26.05.2009 Die letzten Monate waren von einer positiven Atmosphäre mit wesentlichen Fortschritten bei der atomaren Abrüstung und Nichtverbreitung geprägt. US-Präsident Obama erklärte in Prag eine atomwaffenfrei Welt zum Ziel. Doch am 25. Mai 2009 schockte Nordkorea die Welt einmal mehr mit seinem zweiten Atomtest, dem erneuten Bruch des internationalen Teststopps. Was will Nordkorea der Welt damit mitteilen? Was bezweckt dieser Test?
Die Demokratische Volksrepublik Nordkorea wurde 1948 in der sowjetischen Besatzungszone im Norden Koreas gegründet, während im von den Amerikanern besetzten Süden die Republik Korea entstand. Beide Koreas lehnten es ab, die Teilung ihres Landes zu akzeptieren. Kurz nach dem Abzug der Besatzungstruppen unternahm Nordkorea im Juni 1950 den Versuch, die Halbinsel gewaltsam wiederzuvereinigen. Südkorea erhielt Unterstützung von größtenteils amerikanischen UN-Truppen, drängte die nordkoreanischen Truppen zurück und überschritt im September 1950 die Grenze nach Nordkorea – ebenfalls mit dem Ziel, das Land militärisch zu einen. Dies führte zu einer massiven Militärintervention Chinas, das Nordkorea unterstützte. Damit war der innerkoreanische Krieg um die Wiedervereinigung der Landes zu einem internationalen Stellvertreterkrieg zwischen zwei ideologischen Blöcken geworden. Nach drei Jahren erbitterter Kämpfe endete der Krieg 1953 mit einem Waffenstillstandsabkommen.
Das Problem der Teilung blieb ungelöst. Die Situation heute ist im Grunde immer noch die gleiche wie in den 1950er Jahren. Zwar sind beide Koreas vom Großteil der Völker als Staaten anerkannt, und im September 1991 wurden beide souveräne Mitglieder der UN, gegenseitig erkennen sie sich aber nicht als souveräne Staaten an. Auch die USA und Japan lehnen eine Anerkennung Nordkoreas ab.
Nordkorea befürchtet eine Invasion durch die USA und Südkorea und baut deshalb seit 50 Jahren die Verteidigung des Landes aus. Trotz der schlechten wirtschaftlichen Situation im Land und trotz sehr begrenzter Ressourcen hat Nordkorea große Anstrengungen unternommen und schließlich erreicht, ein eigenes Nuklearpotential aufzubauen. Damit fühlt es sich wesentlich sicherer: nun kann es mögliche US-amerikanische Militäraktionen verhindern und den Koreakrieg zu seinen eigenen Bedingungen beenden.
Diese „letzte Rettung“ wird Nordkorea unter keinen Umständen aufgeben. Die Behandlung Nordkoreas als Schurkenstaat und ernsthafte Bedrohung für die internationale Sicherheit hat es eher noch dazu getrieben, sein Nuklearpotential aufzubauen. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Nordkorea diese Sicherheit ohne eine Veränderung der politischen Umstände aufgeben wird. Um einen Dominoeffekt hinsichtlich atomarer Weitergabe zu verhindern, wäre es also klug, Nordkorea entgegenzukommen: die Haltung des Westens gegenüber Nordkorea zu ändern, sein Sicherheitsbedürfnis angemessen zu berücksichtigen und es als souveränen Staat zu behandeln.
Nordkorea ist in einem Veränderungsprozess. Im Juli 2002 hat es wirtschaftliche Reformen durchgeführt und Elemente des freien Marktes erlaubt – wie China vor 20 Jahren. Internationaler Druck auf Nordkorea könnte dem Regime nun die Möglichkeit bieten, das nordkoreanische Volk wieder gegen den Rest der Welt zu verbünden: aus Sicht der Regierung werden sie von der amerikanischen und südkoreanischen Armee bedroht und befinden sich nach wie vor in einem gerechten Krieg der nationalen Befreiung. Mehr Druck und Sanktionen werden das Problem nicht lösen können. Ernsthafte Gespräche mit Nordkorea unter Berücksichtigung der Grundursachen des Problems sind die einzige Alternative.
Ein möglicher Ansatz zur Deeskalation auf der koreanischen Halbinsel wäre das Angebot der USA zu einem Dialog auf höchster Ebene auf Grundlage des Genfer Rahmenabkommens von 1994. Bei diesem Abkommen hatte Nordkorea die Einstellung der Wiederaufbereitung von Brennstäben unter der Bedingung zugesagt, dass die USA die Beziehungen normalisieren sowie zwei Leichtwasserreaktoren liefern. Durch die Bush-Administration ist die Lösung annulliert und die zweite Nuklear-Krise in 2002 ausgelöst worden. Ein erneutes Aufgreifen des Abkommens würde nicht nur das koreanische Problem lösen, sondern auch das internationale Abkommen zur Nicht-Weiterverbreitung stärken. Um aus dem jetzigen Teufelskreis auszubrechen braucht man beides: kühne Taten und mutige Entscheidungen! Andernfalls wird Nordkorea sein Nuklearpotential weiter ausbauen, ungeachtet der Meinung der anderen.
Dr. Mark Byung Moon Suh ist Politikwissenschaftler aus Südkorea. Er lebt in Berlin, reist regelmäßig nach Süd- und Nordkorea und ist Mitglied im Pugwash Council.
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