1985

IPPNW-Chronik

In der Bundesrepublik war der Teufel los. Kohl fluchte. Heiner Geißler waltete seines Amtes als Exorzist: Eine Schande sei es, dass die Wahl diese fragwürdige Ärzteorganisation getroffen habe. Dies sei "eine Verwirrung der Begriffe und eine Desorientierung der Werte". Die IPPNW-Ärzte und ihre Preisverleiher seien gemeinsam Weltverschwörer gegen das christliche Abendland. Damit noch nicht genug. Den nächsten Friedensnobelpreis müssten die Bundeswehr und die Nato verleihen bekommen.
Horst-Eberhard Richter: "Nobelpreis 1985 an die Friedensärzte IPPNW - Bonner Rufmordkampagne" in "Wanderer zwischen den Fronten", Kiepenheuer und Witsch, Köln 2000.

Mai: Anläßlich des 40. Jahrestags des Kriegsende in Europa, ruft die IPPNW mit ihrem Memorandum zum 8. Mai in Erinnerung, welchen "unheilvollen Beitrag zahlreiche Vertreter der deutschen Medizin, Anthropologie und Biologie zur Förderung der menschen-verachtenden Politik des national-sozialistischen Regimes geleistet haben"

Juni/Juli: Der 5. Weltkongress der IPPNW "Medical Prescription of IPPNW: Kooperation statt Konfrontation" versammelt sich in Budapest/Ungarn. Er wird von 800 ÄrztInnen aus 60 Ländern besucht. Die internationale IPPNW hat nun 135.000 Mitglieder in 41 Sektionen. Das Konzept "Den Himmel für die Gesundheit nutzen" wird vorgestellt, das die Übertragungs-Technologien für medizinische Zwecke nutzbar machen soll. Neue Betonung wird auf der Beziehung zwischen Entwicklung und Abrüstung und die Notwendigkeit eines Atomteststopps gegeben. Es wird ein "Ärztliches Rezept" formuliert, das ein Atomtest-Moratorium fordert. Erstmals erscheint eine Ärztedelegation aus China. Herausgeber führender Fachzeitschriften wie The Lancet, British Medical Journal und New England Journal of Medicine nehmen teil. Willy Brandt hält einen Vortrag.

Juli: 35 ÄrztInnen aus Westdeutschland verbringen eine Woche in Leningrad. Sie reden mit vielen russischen KollegInnen aus dem Kardiologischen Institut und finden dort die gleiche Angst vor dem Ausbruch eines Atomkriegs.

Oktober:
Der IPPNW wird der Friedensnobelpreis zugesprochen. Die Auszeichnung gibt der Bewegung weltweit neuen Aufschwung; sie wächst in einigen Monaten um mehrere zahntausend auf über 150.000 ÄrztInnen in mehr als 50 Nationen. Nur die CDU-geführte Bundesregierung verurteilt die Entscheidung des Nobelkomitees, u.a. in Form einer persönlichen Diffamierungskampagne gegen Ko-Präsident Evgenij Chazov.

November: Der 5. Medizinische Kongress "Wir warnen vor dem Atomkrieg! Vierzig Jahre nach Hiroshima - Rüstungsstop! Abrüsten!" in Mainz zählt über 3000 TeilnehmerInnen, mit einer Fülle von Arbeitsgruppen (60) und eine Kundgebung in der Wiesbadener Innenstadt, die fast 2000 Kongress-TeilnehmerInnen zieht. Im Zentrum des Kongresses steht die Bemühung, 40 Jahre nach Hiroshima ein Rüstungsstopp zu erlangen, als Erstes ein Atomtest-Moratorium.

Das 1. europäisches Symposium der IPPNW findet in Brüssel mit Teilnahme von u.a. Prof. Joseph Rotblat statt.

Dezember: Die IPPNW erhält den Friedensnobelpreis in Oslo. Die Rede des Vorsitzenden des Norwegischen Nobel-Komitees, Egil Aarvik, anläßlich der Verleihung des Friedens-Nobelpreises enthält viele lobende Worte über die Ärzte-Organisation und ihre Arbeit. Dennoch sind nicht alle so begeistert von der Verleihung. Besonders in der deutschen Regierung ist die Empörung groß, dass eine "moskau-gesteuerte" Organisation so geehrt werden dürfte.

Die beiden Ko-Präsidenten, Prof. Dr. Bernard Lown/USA und Prof. Dr. Evgenij Chazov, treffen Michail Gorbatschov und fordern ihn auf, das einseitige nukleare Teststopp-Moratorium zu verlängern.

Michail Gorbatschov bekräftigt beim Gespräch mit Prof. Lown und Prof. Chazov, die Bereitschaft der Sowjetunion, das Atomtest-Moratorium über den 1. Januar hinaus zu verlängern. Bedingung sei, dass auch die USA sich zu

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