine nicht-lineare Zunahme an Leukämien beobachtet. Die Inzidenz von Leukämie hatte ihren Höhepunkt in der ersten Hälfte der 1950er Jahre und sank danach allmählich ab. Es kann davon ausgegangen werden, dass das Leukämierisiko für Menschen mit einer Strahlenbelastung von zwei bis drei Sievert etwa 16-mal höher war als in der Allgemeinbevölkerung. Bis heute ist die Leukämieinzidenz in Hiroshima im Vergleich zum Rest der japanischen Bevölkerung leicht erhöht. Die Inzidenz des Myelodysplastischen Syndroms steigt hingegen weiterhin mit zunehmendem Alter der Überlebenden, wie auch die Inzidenz an soliden Tumoren. Nachdem man anfangs vor allem einen Anstieg von Schilddrüsenkrebsfällen beobachtete, stiegen bald auch die Raten von Brust-, Magen-, Darm- und Hautkrebs sowie Leber-, Gallenblasen-, Harnblasen- und Ovarialkarzinomen. Die epidemiologische „Life Span Study“ (LSS) wurde 1950 begonnen und zeigte, dass die Inzidenz für Krebserkrankungen proportional zur individuellen Strahlendosis stieg. Auch war die Inzidenz umso höher, je jünger die Menschen zum Zeitpunkt der Exposition waren. Die Hibakusha zeigten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung im Schnitt ein 1,5-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung solider Tumoren. Neben Krebsfällen wurden auch andere Krankheiten vermehrt festgestellt, wie gutartige Tumore, hormonelle Störungen, Bluthochdruck, Schlaganfall, sowie Herz- und Lebererkrankungen. Auch die Häufigkeit chromosomaler Aberrationen stieg mit der Strahlendosis und wird daher auch als „biologisches Dosimeter“ bezeichnet. Im Fall von intrauteriner Strahlenexposition wurden vermehrt Mikrozephalie und geistige Entwicklungsstörungen beim Nachwuchs beobachtet.

Ausblick

Die Überlebenden der Atombombenexplosion heißen im japanischen „Hibakusha“. Die meisten der noch lebenden Hibakusha wurden der Strahlung in sehr jungem Alter ausgesetzt, sodass bei ihnen gravierende Langzeitfolgen und erhöhte Krankheitsraten zu erwarten sind. Auch wurden die Auswirkungen interner Strahlung durch radioaktiven Niederschlag nicht in die LSS-Studie miteinbezogen. Da diese erst 1950 begonnen wurde, konnten zudem zahlreiche strahlenbedingte Effekte der ersten fünf Jahren, insbesondere jene der Perinatalzeit, nie untersucht werden. Einige Überlebendenverbände werfen der japanischen Regierung zudem vor, die Spätfolgen der Strahlung auf die Nachkommen der Hibakusha aus politischen Gründen zu verheimlichen.

Quellen

  • Shigematsu I. „A-bomb Radiation Effects Digest“. Bunkodo, Tokyo, 1993.
  • Kamada N. „One Day in Hiroshima – An Oral History“. Japanese affiliate of IPPNW, 2007. www.ippnw.org/pdf/book-one-day-in-hiroshima.pdf
  • Matsuzaka Y. „Hiroshima Genbaku Iryoshi (Medical care history of the atomic bombed population of Hiroshima)“. Hiroshima, 1961
  • „A Brief Description“. Radiation Effects Research Foundation (RERF), Hiroshima, Juni 2013. www.rerf.jp/shared/briefdescript/briefdescript.pdf
  • Pierce DA. „Studies of the mortality of atomic bomb survivors: 1950-1990“. Radiation Res 146, 1-27, 1996. www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8677290
  • „Akute medizinische Auswirkungen in Hiroshima und Nagasaki“, Takeshi Ohkita, MD, in „Last Aid“, IPPNW 1985

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