Russland rüstet auf

Immer wieder hat Russlands Regierung in den letzten Jahren bekräftigt, dass die atomare Abschreckung und somit Kernwaffen auch weiterhin das entscheidende Element der russischen Sicherheit ist. Neue Impulse erhalten hat diese Überzeugung nun durch die Pläne der USA, in Polen, Tschechien und auch im Kaukasus ein Raketenabwehrsystem einzurichten. Die USA behaupten, dass sich die Raketenabwehr nicht gegen Angriffe aus Russland, sondern aus dem Iran, richte. Dennoch belasten diese Rüstungsvorhaben der USA das Verhältnis zwischen Russland und Amerika. Sie liefern aber auch ein Argument für Russland, den geplanten Ausbau des eigenen Rüstungsprogramms zu rechtfertigen. Beide Staaten gefährden mit ihren Rüstungsplänen das internationale Vertragssystem zur Waffenkontrolle. Besonders bedroht sind der INF-Vertrag und der KSE-Vertrag.

Derzeit wird über die Entwicklung einer fünften Generation des russischen Luftabwehrsystems beraten. Es soll auf Elementen der Systeme S-300 und S-400 basieren, dabei aber fortschrittliche Technologien einbeziehen und Luft-, Raketen- und Weltraumabwehr umfassen. Das erste Regiment mit dem S-400 Luft-Boden-Raketen-System soll Mitte dieses Jahres in der Region von Moskau in Dienst gehen.

Daneben soll die Anzahl der in Russland stationierten Topol-M Raketen (russ. RT-2UTTH, westl. Bezeichnung SS-27) Ende 2006 auf 48 angestiegen sein. Weitere 69 Topol-M sollen im Laufe des nächsten Jahrzehnts erworben werden, davon allein 17 in diesem Jahr. Die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti spricht sogar von insgesamt 200 Topol-M Raketen, über die Russland verfügen will. Die ballistische Interkontinentalrakete Topol-M wird laut Wladimir Putin das Rückgrat der russischen strategischen Nuklearkräfte des 21. Jahrhunderts bilden. Angeblich kann sie jede Raketenabwehr überwinden. Die Interkontinentalraketen aus sowjetischer Zeit werden fast alle zwischen 2012 und 2015 stillgelegt werden, da sie veraltet sind.

Außerdem will Russland auch Bulava Raketen (russ. 3M14, westl. Bezeichnung SS-NX-30) kaufen. Die Bulava entspricht der SS-27, wird aber anders als diese nicht von Silos oder Landfahrzeugen, sondern von U-Booten aus gestartet. Die bisherigen Tests der Bulava sind allerdings nicht wie geplant verlaufen, weshalb sich der Kauf dieser ballistischen Raketen und neuer Atom-U-Boote verzögern wird.

Auch auf anderen Gebieten der Rüstung wird Russland, dessen Rüstungsetat in den vergangenen Jahren stark angestiegen ist, vermehrt investieren: So gibt es Pläne, das Radar- und Frühwarnungssystem zu verbessern. Außerdem sollen auf dem Raketenstartplatz Plessezk in der Region Archangelsk Startrampen für Sojus-2 und Angara Raketen gebaut werden. Auch vier neue Satelliten sollen gekauft werden. Auf dem Gebiet der konventionellen Streitkräfte will Russland unter anderem 31 Schiffe, darunter auch Flugzeugträger erwerben.

Es gibt auch Erwägungen Russlands, angeblich als Reaktion auf die US-Raketenabwehrpläne, aus dem INF-Vertrag (Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty) von 1987 auszusteigen. Dies würde eine Wiederaufnahme der Produktion von Mittelstreckenraketen sowie ihre Wiederstationierung ermöglichen. Dabei könnte Russland einfach ältere bewährte Systeme, die durch den INF-Vertrag verboten worden waren, wieder herstellen. Russlands Verteidigungsminister Sergej Ivanow hatte im August 2006 seinen damaligen US-Kollegen Donald Rumsfeld darauf aufmerksam gemacht, dass ein russischer Rückzug aus dem INF-Vertrag nicht ohne Vorbild sei: Schließlich seien die USA 2002 aus dem ABM-Vertrag ausgestiegen. Dieses einseitige Austreten trägt weiter zur Erosion des Waffenkontrollsystems bei, welches auch durch das Auslaufen des START 1 Vertrages (Strategic Arms Reduction Talks 1 Treaty) im Jahr 2009 sowie die ausbleibende Ratifizierung der Anpassungen des KSE-Vertrages (Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa) gefährdet ist.

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Xanthe Hall

Abrüstungsreferentin
Expertin in Fragen zu Atomwaffen
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