1996

IPPNW-Chronik

Meiner Meinung nach ist die Anwendung oder die Drohung der Anwendung von Kernwaffen unter jedweden Umständen illegal. Sie verletzt die Grundprinzipien des Völkerrechts und stellt eine direkte Negierung der humanitären Anliegen dar... Sie wiederspricht dem Grundprinzip der Würde und des Werts der menschlichen Person, auf dem das gesamte Recht beruht. Sie gefährdet die Umwelt in einer Weise, die das gesamte Leben auf dem Planeten bedroht." (Richter Weeramantry in seiner abweichenden Meinung zum Gutachten des Internationalen Gerichtshofes am 8. Juli 1996 aus: IALANA (Hrsg.) "Atomwaffen vor dem Internationalen Gerichtshof", LIT-Verlag, Münster 1997.)

Februar: Eine internationale IPPNW-Delegation mit deutscher Beteiligung spricht mit DiplomatInnen in Genf über den Fortgang der Atomteststopp-Verhandlungen.

April: Die IPPNW veranstaltet zum 10. Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe u.a. zwei große, internationale Kongresse. In Berlin arbeitet sie gemeinsam mit dem Otto-Hug-Strahleninstitut und in Bonn mit dem BUND, der Naturwissenschaftlerinitiative und Stiftungen. Dabei stellen WissenschaftlerInnen aktuelle Studienergebnisse zu den Folgen der radioaktiven Verseuchung in den betroffenen Regionen vor. Die Erinnerung an die verheerenden Spätfolgen des GAU mündet im "Bonner Manifest zum Ausstieg aus der Atomenergie", das die Grundsätze zum Ausstieg aus der Atomenergie für die IPPNW und ihre BündnispartnerInnen benennt.

Juli: Der Internationale Gerichtshof veröffentlicht sein Gutachten über die Völkerrechtsstatus der Atomwaffen. Er erklärt: Die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen sind generell völkerrechtswidrig. Dieser Richterspruch ist ein bedeutender Erfolg aller Organisationen, die das seit 1992 laufende Projekt Weltgerichtshof mitgetragen haben. Den Inhalt des Gutachtens vermittelt ein IPPNW-Bulletin schnell und in leicht verständlicher Form.

Der 12. Weltkongress wird in Worcester, MA/USA unter dem Motto "Peace Through Health: Agenda for the New Millenium" veranstaltet. Mehr als 450 ÄrztInnen aus über 50 Ländern versammeln und bestärken, dass die Kampagne "Abolition 2000" für die Abschaffung aller Atomwaffen das Kernstück der IPPNW-Arbeit ist. Zugleich tragen die Versammelten der erweiterten Agenda in den Bereichen Landminen, medizinische Ausbildungen für den Frieden, Kinder und Krieg und Schuldenkrise.

August: Die "Canberra Commission", eine Gruppe von 17 renommierten Experten, die von der australischer Regierung geladen wurde, präsentiert den Vereinten Nationen einen Bericht über Maßnahmen zur Abschaffung der Atomwaffen. Die Kommission nimmt "mit Zufriedenheit" die Antwort des Gerichtshofs auf die Anfrage der UN zum Rechtsstatus der Atomwaffen zur Kenntnis. Sie beruft sich auf die Erklärung des Gerichtshofes, daß es eine Verpflichtung gibt, "in gutem Vertrauen Verhandlungen durchzuführen und zu einem Abschluß zu bringen, die zur nuklearen Abrüstung in all ihren Aspekten unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle führen". IPPNW Ko-Präsident Dr. Ron McCoy von Malaysia ist Mitglied der Kommission, zusammen mit renommierten PolitikerInnen und AbrüstungsexpertInnen.

September: Auch im Kampf gegen Atomtests bringt das Jahr 1996 einen bemerkenswerten Erfolg: Nach jahrelange Lobbyarbeit, Protestaktionen, Briefe und Aktionen der IPPNW und vieler anderen Friedensorganisationen wird der Atomteststoppvertrag in der UN-Vollversammlung verabschiedet. Allerdings erfüllt das Abkommen nicht alle Erwartungen der Anti-Atom-Bewegung. So dürfen atomare Sprengungen im Computer simuliert, sogenannte subkritische Atomtests (Explosionen ohne Kettenreaktion) durchgeführt und Daten zur Weiterentwicklung von Atomwaffen gesammelt werden.

Am 18. Januar 1996 brennt in Lübeck ein Haus, in dem mehrere Flüchtlingsfamilien untergebracht waren. Zehn Menschen kommen ums Leben. Der Lübecker Bürgermeister Michael Bouteiller setzt sich persönlich und mit der Autorotät seines Amtes dafür ein, dass Hinterbliebene der Bestattung ihrer Angehörigen in den Heimatländern beiwohnen und anschließend ohne Nachteile für ihren aufenthaltsrechltlichen Status wieder in die Bundesrepublik einreisen können. Für sein beispielhaftes mitmenschliches Verhalten verleiht ihm die IPPNW am 24. September die Clara-Immerwahr-Auszeichnung.

Oktober: Den 50. Jahrestag der Anklageerhebung im Nürnberger Ärzteprozess nimmt die IPPNW zum Anlass, zum internationalen Kongress "Medizin und Gewissen" in Nürnberg einzuladen. Das Thema trifft den Nerv der Zeit. Entsprechend erfreulich ist die Resonanz; 165 ReferentInnen diskutieren mit über 1600 TeilnehmerInnen. Über 100 JournalistInnen berichten über das Ereignis.

November: Fast zwei Drittel von 145 Staaten unterstützen eine UN-Resolution für die baldige vertragliche Ächtung und Abschaffung der Atomwaffen. Deutschland stimmt mit der Minderheit dagegen. In der vom UN-Abrüstungsauschuss angenommenen Resolution wird auf das IGH-Urteil Bezug genommen. Die Resolution ist Ergebnis der Lobbyarbeit des Netzwerks "Abolition 2000", das die IPPNW mitbegründete.

Das Bundesstudierendentreffen in Bochum beschäftigt sich mit den Sachschwerpunkten Atomwaffen abschaffen und der zivilen Atomenergie-Nutzung. Ein kulturelles Highlight der Veranstaltung ist der Friedens-Märchenerzähler Hansjörg Ostermayer aus Tübingen, begleitet von Herman Kathan, Percussion.

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