IPPNW-Jahrestreffen 13. März 2005

Völkerrecht und Atomwaffensperrvertrag

Vortrag von Norman Paech

Wenn die Staaten in diesem Jahr zu einer neuen Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages (NPT-Vertrag) zusammenkommen, werden sie auf eine wenig erfolgreiche Geschichte dieses Vertrages zurückblicken. Zugleich müssen sie seine Tauglichkeit angesichts neuer Gefahren der Produktion wie auch der Weiterverbreitung nüchtern einschätzen. Denn obwohl dem 1968 unterzeichneten und 1970 in Kraft getretenen Vertrag bisher 187 Staaten, soviel wie keinem anderen Rüstungsbegrenzungsvertrag, beigetreten sind, entspricht diese Quantität kaum der Qualität seiner Verwirklichung.

I.

Erstmals thematisierte die UN-Generalversammlung (UNGV) 1961 in einer Resolution die bedrohliche Gefahr der Weiterverbreitung der Atomwaffen und warnte vor ihr. 1965 legten die USA und die UdSSR Vertragsentwürfe für die Eingrenzung des Besitzes von Atomwaffen dem Eighteen Nations Disarmament Committee (ENDC) in Genf vor, und im gleichen Jahr machte die UNGV mit einer erneuten Resolution einen Vorschlag für einen Atomwaffensperrvertrag, für den sie folgende Grundprinzipien aufstellte:

„1. Der Vertrag darf keine Schlupflöcher enthalten, die es den Nuklearmächten oder den Staaten, die keine Nuklearwaffen besitzen, ermöglichen könnten, Nuklearwaffen in irgendeiner Form, direkt oder indirekt, zu verbreiten;
2. Der Vertrag soll ein ausgewogenes und annehmbares Gleichgewicht von gegenseitigen Verantwortlichkeiten und Pflichten der Nuklearmächte und der Staaten, die keine Nuklearwaffen besitzen, enthalten;
3. Der Vertrag soll ein erster Schritt zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung, ganz besonders der nuklearen Abrüstung, sein;
4. Es müssen annehmbare und durchführbare Bestimmungen vereinbart werden, die die Erfüllung des Vertrages wirksam gewährleisten;
5. Der Vertrag darf nichts enthalten, was dem Recht von Staatengruppen entgegenstehen könnte, regionale Vereinbarungen zu dem Zweck abzuschließen, ihre betreffenden Hoheitsgebiete für kernwaffenfrei zu erklären.“

Im Laufe der Verhandlungen im ENDC wurden diese Prinzipien schließlich in zehn Artikel umgesetzt. In den Artikeln I und II wurde das Verbot von Erwerb und Verbreitung formuliert. Artikel III enthält Sicherungsmaßnahmen unter der Herrschaft der Internationalen Atomenergiebehörde, die allerdings nicht für die Atomwaffenstaaten gelten. Als ein solcher Staat wird in Art. IX Abs. 3 der definiert, „der vor dem 1. Januar 1967 eine Kernwaffen- oder eine andere nukleare Sprengvorrichtung hergestellt und zur Explosion gebracht hat“ – also die USA, UdSSR, VR China, Frankreich und Großbritannien. Für diese wie aber auch für alle anderen Vertragsstaaten wird in Art. VI eine Verpflichtung zu Verhandlungen über nukleare und allgemeine Abrüstung festgelegt. Art. X schreibt eine dreimonatige Frist zur Kündigung des Vertrages vor, die dann möglich ist, wenn der Staat „zu der Auffassung gelangt, dass außerordentliche Umstände, die mit dem Inhalt dieses Vertrages im Zusammenhang stehen, die höchsten Interessen seines Landes gefährden.“

Um die Asymmetrie der vertraglichen Pflichten für Atomwaffenstaaten und solche, die keine Atomwaffen besitzen, etwas zu beheben, werden erstere in Art. IV verpflichtet, den anderen Staaten bei Forschung, Herstellung und Nutzung von Kernenergie für friedliche Zwecke zu helfen. Die friedliche Nutzung der Kernenergie wird sogar als „unveräußerliches Recht“ bezeichnet, was den italienische Delegierten dazu verführte, von einem „Menschenrecht“ auf friedliche Nutzung der Kernenergie zu sprechen. Wie wichtig den Nicht-Atomwaffenstaaten diese Verpflichtung zur Hilfe war, betont Mohamed I. Shaker in seiner Monographie über den NPT-Vertrag:

“Die Nicht-Atomwaffenstaaten befürchteten, dass sie durch die Kontrolle ihrer Aktivitäten zur friedlichen Nutzung der Kernenergie, die der Atomwaffensperrvertrag vorsah, um die Verbreitung von Kernwaffen zu verhindern, an der vollen Teilhabe an dem Sachverstand und der Technologie der Kernenergie gehindert würden. Denn darauf waren sie angewiesen, um ihre wirtschaftliche Entwicklung zu sichern und Wohlstand zu erlangen. Sie waren besorgt, dass die internationalen Inspektionen ihrer Kernenergieanlagen zur Industriespionage ausgenützt werden könnten und weiterhin, dass der Atomwaffensperrvertrag sie der Gnade der Atomwaffenstaaten ausliefern könnte, die ihre privilegierte Position als Hauptlieferanten für Kernbrennstoffe und die notwendige Technologie ausnutzen könnten. Die unbeschränkte Freiheit, die Kernenergie für friedliche Zwecke einsetzen zu dürfen, erschien den Nicht-Atomwaffenstaaten als das handfeste Gegengewicht zu ihrem Verzicht, Nuklearwaffen zu erwerben.“

Um die Asymmetrie der Vertragsverpflichtungen zu entschärfen, flüchteten die Staaten in ein anderes Paradox: Sie förderten durch die Verpflichtung zur Hilfe bei der Entwicklung von Kernenergie zur friedlichen Nutzung gleichzeitig die Fähigkeiten, nukleares Material für Atomwaffen herzustellen.

II.

Die Verpflichtung zu Abrüstungsverhandlungen in Art. VI war zentrales Thema der Folgekonferenzen, die alle fünf Jahre stattfanden. Vor allem Indien und Schweden wollten die Nichtweiterverbreitung mit dem Teststopp, dem Einfrieren der Herstellung, Sicherheitsgarantien zum Schutz vor Einsatz sowie Beendigung der Herstellung spaltbaren Materials verbunden wissen. Die USA und UdSSR konnten sich allerdings zu nichts mehr als zu „Verhandlungen im Geist des guten Willens ... über wirksame Maßnahmen zur Einstellung des nuklearen Wettrüstens in nächster Zukunft, zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zu allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle“ bereit zu erklären.

Am 19. Juni 1968, eine Woche nach Billigung des Vertrages durch die Generalversammlung, verabschiedete der Sicherheitsrat die Resolution Nr. 225, in der er eine positive Sicherheitsgarantie für die Nicht-Atomwaffenstaaten abgab. D.h. er versicherte, dass er und die ständigen Mitglieder für den Fall einer feindseligen Drohung mit dem Einsatz oder des Einsatzes von Atomwaffen „in Übereinstimmung mit ihren Verpflichtungen aus der Charta umgehend die erforderlichen Maßnahmen treffen müssten.“ Zehn Jahre später gaben die USA, Großbritannien und die UdSSR sog. negative Sicherheitsgarantien gegenüber allen Staaten ab, die ihre Verpflichtungen aus dem NPT-Vertrag erfüllten. Gegenüber diesen Staate würden sie mit bestimmten Ausnahmen keine Atomwaffen einsetzen:

„Die USA werden gegen einen Nicht-Atomwaffenstaat, der Mitglied des Atomwaffensperrvertrages oder einer vergleichbaren international rechtsverbindlichen Verpflichtung ist, keine Kernwaffen einsetzen, ausgenommen im Falle eines Angriffs auf die USA, ihr Hoheitsgebiet, ihre bewaffneten Streitkräfte und ihrer Verbündeten, wenn dieser Angriff durch einen Nichtkernwaffenstaat in einem Bündnis oder in Gemeinschaft mit einem Kernwaffenstaat durchgeführt oder aufrechterhalten wird.“

1995, als der Vertrag auf unbestimmte Zeit verlängert wurde, gaben die USA und Frankreich noch einmal eine solche Sicherheitsgarantie ab. Das alles reichte aber Indien nicht. Es weigerte sich, dem Vertrag beizutreten, da die Abrüstungsversprechen zu vage blieben. Es entwickelte eigene Atomwaffen, die es 1998 testete, im gleichen Jahr wie Pakistan. In der Tat hatten die Atomwaffenstaaten ihre Sorge ausschließlich auf die Nichtverbreitung ausgerichtet und den Verhandlungen zur eigenen Abrüstung nur ungenügende Aufmerksamkeit geschenkt.

III.

Allerdings schien sich die Haltung der Atomwaffenstaaten im Jahr der Verlängerung des NPT-Vertrages 1995 und danach zu verändern. Die fünf Atomwaffenmächte verabschiedeten 1996 „Grundsätze und Ziele für atomare Nichtverbreitung und Abrüstung“, in denen sie sich ausdrücklich zu Verhandlungen über einen Atomwaffenteststop und zum Verbot zur Herstellung von spaltbarem Material verpflichteten mit dem finalen Ziel der Abschaffung aller Atomwaffen. Im gleichen Jahr wurde von der Abrüstungskonferenz in Genf der „Vertrag zu einem umfassenden Verbot von Kernwaffenversuchen“ zur Unterzeichnung den Staaten vorgelegt und der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag lieferte sein von der UN-Generalversammlung in Auftrag gegebenes Gutachten zur rechtlichen Qualität der Atomwaffen vor. Darin kam er zu dem Ergebnis, dass die Drohung mit und der Einsatzes von Atomwaffen grundsätzlich illegal sei. „Grundsätzlich“ deswegen, weil er keine Einigung über die Frage erzielen konnte, ob nicht im Fall äußerster existentieller Bedrohung eines Staates, der mit keinem anderen Mittel begegnet werden kann, nicht doch der Einsatz von Atomwaffen zur Verteidigung erlaubt sei. Da sich die Richter nicht einigen konnten, ließen sie die Frage offen und unbeantwortet. Wie zum Ausgleich dieses Unvermögens gaben sie jedoch eine authentische Interpretation der Pflicht zu Abrüstungsverhandlungen gem. Art. VI NPT-Vertrag. Diese Pflicht erstrecke sich nicht nur auf irgendwelche Verhandlungen, sondern diese müssten zu einem Abschluss mit einer eindeutigen Verpflichtung „zur nuklearen Abrüstung in jeder Hinsicht unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle“ führen.

Die folgenden Jahre brachten dennoch keinen Durchbruch in der Atomwaffenabrüstung. Obwohl die Umsetzung des START I-Vertrages von 1994 – Abrüstung strategischer Nuklearwaffen – einige Ansätze zeigte, lehnten die USA 1999 die Ratifizierung des Teststoppvertrages ab und bereiteten ihr Programm der Raketenabwehr vor. Auf der Überprüfungskonferenz 2000 bildeten Brasilien, Irland, Mexiko, Neuseeland, Schweden und Südafrika eine „Koalition für eine neue Agenda“, um die bisher erfolglose Abrüstung und Abschaffung der Atomwaffen zu forcieren. Im Abschlussdokument wurden „13 praktische Schritte zu systematischen und fortschreitenden Bemühungen“ aufgezeigt, um die atomare Abrüstung zu erreichen. Von zentraler Bedeutung war der Schritt 6, der ein „eindeutiges Handeln der Atomwaffenmächte“ forderte, „ihre atomaren Arsenale abzuschaffen, was zur nuklearen Abrüstung führen soll.“ Dieses sollte auch die einseitige Verringerung der atomaren Arsenale umfassen. Wichtig war auch der Schritt 5, der die „Anwendung des Grundsatzes der Unumkehrbarkeit auf die atomare Abrüstung“ forderte. Diese 13 Schritte wurden im Herbst 2000 durch die UN-Generalversammlung in einer Resolution bestätigt. Dennoch handelt es sich lediglich um eine politische Absichtserklärung, eine Empfehlung ohne rechtsverbindlichen Verpflichtungscharakter. Aber alles in allem war es eine Bestätigung der Position des IGH.

IV.

Fragen wir nach den Ergebnissen des NPT-Vertrages, so können wir zunächst positiv darauf verweisen, dass Südafrika, Brasilien und Argentinien ihre Atomwaffenpläne aufgegeben haben, dass aber auch die Ukraine und Kasachstan sich von dem auf ihrem Territorium befindlichen atomaren Waffenmaterial – eine Erbschaft aus dem Zerfall der Sowjetunion – getrennt haben. Frankreich und Großbritannien haben ihr Atomwaffenarsenal beschränkt, ohne dass man darin allerdings einen substantiellen Schritt zur Abrüstung sehen könnte. Die USA und Russland haben im Mai 2002 in Moskau einen „Vertrag über die Verminderung strategischer Offensivwaffen“ abgeschlossen, der eine Reduzierung der Anzahl der in den USA und Russland stationierten Atomwaffen erwarten lässt. Dass es sich dabei aber kaum um die Einlösung der auf der Überprüfungskonferenz 2000 geforderten Schritte handelt, geht aus dem kurz zuvor Anfang 2002 von den USA veröffentlichten Grundsatzdokument zur Nuklearstrategie, dem Nuclear Posture Review (NPR), hervor. In ihm wird zwar die Reduzierung strategischer Atomwaffen auf 3800 im Jahr 2007 und auf 1700 bis 1200 im Jahr 2012 bestätigt, wie sie im Moskauer Vertrag vorgesehen ist, im Ganzen wird jedoch das Einsatzspektrum der Atomwaffen weiter ausgedehnt und nicht begrenzt.

So sieht der NPR keine Zerstörung der Kernwaffensysteme oder Demontage der nuklearen Gefechtsköpfe vor, wie in den START-Verträgen gefordert. Stattdessen sollen insgesamt 1350 atomare Gefechtsköpfe als Zweitschlagsfähigkeit in Reserve gehalten werden, was eine klare Verletzung des Grundsatzes der „Unumkehrbarkeit“ in der Abrüstung bedeutet. Weiter enthält er die Planung einer neuen Generation landgestützter Interkontinentalraketen bis 2020, neuer U-Boot-gestützter Interkontinentalraketen und einer neuen Generation von Atom-U-Booten bis 2030 sowie neuer schwerer Bomber bis 2040. NPR und Moskauer Vertrag enthalten keine Ansätze zu mehr Transparenz und Verifizierung der Reduzierungsvorschläge. Russland und die USA sind sich nicht einmal einig darüber, was unter „strategischen atomaren Gefechtsköpfen“ zu verstehen ist.

Der START II-Vertrag, der allerdings noch nicht in Kraft ist, sieht ein Verbot landgestützter Interkontinentalraketen mit Mehrfachsprengköpfen vor. Der Moskauer Vertrag von 2002 jedoch setzt keine Grenzen für Raketen mit Mehrfachsprengköpfen. Jede Partei soll „in eigener Verantwortung die Zusammensetzung und Struktur ihrer strategischen Offensivwaffen festsetzen.“ Allerdings könnte die von den USA beabsichtigte Raketenverteidigung Russland veranlassen, Raketen mit Mehrfachsprengköpfen zu behalten. Die strategische Raketenabwehr soll bis 2008 stationiert werden, wofür die USA den Anti Ballistic Missile (ABM)-Vertrag bereits gekündigt haben.

Zwei weitere Dokumente des Jahres 2002, die ursprünglich geheime Präsidentendirektive 17 vom 11. September und die im gleichen Monat veröffentlichte National Security Strategy eröffnen die Möglichkeit präventiver atomarer Schläge z.B. gegen Untergrundbunker mit Kommandozentralen oder Lagerbestände biologischer und chemischer Waffen. Zu diesem Zweck sehen die NPR-Planungen die Entwicklung erddurchdringender atomarer Sprengköpfe mit geringer Sprengkraft auf taktischen Trägersystemen vor. Es handelt sich dabei nicht um eine Neuentwicklung, sondern nur die Modernisierung bereits 1996 entwickelter Sprengkörper. Präsident Bush will schon seit Jahren sog. Mini-Nukes mit einer Sprengkraft von weniger als 5 Kilotonnen zum Einsatz gegen sog. Schurkenstaaten bauen. Hinzukommen sollen jetzt großkalibrige Atombomben, sog. Robust Nuclear Earth Penetrator zum Knacken unterirdischer Bunker. Für das Steuerjahr 2003 hatte das Energieministerium seine Forderung über einen Etat von 5,9 Mrd. US-Dollar für das gesamte Atomwaffenprogramm vor allem mit dem NPR begründet:

„Aus der neuen Nuklearstrategie geht die Bedeutung einer robusten und reaktionsfähigen Kernwaffeninfrastruktur klar hervor, um so eine glaubwürdige Abschreckung und Abwehr aufrecht zu erhalten. In dieser Hinsicht ... hängt die Flexibilität, unsere Lagerbestände an Kernwaffen dauerhaft zu unterhalten, die Fähigkeit, unsere Kernwaffen an neue Aufgaben anzupassen oder erforderlichenfalls neue Waffen einsatzbereit zu machen, von einem wirksamen Managementprogramm für die Lagerbestände der Kernwaffen ab und damit von einer robusten Infrastruktur für die Herstellung von Kernwaffen.“

Der Kongress allerdings hatte beide Projekte für die Mini Nukes im November 2004 gestoppt, was wiederum die Bush-Administration nicht von ihren Plänen abgebracht hat. Zwei Monate später, im Januar 2005 hat Verteidigungsminister Rumsfeld erneut für die nächste Haushaltsperiode von Oktober 2005 bis September 2006 10,3 Mio US-Dollar zur Entwicklung dieser Atombomben gefordert. Sein Kollege Samuel W. Bodman vom Energieministerium, in dessen Ressort die National Nuclear Security Administration für die Entwicklung und Wartung der atomaren Waffensysteme zuständig ist, soll die Forderung in die Haushaltsberatungen einbringen. Der Ausgang der Verhandlungen ist unsicher. Angesichts der in der US-Regierung starken Fraktion, die einen Militärschlag gegen die iranischen Atomwaffenplanungen befürwortet, könnte der Kongress jedoch durchaus seine ursprüngliche Entscheidung revidieren.

V.

Ziehen wir ein Resümee, so hat der NPT-Vertrag aus der Sicht der fünf ursprünglichen Atomwaffenstaaten sein Ziel der Nichtweiterverbreitung weitgehend erreicht. Heute verfügen nur Israel, Indien und Pakistan definitiv über Atomwaffen. Staaten wie Libyen, Südafrika, Brasilien und Argentinien, die auf dem Weg zur Herstellung von Atomwaffe waren, konnten davon erfolgreich abgehalten werden. Der Iran und Nord-Korea, bei denen noch strittig ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie über einsetzbare Atomwaffen verfügen, stehen unter starkem internationalem Druck, ihre Pläne aufzugeben.

Aus der Sicht der übrigen 182 Vertragsstaaten ist der Vertrag seit 25 Jahren praktisch wirkungslos geblieben. Die Grundprinzipien des ENDC aus dem Jahre 1965 sind auch heute noch weitgehend unerfüllt. Denn es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Abrüstungsverpflichtung des Artikel VI in einer der Nuklearstrategien der Atomwaffenstaaten Eingang gefunden hat. Der Versuch des Vertrages, die Asymmetrie zwischen Atomwaffenstaaten und Nicht-Atomwaffenstaaten durch eine Abrüstungsverpflichtung auszugleichen, ist bisher praktisch gescheitert. Alle Maßnahmen der tatsächlichen Reduzierung des Waffenarsenals haben sich letztlich nicht als Abrüstung sondern als Umrüstung auf neu gestellte strategische Ziele erwiesen. Die von Präsident Putin verkündete Neuentwicklung einer strategischen Atomwaffen in Russland verletzt Geist und Buchstaben des NPT-Vertrages ebenso wie die im NPR der USA angekündigten Neuentwicklungen taktischer und strategischer Atomwaffen. Dies müsste eines der zentralen Themen der nächsten Überprüfungskonferenz sein. Wird der Abrüstungsverpflichtung im Vertrag nicht die gleiche Bedeutung und Aufmerksamkeit wie der Nichtweiterverbreitung beigemessen, so wird nicht nur das Ziel des Vertrages verfehlt, er wird vielmehr dazu missbraucht, hinter den einseitigen Bemühungen um die Begrenzung des Zugangs zu Atomwaffen, die eigene Aufrüstung und Neuentwicklung vergessen zu machen.

Das grundsätzliche Problem der Erfolglosigkeit des NPT-Vertrages ist seine Asymmetrie. Sollte sie weiter bestehen bleiben und sich sogar, wie es aktuell den Anschein hat, verschärfen, so wird es immer schwieriger, die Staaten von ihrem einseitigen Verzicht zu überzeugen. Es wird immer wieder Staaten geben, die sich dem Diktat unter atomarer Drohung zu entziehen versuchen durch die Beschaffung eigener Atomwaffen. Das zentrale Kriterium für den Erfolg oder Misserfolg der nächsten Überprüfungskonferenz wird also die Überwindung der Asymmetrie durch die Aufwertung der atomaren Abrüstung und den überprüfbaren Nachweis tatsächlicher Fortschritte sein.

Norman Paech

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Xanthe Hall

Abrüstungsreferentin
Expertin in Fragen zu Atomwaffen
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