Factsheet

Die USA testen weiter Atomwaffen

Der Atomteststoppvertrag

Am 24. September 1996 unterzeichnete Präsident Clinton den Atomteststoppvertrag. Ein Akt, der nach internationalem Recht den Unterzeichner dazu anhält, von jeglicher Handlung Abstand zu nehmen, die dem Kern des Vertrages zuwider läuft. Doch bereits am 8. Oktober 1996 erklärte das US-amerikanische Energieministerium (engl. Abkürzung: DOE), „subkritische Atomtests” durchführen zu wollen.

Bei einem subkritischen Test werden 50 bis 500 Pfund chemische Explosivstoffe mit kleinen Mengen waffenfähigem Plutonium in circa 300 Meter Tiefe gezündet. Mit solchen Experimenten mit weniger als der für eine atomare Kettenreaktion notwendigen kritischen Masse - deswegen „subkritisch” -, wird das Verhalten des Plutoniums erforscht. Die gewonnenen Daten sind für die Computersimulation gedacht und können der Waffenentwicklung dienen. Das Energieministerium hat zukünftige Experimente mit „Atomwaffenkonfiguration” nicht ausgeschlossen.

Der Atomteststoppvertrag definiert einen Atomtest nicht, aber anerkannte Deutung ist, dass das Abkommen Explosionen mit einer messbaren radioaktiven Freisetzung verbietet. Damit verstoßen „subkritische Tests” vielleicht nicht gegen den Text des Vertrages - aber sie höhlen seine Absicht und seinen Geist aus. Jeder Test einer Atomwaffenmacht untergräbt das notwendige Vertrauen anderer Länder, sich für eine Welt ohne Atomwaffen zu entscheiden, und fördert damit die Gefahr der atomaren Weiterverbreitung. Es ist besonders an den Atomwaffenmächten, ihre Abrüstungsabsicht durch vertrauensbildende Taten zu demonstrieren.

Das DOE behauptet, die subkritischen Tests dienen nur der Sicherheit bestehender Arsenale. In 1997 veröffentlichten Geheimdokumenten („Grünes Buch” vom 29.2.1996) schreibt das DOE jedoch: „Die Fähigkeit zum Atomwaffendesign ist das Herzstück des DOE-Programms, und es wird in allen Aspekten des Programms umgesetzt ...” [eigene Übersetzung]

Elf Tests wurden seit Juli 1997 durchgeführt: drei davon in diesem Jahr. Laut eines Berichts des Livermore Atomlaboratoriums wurden fünfzehn Verstöße gegen die Sicherheitsregelungen über Kritikalität während der Vorbereitungen für den zweiten Test „Holog” festgestellt. Dabei wurden Plutoniumteile in einem Behälter so zusammengestellt, dass eine Kettenreaktion und anschliessend eine Atomexplosion hätte entstehen können. Alle Atomexplosionen sind unter dem von der USA unterzeichneten, aber noch nicht ratifizierten Atomteststoppvertrag verboten.

Die DOE-Rechtfertigung für die subkritischen Tests ist die erklärte Absicht, Plutonium verschiedener Altersstufen bei Explosionen zu beobachten. Es gibt jedoch laut Wissenschaftlern des Washingtoner Umwelt- und Energie-Forschungsinstituts IEER keinen Beweis, dass die Leistung oder Sicherheit des US-Atomwaffenarsenals durch alterndes Plutonium beeinträchtigt wird.

Diese Testreihe gehört zum Programm Stockpile Stewardship and Management (SSM). Im SSM-Programm werden die Atomlabors mit extrem schnellen Supercomputern ausgestattet, um Computersimulation zu verbessern. Computersimulation ergänzt die verschiedenen Experimente, wie zum Beispiel subkritische und hydrodynamische Tests. Diese ermöglichen es nämlich lediglich, Teilaspekte zu erproben. Durch Computersimulation können die fehlenden Informationen errechnet werden. Solche Programme beruhen nicht nur auf rein theoretischen Grundlagen sondern sie greifen auch auf eine Vielzahl von Messdaten zurück, die in Experimenten und in früheren Atomtests gewonnen wurden. Im Laufe der Jahrzehnte sind in allen Atomwaffenstaaten die Simulationsprogramme perfektioniert worden. Zusammen mit hydrodynamischen Tests und Experimenten mit Einzelkomponenten spielen sie eine wichtige Rolle, auch bei der Entwicklung neuer Sprengköpfe.

Jeder subkritische Test kostet circa 20 Millionen US$ zuzüglich der Kosten für die Aufrechterhaltung des Atomtestgeländes in Nevada. Das gesamte Programm wird rund 60 Billionen US$ kosten. Das SSM-Programm soll die Fähigkeit aufrechterhalten, neue Atomwaffen zu entwerfen, zu entwickeln und herzustellen sowie alte zu modernisieren. Es hält die Testgelände in Bereitschaft, falls die USA den Atomteststoppvertrag kündigen würden und wieder große unterirdische Atomtests durchführten.

Hydrodynamischer Atomtests
Hierbei wird bei einem Sprengkopfprototyp das Spaltmaterial durch sogenanntes passives Material (Natururan oder abgereichertes Uran) ersetzt. Dann wird der Sprengkopf gezündet, wobei keine Kernenergie freigesetzt wird. Diese Tests sind im Atomwaffensperrvertrag für alle Staaten verboten, die diesen als atomwaffenfreie Staaten unterzeichnet haben, da ein Staat hiermit leicht und unerkannt seine erste Atomwaffe entwickeln kann. In allen Atomwaffenstaaten finden hydrodynamische Tests des existierenden Arsenals statt, um z.B. den Zündmechanismus zu überprüfen. Mit dieser Technik kann man allerdings auch neue Atomwaffen entwickeln. In Los Alamos in den USA wird zu diesem Zweck die DARHT-Anlage (Dual Axis Radiographic Hydrotest Facility) gebaut.

Trägheitseinschlussfusion (Laserfusion)

Hierbei wird eine kleine Kugel mit Fusionsmaterial, insbesondere ein Deuterium-Tritium-Gemisch, mit Hilfe von extrem intensiven Laserstrahlen komprimiert und aufgeheizt. Dabei können die Wasserstoffkerne fusionieren - ein Vorgang, der physikalisch der Explosion einer Wasserstoffbombe entspricht. Die Kernfusion mit dem Laser kann einer Explosion von einigen Kilogramm TNT entsprechen. Ziel dieser Versuche ist es, das physikalische Verhalten der Wasserstoffisotope während der Kernfusion zu untersuchen. Große Laseranlagen sollen in Frankreich (Megajoule, Bordeaux) und Amerika (National Ignition Facility, Livermore) gebaut werden.

Xanthe Hall
August 2000


Exemplare dieses Factsheets kann von der IPPNW-Geschäftsstelle abgerufen werden.

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Juliane Hauschulz
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Dr. med. Lars Pohlmeier
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