Kein U-Boot-Export nach Israel

Offener Brief an den Bundessicherheitsrat

Sehr geehrte Damen und Herren des Bundessicherheitsrates!

Wir von der IPPNW und die deutsche Öffentlichkeit möchten folgendes gerne wissen:
1. Wird die Genehmigung des Exports von deutschen U-Booten an Israel im Bundessicherheitsrat diskutiert und erwogen? Oder ist sogar bereits eine Genehmigung erteilt worden?
2. Wird eine Genehmigung zur Modernisierung der bereits gelieferten drei U-Boote vom Typ "Dolphin" erwogen oder ist dafür bereits eine Genehmigung erteilt worden?
3. Wird für eines dieser Vorhaben oder sogar für beide eine Hermesbürgschaft in Erwägung gezogen oder wurde sie bereits zugesagt?

Verteidigungsminister Peter Struck äußerte sich am 9. September 2004 in einem Interview mit dem Handelsblatt: "Die israelische Regierung will zwei neue (deutsche) U-Boote kaufen. Wir sind selbstverständlich bereit, Israel beim Erwerb zu helfen und zu unterstützen." In den "politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" vom 19. Januar 2000 verpflichtet sich die Bundesregierung dagegen, keine Exporte in Länder zu genehmigen, "in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht" oder auch nur "bestehende Spannungen und Konflikte (...) aufrechterhalten oder verschärft würden".

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen warnt vor einer Eskalation des Konfliktes im Nahen Osten. Israel erwägt öffentlich die präventive Zerstörung von Nuklearanlagen im Iran, da "unter keinen Umständen Atomwaffen in iranischem Besitz" geduldet werden sollen. Der iranische Verteidigungsminister erklärt: "Wir werden nicht zögern, einen Präventivschlag gegen den israelischen Atomreaktor Dimona zu führen." Schon diese wenigen Meldungen vermitteln: die Lage ist alles andere als stabil und friedlich, sie ist explosiv und kann schnell eskalieren.

Die "politischen Grundsätze" verpflichten die Bundesregierung zudem, das "Verhalten des Empfängerlandes" im Hinblick auf "die Übernahme von Verpflichtungen im Bereich der Nichtverbreitung" und die "Unterzeichnung, Ratifizierung und Durchführung" von Rüstungskontrollabkommen, darunter des nuklearen Nichtverbreitungsvertrages zu berücksichtigen. Israel ist dem Nichtverbreitungsvertrag (NVV) wie etlichen anderen Abkommen nicht beigetreten; es unterhält ein unerklärtes Nuklearwaffenpotenzial und steht zudem im Verdacht, die bereits gelieferten deutschen U-Boote der Dolphin-Klasse mit weitreichenden Trägersystemen für Nuklearsprengköpfe ausrüsten zu wollen oder dies bereits getan zu haben. Israel bei der Aufrechterhaltung, Modernisierung und Stärkung seines Nuklearpotenzials mit weiteren U-Booten zu unterstützten steht im klaren Widerspruch zum NVV, der nicht zuletzt auch auf die Abrüstung aller vorhandenen Nuklearwaffen zielt. Wie ist es miteinander zu vereinbaren, dass die Bundesregierung im Rahmen der Europäischen Union von dem NVV-Mitglied Iran ultimativ fordert, seine (leider) legale, aber potenziell auch illegal militärisch nutzbare Urananreicherung aufzugeben, zugleich aber U-Boote an Israel liefert, die zur Ausweitung der Nuklearabschreckung eines Nichtmitglieds des NVV beitragen können?

Angesichts des Potenzials des aktuellen Konflikts sind wir sehr besorgt. Eine bewaffnete Auseinandersetzung könnte eine neue, auch nukleare Dimension haben. Die Bombardierung von Atomanlagen in Israel oder im Iran könnte nukleare Verseuchungen auslösen. Der Konflikt könnte eskalieren. Die Glaubwürdigkeit der deutschen Nichtverbreitungspolitik kann schweren Schaden nehmen.

Wir, die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) und Mitarbeiter friedenswissenschaftlicher Einrichtungen fordern daher von den Mitglieder des Bundessicherheitsrates und der Bundesregierung, auf den Export der von Israel gewünschten U-Boote der "Dolphin"-Klasse sowie die Modernisierung bereits gelieferter U-Boote zu verzichten. Angesichts der hohen Priorität, die der Verhinderung nuklearer Proliferation gerade auch im Nahen und Mittleren Osten zukommt, wäre ein "Nein" zu deutschen U-Boot-Lieferungen an Israel ein deutliches Signal, dass Deutschland seine Verpflichtungen und seine Chancen zur Stärkung der Nichtverbreitung nutzt und die Weiterverbreitung atomarer Waffen und ihrer Trägersysteme wo immer möglich unterbindet. Nur so kann deutlich werden, dass Deutschland keine Politik eines "Zweierlei-Maß" praktiziert: Wer vom Iran einen bedingungslosen Verzicht auf eine potenzielle militärisch-nukleare Option fordert, darf nicht zugleich an der Aufrechterhaltung und Stärkung des Nuklearpotenzials Israels mitwirken. Wir sind sicher, dass ein deutsches Nein zu U-Boot-Lieferungen an Israel als weithin sichtbares Zeichen einer konsequenten deutschen Nichtverbreitungspolitik, des Bemühens um Deeskalation und als Anstiftung zu friedlichen Lösungen verstanden werden würde.

Wir werden die Öffentlichkeit am 27. Oktober 2004 auf einer Pressekonferenz informieren und bitten Sie um baldige Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüßen

Der Vorstand der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW):

und
Otfried Nassauer, Berliner Zentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS)
Christopher Steinmetz, Berliner Zentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS)
Margret Johannsen, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik Hamburg (IFSH)
Götz Neuneck, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik Hamburg (IFSH)
Jürgen Schneider, für den Vorstand der Naturwissenschaftler-Initiative "Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit" e.V.
Herbert Wulf
Wolfgang Liebert, Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit (IANUS)
Philipp Boos, Geschäftsführer der Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen (IALANA)

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Ansprechpartner*innen


Xanthe Hall

Abrüstungsreferentin
Expertin in Fragen zu Atomwaffen
Tel. 030 / 698074 - 12
Mobil 0177 / 475 71 94
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