IPPNW-Hintergrundpapier

Nordkorea und sein Atomwaffenprogramm

Atomwaffensperrvertrag in Gefahr

Nordkorea wurde 1985 unter internationalem Druck NPT-Vertragspartei, weil der US-Geheimdienst einen geheimgehaltenen gasgekühlten, graphitmoderierten Reaktor entdeckt hatte, der in der Lage war, Plutonium herzustellen. 1989 wurde die Vermutung lanciert, Nordkorea hätte eine Wiederaufarbeitungsanlage, in der es atomwaffenfähiges Plutonium herstelle. Es folgten Berichte, dass ein zweiter Graphitreaktor gebaut würde, um noch mehr Plutonium für ein Atomwaffenprogramm zu produzieren.

Dennoch weigerte sich die nordkoreanische Regierung bis 1992, eine vollständige Kontrolle durch die Atomenergiebehörde (IAEO) zu ermöglichen. Bei den nachfolgenden Inspektionen unter der Leitung von Hans Blix (der jetzige Chef der Inspekteure im Irak) stellte die IAEO fest, dass zwischen der von Nordkorea angegebenen Menge von wiederaufgearbeitetem Plutonium und ihren eigenen Messungen eine Diskrepanz bestand.

Nordkorea zeigte sich daraufhin immer weniger kooperativ und lehnte die Sonderinspektionen von zwei Atommüll-Anlagen ab, deren Existenz das Land der IAEO nicht angegeben hatte. Die IAEO vermutete, dass weiteres Plutonium für ein Atomwaffenprogramm wiederaufgearbeitet wurde, insgesamt über 20 Kilogramm - genug für drei kleine Sprengköpfe. Nach Aussage von Kang Myong Do, der behauptet der Schwiegersohn von Kang Sung San - Nordkoreas Premierminister - zu sein, hätte Nordkorea bereits 1994 fünf Atomsprengsätze gebaut und fünf weitere bauen wollen. Die US-Behörden glaubten ihm jedoch nicht and wiesen seine Aussagen als substanzlos zurück.

Nachdem keine Fortschritte mit den Inspektionen erzielt werden konnten und die Verhandlungen zwischen der IAEO und Nordkorea festgefahren waren, kündigte Nordkorea am 12. März 1993 zum ersten Mal seine Absicht an, aus dem Atomwaffensperrvertrag auszuscheiden. Die USA begannen daraufhin mit Nordkorea zu verhandeln, wonach die Kündigung "suspendiert" wurde - also blieb Nordkorea zwar vorerst Vertragspartei, wurde aber nicht kontrolliert. Damit erlangte Nordkorea einen Sonderstatus im Vertragswerk, dem kein anderes Land zugestanden wurde.

Spannungen zwischen den USA und Nordkorea über die Atomwaffenfrage führten zu einer Krise im Frühjahr 1994, die beinahe in einen Krieg mündete. Nicht alleine das Plutoniumprogramm bereitete den USA Sorgen, sondern auch das nordkoreanische Raketenprogramm. Nordkorea testete 1993 eine Rakete mit einer angeblichen Reichweite zwischen 1.000 bis zu 1.300 Kilometern.

Erst nach dem Tod von Staatschef Kim II Sung führten die Verhandlungen am 21. Oktober 1994 zu einem US-Nordkoreanischen Abkommen. Das Abkommen mit dem Titel "The Agreed Framework" belegt deutlich die Schwäche des Vertrages. Unter Artikel IV wurde versprochen, Nordkorea mit seinem Atomenergieprogramm behilflich zu sein, wenn es sich im Gegenzug verpflichte, das Atomwaffenprogramm einzustellen und Mitglied im NPT-Vertrag zu bleiben. Dafür sollten die USA Leichtwasserreaktoren liefern. Erst nach Beendigung dieses Projekts sollte Nordkorea alle IAEO-Inspektionen zulassen.

Doch die Geschichte lief dann ganz anders ab. An Stelle der USA sollte Südkorea die Lieferungen bis 2003 aufrecht erhalten und den Löwenanteil bezahlen, obwohl Nordkorea dies anfangs nicht wollte. Die USA wollten lediglich noch für einen minimalen Teil der Kosten aufkommen und Nordkorea mit Öl beliefern. Aber dann wollten die USA ihren Beitrag zu den Konstruktionskosten nicht mehr bezahlen. Die Konstruktion verzögerte sich und die Notwendigkeit von Inspektionen drängte. Doch der dafür in dem Abkommen vorgesehene Zeitpunkt war noch nicht erreicht.

Auch die politische Situation verschlechterte sich wieder. Die USA stempeln Nordkorea beständig als einen Schurkenstaat ab, der den Terrorismus unterstütze. Ökonomische Sanktionen unterbinden faktisch den Handel. Nordkorea sieht militärische Stärke als überlebenswichtig an. George W. Bush goss dann noch mehr Öl ins Feuer als er sagte, Nordkorea würde seinen Verpflichtungen nicht nachkommen. Seine Administration glaubte, dass Nordkorea bereits ein oder zwei Atomwaffen besitze und den Zeitpunkt für die Inspektionen nur hinaus schiebe. Die US-Strategie der Isolation und des Einkesselns - die USA haben über 37.000 Truppen in Südkorea, 40.000 in Japan, 132.000 in der Pazifischen Flotte - funktionierte nicht, weil trotz eines verhungernden Volkes und einer zusammengebrochenen Wirtschaft das nordkoreanische Regime noch lange Durchhaltekraft zeigte. Weitere Drohungen aus den USA, z.B. die Nennung von Nordkorea als ein Ziel für einen Atomwaffeneinsatz, bestärkte die Radikalen und eskalierte die Problematik. Eine nordkoreanische Führung, die in die Ecke gedrängt wird und nichts mehr zu verlieren hat, ist für die Welt sehr gefährlich.

So stellte sich Oktober 2002 heraus, dass Nordkorea ein geheim gehaltenes Programm für Urananreicherung hat. Die USA stellten daraufhin ihre Öl-Lieferungen ein. Im Dezember erklärte Nordkorea, den umstrittenen alten Reaktor wieder in Betrieb nehmen zu wollen, der aufgrund des Abkommens still gelegt worden war. Das Land habe keine andere Energiequelle mehr. Kurz vor Weihnachten begann Nordkorea zudem, die Überwachungskameras der IAEO zu entfernen. Am 10. Januar 2003 kündigte das Land an, aus dem NPT-Vertrag auszusteigen und beendete damit jegliche Kooperation mit der IAEO. Einen Tag später erklärte Nordkorea seine Absicht, seine Raketentests wiederaufzunehmen.

Unabhängig davon, ob Nordkorea tatsächlich Atomwaffen bauen oder nur seine Energieversorgung sichern will - Kim Jong Il nutzt den Vertrag aus, um günstige Öllieferungen und neue Atomreaktoren finanziert zu bekommen. Er drohte mit der Kündigung des Vertrages, um die USA zu Verhandlungen zu zwingen; ließ keine Inspektionen zu und betrieb sein Atomwaffenprogramm unbeirrt weiter. Bei der jüngsten Kündigung könnte es sich erneut um einen Erpressungsversuch handeln, weil das Land dringend Energie braucht. Schlimmer sind aber die Folgen für den NPT-Vertrag, wie ein weiterer Verlust des Vertrauens und mögliche weitere Kündigungen, z.B. durch Südkorea oder Japan. Das schlimmste Szenario aber wäre, dass die USA Nordkorea angreifen, was - obwohl eher unwahrscheinlich, weil dort ökonomisch nichts zu holen ist - aus geopolitischen Gründen aber auch nicht ganz auszuschließen ist, wenn die Bündnispartner der USA in der Region einverstanden sind. Die IAEO hat bereits erklärt, dass Nordkorea mit "schlimmen Folgen konfrontiert werden könnte, ähnlich wie der Irak", wenn es so weiter mache.

Vernünftig wäre, mit Nordkorea über seine Energie-Bedürfnissen zu reden und zwar ganz abgekoppelt von dem NPT-Vertrag und dem Atomwaffenprogramm des Landes. Auch mehr humanitäre Hilfe statt Sanktionen würde das Leid der Bevölkerung lindern. Das Angebot von Südkorea zu vermitteln ist viel versprechend, weil der neue Präsident Roh Moo-hyun den USA nicht so hörig ist wie sein Vorgänger.

Xanthe Hall, IPPNW
13. Januar 2003


Quellen
Albright, David: How much Plutonium does North Korea Have? In Bulletin of Atomic Scientists, September/October 1994

Albright, David & Higgins, Holly: North Korea: It's taking too long in Bulletin of Atomic Scientists, January/February 2002
Arms Control Association: Chronology of US-NorthKorean Nuclear and Missile Diplomacy, www.armscontrol.org/factsheets/dprkchron.asp

Bork, Henrik: Nordkorea will Atomprogramm reaktivieren in Süddeutsche Zeitung, 23.12.02
Federation of American Scientists: North Korea: Nuclear Weapons Program, www.fas.org/nuke/guide/drpk/nuke/index.html

International Institute for Strategic Studies: The Military Balance 2000/2001, Oxford University Press, London 2000

Kokoski, Richard: Technology and the Proliferation of Nuclear Weapons, Sipri/Oxford University Press, Stockholm 1995

Niksch, Larry A.: North Korea's Nuclear Weapons Program, Issue Brief for Congress, Congressional

Research Service, Updated October 9 and November 27 2002

Ross, Dennis: Don't Rule out Force in Washington Post, January 10 2003

Wright, David: Cut North Korea some Slack in Bulletin of Atomic Scientists, March/April 1999





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