Aus IPPNW-Forum 96/05

Atomares Pulverfass Nordasien

Noch sind Alternativen möglich

1985 rang die Sowjetunion Nordkorea ab, den Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen. Die dafür versprochenen Leichtwasserreaktoren wurden jedoch ebenso wenig gebaut wie später die versprochenen zwei Leichtwasserreaktoren durch die USA. Nordkorea trieb daraufhin ein eigenes Atomprogramm voran und errichtete einen Fünf-Mega-Watt-Reaktor sowie eine Plutonium-Wiederaufbereitungsanlage in Yongbyon, etwa 100 Kilometer nördlich von Pyongyang. Nach diversen Täuschungsversuchen gegenüber den Kontrollbehörden der IAEA kündigte Nordkorea schließlich 1993 den NPT. Damals wurde durch die USA ein militärischer Präventivschlag diskutiert, aber zugunsten eines versöhnlicheren US-Kurses verworfen. Statt Krieg auf der koreanischen Halbinsel gab es 1994 eine Rahmenvereinbarung, die den Nordkoreanern im Gegenzug für die Aufgabe der militärischen Atomoptionen nun zwei zivile Atommeiler zusicherte. Doch auch diese wurden nie gebaut.

Gebaut und geforscht wurde jedoch weiter am nordkoreanischen Raketenprogramm. Die Entwicklung nordkoreanischer Raketentechnologie war unter dem Rahmenabkommen nicht verboten. Im August 1998 schoss Nordkorea die Rakete TAEPODONG über Japan hinweg Richtung Weltraum. Doch der Test war ein Fehlschlag und die neue TAEPEDONG 2-Rakete wurde bislang nicht getestet.

Im Jahr 2003 kündigte die nordkoreanische Regierung erneut den NPT und erklärte sich zu Beginn des Jahres 2005 zur Atommacht. Ob diese Behauptung der Realität entspricht, ob Nordkorea derzeit seine spaltbaren Materialien sowie seine vorhandene Raketentechnik zum Abschuss einer klassischen Atomwaffe benutzen könnte, bleibt fraglich.

Totalitäre Staaten wie Nordkorea sind zurecht mit großem Misstrauen zu betrachten. Aber im Wechsel um Friedens- und Kriegsrhetorik gilt eben auch: Die Kriegserfahrung der totalen Zerstörung der Heimat ist für viele Koreaner in Nord und Süd real. Sie haben erleben müssen, was den Deutschen erspart blieb: Ein Bürgerkrieg in Folge des Zweiten Weltkrieges auf dem Hintergrund der Blockkonfrontation. Der Koreakrieg: Von 1950 bis zum Waffenstillstandsabkommen am 27. Juli 1953 trieben zunächst die US-Amerikaner die Nordkoreaner bis an den äußeren Zipfel des Landes, an die chinesische Grenze. Mit Hilfe von 300.000 Mitgliedern chinesischer "Freiwilligen-Verbände" gelang Nordkorea der Rückschlag gegen Südkorea bis in den äußersten Süden, ehe sich die Frontlinie letztlich wieder am 38. Breitengrad einpendelte - wo sie schon vorher lag. Die Schreckensbilanz: Allein 300.000 tote nordkoreanische Soldaten, 400.000 getötet Zivilisten, Millionen Flüchtlinge, ein zu 75% zerstörtes Land. Die Mittel des US-Militärs: Erstmaliger US-Einsatz von Napalm, Hinweise auf den Einsatz biologischer Waffen.

Hinter allem gilt aber: Wie politische Entscheidungen in Nordkorea fallen, bleibt dem äußeren Betrachter verschlossen. Selbst langjährige Diplomaten in Nordkorea bekennen freimütig, nicht die geringste Ahnung zu haben, wie eigentlich politische Entscheidungen fallen. Wie gegensätzlich sich dies auswirkt, zeigen Meldungen, Nordkorea wolle bis Jahresende alle internationalen Hilfsorganisationen außer Landes haben. Zugleich erleben wir als IPPNW ein Interesse, nicht nur mit uns, sondern auch mit anderen Organisationen Kontakt aufzunehmen.

In den 6 Parteien-Gesprächen mit Nord- und Südkorea, China, Japan, Russland und den USA wird über Auswege aus der Krise verhandelt. Der Verhandlungsprozess ist mühsam, aber es gibt auch positive Entwicklungen. Nordkorea hat angeboten, wieder Mitglied des Atomwaffensperrvertrags zu werden - dies wäre ein wichtiges Signal. Auf dem Tisch sind auch eine atomaffenfreie Zone auf der Koreanischen Halbinsel. Derzeit sind 37.000 US-Soldaten in Südkorea stationiert, ihre Präsenz ist umstritten.

Aus IPPNW-Warte ist hier wichtig: Ländern, die keine Atomwaffen besitzen, muss verbindlich garantiert werden, dass sie nicht mit Massenvernichtungswaffen angegriffen werden. Wird diese Zusage durch die USA verweigert, wie derzeit der Fall, wird nicht nur Nordkorea weiter an solchen Waffen forschen. Vielleicht lässt sich doch noch die unglückliche Dynamik durchbrechen, dass es bei der Frage der Lösung der Energieprobleme von Nordkorea immer vor allem um den Zugang zur Atomenergie geht.

Wie sich die Verhandlungen auch auf die gesellschaftliche Entwicklung im Überwachungsstaat Nordkorea auswirken, vermag wohl niemand zu sagen. John Pastore, der derzeitige Präsident der IPPNW-USA, hat die Situation Nordkoreas folgendermaßen verglichen: "Nordkorea ist wie ein Tier, das in die Ecke gedrängt wird und dem man keinen Ausweg lässt. Das ist aber wahrscheinlich das Gefährlichste, was man machen kann." Wir befürchten, wenn die Lage eskaliert und Nordkorea Atomwaffen erstmalig testet, was bislang noch nicht erfolgt ist, würde Japan binnen kürzester Frist die nächste Atomacht werden. Noch sind Alternativen möglich.

Lars Pohlmeier/Stephan Kolb

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Abrüstungsreferentin
Expertin in Fragen zu Atomwaffen
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