Evgenij Chazov

Mitbegründer und ehem. internationaler Ko-Präsident, UdSSR

Kardiologe, Generaldirektor des nationalen Herz-Forschungs-Zentrums und der Akademie der medizinischen Wissenschaften der UdSSR, Mitbegründer der IPPNW, Ko-Präsident 1982-1987, ehem. Gesundheitsminister der UdSSR.

"...können wir Ärzte, die aufgerufen sind, Leben auf der Erde zu schützen, untätig daneben stehen, während Versuche unternommen werden, den menschlichen Selbsterhaltungstrieb zu unterdrücken und die Wahrheit über die wirklichen Gefahren eines Atomkrieges zu verheimlichen? Da gibt es nur eine Antwort: Nein, das können wir nicht."

Evgenij Chazov ist Mitbegründer der IPPNW und diente der Ärzte-Föderation als Ko-Präsident von 1983 bis 1987. In seinem Beruf wurde er in einigen hochrangigen Stellungen beschäftigt, einschließlich der Leitung des nationalen Herz-Forschungs-Zentrums und des Amtes als Gesundheitsminister der UdSSR.

Chazov studierte am Kiewer Medizinischen Institut. Ihm wurde einige Auszeichnungen verliehen: u.a. die Auszeichnung des Heldes der sozialistischen Arbeit, den Staatspreis (zweimal) und den Leniner Preis 1982. Er schrieb hunderte von Artikel und mehrere Bücher über Kardiologie.

Die langjährige Berufsbeziehung zwischen Evgenij Chazov und Bernard Lown, ein führender Kardiologe in den USA, war Basis für die Gründung der IPPNW 1980. Chazov spielte eine Schlüsselrolle bei der Moskauer Fernsehsendung, in der mehrere sowjetische und US-amerikanische ÄrztInnen die medizinischen Folgen eines Atomkrieges vor einem Millionen-Zuschauerpublikium sowjetischer BürgerInnen diskutierten. Die Sendung wurde auch in den USA ausgestrahlt.

Chazov wurde unter seinen KollegInnen in Russland sehr bewundert. Sein weitreichender Überblick über die meisten Bereiche der modernen Medizin, ein Riecher für fortschrittliche Entwicklungstendenzen in Therapie, medizinischer Technik und Pharmazie, quirlige Energie und organisatorische Kombinationsgaben haben ihn zu einer herausragenden Figur im sowjetischen Gesundheitswesen gemacht.

Chazovs beruflicher Aufstieg vollzog sich sehr schnell. Mit 36 übernahm er von seinem Schwiegervater die Leitung des "Instituts für Therapie", das später nationales Herz-Forschungs-Zentrum der UdSSR wurde. Bereits drei Jahre später übernahm er außerdem die sogenannte "4. Verwaltung" im Gesundheitsministerium, die allgemein "Kremljowka" heißt, weil ihr unter anderem die gesundheitliche Betreuung der sowjetischen Führung obliegt. Ihr Leiter erhält automatisch den Rang eines Vizeministers. In dieser Eigenschaft fiel Chazov dann auch die Rolle eines "Leibarztes" des damaligen Partei- und Staatschefs Breschnev zu, obwohl an der Therapie auch viele andere MedizinerInnen beteiligt waren. Chazov umgab Breschnev mit einem medizinischen Apparatur in- und außerhalb Moskaus, der dem schwer angeschlagenen Kremlführer wenigstens einen Teil seiner Führungs-Fähigkeiten sicherte. Der beeindruckte Breschnev ließ es an Ehrungen nicht fehlen. Chazov wurde 1979 Mitglied der Akademie der Wissenschaften, 1982 Vollmitglied des Zentral-Komitees der Partei, ab 1974 Abgeordneter des Obersten Sowjets.

Sein solides politisches Fundament bedeutete ein hohes Maß an Unabhängigkeit und Spielraum für Aktionsmöglichkeiten auf internationaler Bühne. Er entfaltete eine bis dahin beispielslose publizistische Aktivität bei der Aufklärung über die Gesundheitsfolgen eines Atomkrieges. Erstmals erfuhr das breite sowjetische Publikum durch ihn von den Schrecken des weltweiten "nuklearen Winters", von einem Atomkrieg und von der totalen Hilflosigkeit, mit der die MedizinerInnen aller Welt einem solchen Holocaust gegenüber stehen würden.

Das ihm von westlicher Seite seine Unterschrift unter eine akademische Protest-Resolution gegen den Atomphysiker Sacharov aus dem Jahre 1973 bei der Verleihung des Friedens-Nobelpreises an die IPPNW 1985 angelastet wurde, hat nicht nur Chazov überrascht. Erklärungen in späteren Jahren hatte er nicht unterschrieben. Damals galt die wissenschaftliche Ratio: sie sahen in einer langfristig angelegten Politik der Entspannung und Zusammenarbeit mit dem Westen auch eine unabdingbare Voraussetzung für innenpolitische Modernisierungen und Reformen und hielten das, was Sacharov monatelang in Zeitungs- und Fernseh-Interviews für die Amerikaner beisteuerte, für gefährlich und kontraproduktiv.

Die Auseinandersetzung über Chazovs Unterschrift und Äußerungen über Andrej Sacharov wurde von manchen zum Prüfstein gemacht, ob die IPPNW den Friedensnobelpreis verdient hatte oder nicht, besonders in Deutschland. Der damalige Generalsekretär der CDU Geißler stand an der Spitze einer Rufmord-Kampagne, in der behauptet wurde, Chazov habe sich an der Verfolgung Sacharovs beteiligt. Dabei erschien der Brief der Wissenschaftler sieben Jahre vor der Verbannung Sacharovs, an der Chazov keinen Einfluss hatte. Freilich war der Stil des Briefes bombastisch und die Wissenschaftler distanzierten sich von dem Atomphysiker öffentlich, dennoch waren keine Aufforderungen zu Maßnahmen gegen Sacharov enthalten.

Beim IPPNW-Weltkongress in Moskau 1987 trat Chazov als Ko-Präsident der Ärzteorganisation zurück, weil er Gesundheitsminister der UdSSR wurde.

Nachruf Evgenij Chazov (PDF)

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