Der Atomdom auf den Marshallinseln

Risse in Betonschale könnten zu Freisetzung von Radioaktivität führen

30.04.2020 Auf einer der Marshallinseln im Pazifik gibt es seit Jahrzehnten ein Lager mit radioaktivem Abraum. Unter einem Betonmantel lagert Boden, der durch die einstmaligen Atomwaffentests kontaminiert wurde. Uno-Generalsekretär Antonio Guterres warnte im Mai 2019 davor, dass der Betonmantel undicht werden könnte. Auch wird befürchtet, das Atomlager könnte durch den Meeresanstieg wegen des Klimawandels überflutet werden.

Die Insel Runit ist eine von etwa 40 Inseln im Osten des Atolls Eniwetok, welches wiederum zu den Marshallinseln zählt. Auf der 3 Kilometer langen Insel befindet sich der so genannte Runit Dome, eine Betonkuppel mit einem Durchmesser von 120 Metern. Darunter lagert das radioaktive Material in einem ehemaligen Krater eines Kernwaffentests aus dem Jahre 1958 (100 m Durchmesser). In den 1940er und 1950er Jahren hat das US-Militär auf dem Eniwetok-Atoll über 50 Kernwaffenexplosionen durchgeführt. In den Jahren 1977 bis 1980 wurden einige Inseln des Atolls dekontaminiert: Großflächig wurde die verstrahlte Erde abgetragen und zusammen mit eingesammeltem Müll mit Portlandzement vermischt und anschließend in den Explosionskrater auf der Insel Runit geschüttet. Dieser einbetonierte, kontaminierte Boden wurde mit einer Kuppel aus Betonplatten überdeckt.

1982 äußerte eine Task Force der US-Regierung die Befürchtung, ein schwerer Taifun würde mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Durchbruch der Betonstruktur führen. 2013 kam ein Bericht des US-Energieministeriums zu dem Ergebnis, dass die Betonkuppel mit leichten Rissen in der Struktur verwittert war, wobei der Boden um die Kuppel herum stärker kontaminiert war als ihr Inhalt. Ein Durchbruch würde demnach die Strahlungswerte nicht erhöhen. Das Enewetak-Atoll enthalte insgesamt noch erheblich größere Mengen an radioaktivem Abfall als der unter Betonkuppel eingelagerte.
Der Bodenkrater des Lagers soll porös sein und mit Grund- bzw. Meerwasser in Kontakt stehen. Nach Darstellung des Berichts des Energieministeriums werden die freigesetzten Radionuklide sehr schnell verdünnt. Im Vergleich zu den Freisetzungen durch die Atomwaffentests vor Jahrzehnten würden diese Freisetzungen kein erhöhtes radioaktives Risiko für die Meeresumwelt darstellen. In einem aktuellen Bericht der „Los Angeles Times“ heißt es, der steigende Meeresspiegel lasse die Betonkuppel inzwischen aufbrechen. Vor zwei Jahren hatte auch eine Dokumentation des australischen Senders ABC auf nochmals die Risse in der Betonschale hingewiesen.

Atomwaffentests

Die beiden Atolle Bikini (Pikinni) und Eniwetok (Āne-wātak) wurden im Zweiten Weltkrieg zunächst von japanischen Streitkräften, später von den US-Streitkräften kontrolliert. Die Atomwaffentests auf den Atollen machten ganze Inselgruppen unbewohnbar. Tausende von Menschen wurden hohen Dosen von Radioaktivität ausgesetzt. Weltweit stieg die Belastung mit strahlenden Partikeln durch radioaktiven Niederschlag an.
Die Auswertung der Dosimeter der Soldaten während eines routinemäßigen Atomwaffentests zeigte individuelle Dosen von bis zu 600 mSv im Laufe eines zweiwöchigen Einsatzes – dem 7.500-fachen der natürlichen Hintergrundstrahlung (ca. 0,09 mSv über einen Zeitraum von zwei Wochen) oder dem Äquivalent von etwa 30.000 Röntgenuntersuchungen (0,02 mSv pro Untersuchung).

Die Exposition durch innere Verstrahlung wurde dabei nicht berücksichtigt. Und nicht alle Tests waren „Routine“: Die Detonation von „Castle Bravo“ im Jahr 1954 übertraf die erwartete Strahlenbelastung um 200 %, verbreitete radioaktiven Niederschlag über 11.000 Quadratkilometer und kontaminierte mehrere bewohnte Inseln, darunter Rongerik, Rongelap und Utrik sowie ein japanisches Fischereischiff. Direkt nach der Exposition litten viele Inselbewohner und die japanische Schiffsbesatzung unter akuter Strahlenkrankheit.

Die Bewohner einiger kontaminierter Inseln wurden zwei oder drei Tage nach „Castle Bravo“ evakuiert und Langzeituntersuchungen unterzogen, wobei sich erhöhte Krebsraten zeigten. Vor allem Schilddrüsenkrebs trat häufig auf, vermutlich ausgelöst durch das kurzlebige Jod-131.

 

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