1995

IPPNW-Chronik

...im April 1995, begannen in New York die Verhandlungen über die Zukunft des "Atomwaffensperrvertrages" (Non-Proliferation Treaty). Dieser Vertrag hat die Ausbreitung von atomaren Massenvernichtungsmitteln vielleicht verlangsamen, nicht aber verhindern können...Insbesondere in den Ländern der Südhalbkügel galt das Abkommen seit jeher als eine Art neokolonialistischer Knebelvertrag...
Wahnwitz Atomkraft Vom Anfang in Berlin bis heute
Von Till Bastian, Hrsg: IPPNW, Berlin 1995

Nuclear Wastelands, die letzte und definitive Arbeit der IPPNW-Kommission, wird als das umfassendeste Fachbuch über die Gesundheits- und Umweltfolgen von fünfzig Jahre Atomwaffenherstellung veröffentlicht.

April/Mai: IPPNW fordert zusammen mit anderen Nichtregierungsorganisationen die sofortige Aufnahme von Verhandlungen über eine "Atomwaffenkonvention" (ein Abkommen über die Abschaffung aller Atomwaffen) von Delegierten bei der vierwöchigen Überprüfungs- und Verlängerungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags in New York. Sie veröffentlichen eine Erklärung (Abolition 2000 Statement), die innerhalb von einer Woche von 200 Organisationen unterzeichnet wird. Diese Erklärung hat inzwischen über 2000 Organisationen und Kommunen als Unterzeichner.

Eine große ärztliche Delegation besucht viele RegierungsvertreterInnen in den UN und diskutiert den Vorschlag, sowie die bestrittene Verlängerung des Vertrags. Während der New Yorker Konferenz fordern deutsche ÄrztInnen der IPPNW per Fax und Brief von den UN-VertreterInnen die Abschaffung und nicht nur die Nichtweiterverbreitung der Atomwaffen. Unser Erfolg: die meisten Staaten sprachen sich für die Abschaffung der Atomwaffen aus. Xanthe Hall hält eine Rede in Namen der internationalen IPPNW vor den Delegierten der Konferenz.

Mai: Der deutsche Ärztetag spricht sich auf Antrag der IPPNW für die Abschaffung der Atomwaffen aus: "Der 61. Deutsche Ärztetag rief 1961 in Garmisch-Partenkirchen zur Ächtung aller Massenvernichtungsmittel auf. In Anlehnung daran fordert der 98. Deutsche Ärztetag die politisch verantwortlichen Persönlichkeiten auf, weltweit alle Atomwaffen abzuschaffen.

August: 50 Jahre nach den Abwürfe der Atombombe auf Hiroshima und Nagasaki ist für die IPPNW ein herausragendes Datum. Sowohl durch die Anti-Atomtest- und Boykott-Aktionen als auch die vielen Veranstaltungen zum Hiroshima-Tag, erreicht die IPPNW viel Aufmerksamkeit in den Medien. Anläßlich des Jahrestags veröffentlicht die IPPNW "Wahnwitz Atomkraft. Von Anfang in Berlin bis Heute" von Till Bastian.

Dr. Till Bastian ruft für die deutsche IPPNW zum Boykott französischer Produkte in der Fernsehrunde "Talk im Turm" auf, um gegen die Atomtests im Südpazifik zu protestieren. Mehr als 22.000 Boykotterklärungen werden dem Aussenministerium in Paris überreicht.

Oktober: Projekt Weltgerichtshof: Die mündlichen Verhandlungen über die Fragen zur Völkerrechtsmäßigkeit von Atomwaffen beginnen beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Insgesamt haben 43 Staaten schriftliche Stellungnahmen eingereicht, davon plädieren etwa zwei Drittel auf Illegalität. 23 Staaten erläutern vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag ihre Haltung. Deutschland plädiert für eine Nichtbefassung mit der Frage. Hunderte von ÄrztInnen nehmen an einer Protestbriefaktion teil und fordern Abgeordnete auf, auf die Regierung einzuwirken, damit sie ihre Haltung ändert. Aus dieser Aktion entsteht eine kleine Anfrage und zwei Anträge im Bundestag.

Die "Canberra Commission" wird vom australischen Premierminister ins Leben gerufen, um konkrete Schritte zur vollständigen Abschaffung von Atomwaffen zu entwickeln.

November: IPPNW, IALANA und IPB veranstalten ein großes Seminar über die Konsequenzen verschiedener Entscheidungen des Gerichtshofs. Am 2. Tag wird das Netzwerk "Abolition 2000", ein globales Netzwerk für die Abschaffung aller Atomwaffen, gegründet.

Eine IPPNW-Sektion wird in China gegründet, sodass es jetzt eine Sektion in jedem Atomwaffenstaat gibt.

Der Siemens-Boykott, besonders im medizinischen Bereich, zeigt Wirkung. So berichtet die Presse, dass im Bereich Medizintechnik Siemens seine Umsatzverluste in der Schweiz zu 50% und in Deutschland zu 10% dem Boykott der IPPNW zurechnet.

Auf einer IPPNW-Veranstaltung stellt Prof. Horst Kuni erstmals die Ergebnisse einer Studie vor. Seine Untersuchungen belegen, dass die biologische Wirksamkeit der Neutronenstrahlung bei Castor-Transporten um das 30fache höher ist, als angenommen wurde. Die Ergebnisse werden in der Broschüre Gefährdung der Gesundheit durch Strahlung des CASTOR zusammengefasst. Die IPPNW stellt daraufhin Strafanzeige gegen die Bundesministerin für Umwelt Angela Merkel.

Die Anti-Landminen-Arbeit der IPPNW wird fortgesetzt. Das gemeinsame Pilotprojekt mit der UNHCR in Guatemala "Hilfe zur Selbsthilfe" konnte erfolgreich in die Hände der Freiwilligen Feuerwehr Guatemalas überführt werden. Die "Bomberos" sind allerdings auf die Bereitschaft der IPPNW angewiesen, weiterhin Hilfe und Unterstützung zu gewähren. Bei einem Landminen-Fachgespräch im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wurde dieses IPPNW-Projekt als beispielhaftes Pilot-Projekt gewürdigt. Die IPPNW gibt "Gute Mine zum bösen Spiel? Landminen made in Germany" heraus.

Bereits zum sechsten Mal seit 1990 besucht Professor Gottstein den Irak und liefert fünf Tonnen Medikamente an Kinderkliniken und Krankenhäuser. Von den Gesprächen mit irakischen Kollegen erfährt Prof. Gottstein, dass das Embargo gegen den Irak nicht die Regierenden schwäche. Im Gegenteil, die unschuldigen Kinder, Armen und Alten sind die Geiseln des Westens.

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