10.07.2008 Abolition 2000, ein Zusammenschluss von über 2000 Organisationen aus mehr als 90 Ländern, warnt davor, jetzt unter Druck eine schnelle Entscheidung über das nukleare US-Indien-Abkommen zu treffen. Die Arbeitsgruppe zum US-Indien-Deal des Netzwerks Abolition 2000 ruft deswegen alle Regierungen, die Einfluss auf die Entscheidung haben – und dazu gehört auch Deutschland, dazu auf, aktiv dafür Sorge zu tragen, dass dieses Abkommen nukleare Nichtverbreitungsbemühungen nicht unterminiert und auf keine Weise zum Ausbau des indischen Atomwaffenarsenals beiträgt.
In der gegenwärtigen Form erfüllt der Atomdeal diese Bedingungen nicht. Sollte die Bundesregierung dem Abkommen zustimmen, ist sie mitverantwortlich für eine Schwächung des nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV) und einen neuen nuklearen Rüstungswettlauf in Südasien.
Am Montag dieser Woche hat die indische Regierung den Entwurf für ein nukleares Sicherungsabkommen (Safeguards Agreement) mit der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) an ihren Gouverneursrat als zuständiges Entscheidungsgremium übermittelt. Damit leitet Indien die letzten Schritte ein, die notwendig sind, damit das bilaterale US-Indien-Abkommen in Kraft treten kann. Sollte der IAEO-Gouverneursrat dem nuklearen Sicherungsabkommen zustimmen, muss danach die 45 Staaten umfassende Gruppe der nuklearen Lieferländer (Nuclear Suppliers Group – NSG) im Konsens für Indien eine Ausnahme von ihren nuklearen Handelsrichtlinien beschließen.
Xanthe Hall von den Internationalen Ärzteorganisation IPPNW sagt: „Die Zeit des Lavierens ist vorbei. Die Frage ist nicht mehr, ob Deutschland sich entscheiden muss, sondern wann. Das Abkommen erfüllt nicht einmal die Mindestanforderungen von Herrn Steinmeier.“ Außenminister Steinmeier hatte als Bedingung für eine Zustimmung die Annäherung Indiens an den Atomteststoppvertrag und ein verbindliches Moratorium für die Produktion von waffenfähigem Spaltmaterial gefordert.
Regina Hagen, Koordinatorin des Internationalen Wissenschaftlernetzwerk INESAP, betont: „Deutschland hat eine besondere Verantwortung, weil es aktuell den Vorsitz der NSG hat. Im Bundestag unterstützt nur die CDU den Deal, also darf Deutschland auf keinen Fall zustimmen.“
Sollte die Bundesregierung dem Deal zustimmen, würde sie einem äußerst fragwürdigen Vorhaben der aus dem Amt scheidenden Bush-Regierung den Segen geben und damit möglicherweise die Chancen der neuen US-Regierung untergraben, das nukleare Nichtverbreitungsregime wieder zu beleben und zu stärken.
Das nukleare US-Indien-Abkommen war schon ein fauler Handel, als es 2005 konzipiert wurde, und daran hat sich nichts geändert. Alle Probleme, die im Januar 2008 von 130 NRO-Experten in einem Brief an die NSG und die IAEO aufgelistet wurden, bleiben aktuell. Den englischen Text des internationalen Briefes und eine Liste der mehr als 120 Experten, die ihn unterzeichnet haben, finden Sie hier:
http://cnic.jp/english/topics/plutonium/proliferation/usindiafiles/nsgiaea7jan08.html
Das Abkommen gesteht Indien die Privilegien eines Atomwaffenstaates zu, obwohl das Land bis heute seine Mitwirkung im internationalen Nichtverbreitungsregime verweigert. Es verlangt Indien nicht einmal dieselbe Verantwortung wie den Mitgliedstaaten des Nichtverbreitungsvertrages ab, nämlich die vollständige Akzeptanz von IAEO-Sicherungsvorkehrungen für Nicht-Atomwaffenstaaten und die Zusage der Atomwaffenstaaten, in redlicher Absicht Verhandlungen über die Eliminierung ihrer Atomwaffenarsenale zu führen.
Die IAEO- und NSG-Mitglieder dürfen sich nicht drängen lassen, Entscheidungen zu treffen, die auf einem unrealistischen politischen Fahrplan beruhen. Die 35 Länder, die im IAEO-Gouverneursrat vertreten sind (einschließlich Deutschland), müssen bedenken, dass die von Indien geforderten Sonderkonditionen die Glaubwürdigkeit der IAEO unterminieren und das nukleare Nicht-Verbreitungsregime schwächen würden. Es geht hier also um außerordentlich wichtige Entscheidungen, die keinesfalls überstürzt und ohne öffentliche Debatte getroffen werden dürfen.
Der IAEO-Gouverneursrat und die NSG sollten als unabdingbare Mindestanforderung ihre Zustimmung zum US-Indien Abkommen an eine rechtlich verpflichtende Zusage Indiens binden, die Produktion von spaltbarem Material für Atomwaffen dauerhaft zu beenden und den Atomteststoppvertrag zu unterzeichnen und zu ratifizieren.
Kontakte:
Xanthe Hall (IPPNW) 030-69 80 74 12, 0171-435 84 04 xanthe[at]ippnw.de
Regina Hagen (INESAP) 06151-16 44 68 inesap[at]hrzpub.tu-darmstadt.de
IPPNW = International Physicians for the Prevention of Nuclear War
INESAP = International Network of Engineers and Scientists Against Proliferation
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