Entscheidung am 23. Juni 2021

Autonome (atomare) Waffensysteme stoppen!

Deutschland und Frankreich treiben das FCAS voran

Am 23. Juni 2021 soll der Haushaltsausschuss des Bundestages über die weitere Finanzierung der Entwicklung des Future Combat Air Systems (FCAS) abstimmen. FCAS besteht aus einem neuartigen Kampfjet mit Tarnkappen-Technologie, begleitenden Drohnenschwärmen und einer Vernetzung durch eine „Gefechts-Cloud“ – wie Netzpolitik schreibt. FCAS wird von Frankreich, Spanien und Deutschland gemeinsam entwickelt. Alleine die Entwicklungskosten werden auf über 100 Milliarden Euro geschätzt, die Gesamtkosten könnten sich auf 500 Milliarden Euro belaufen.

Laut einem öffentlichen Dokument des französischen Parlaments soll FCAS „sowohl die französische(n) Atomwaffe(n) als auch die von Deutschland implementierte(n) NATO-Atomwaffe(n) tragen“ können. Deutschland, Frankreich und Spanien wollen sich mit FCAS eine Vorreiterrolle in der autonomen Kriegsführung sichern. „Das militärische Ziel ist es, über eine Kampfüberlegenheit in der Luft auch den Krieg an Land und auf dem Meer zu gewinnen“, schreibt Lühr Henken von der Informationsstelle Militarisierung.

Vor dem Hintergrund eines drohenden Wettrüstens im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI), wie es die Entwicklung des FCAS skizziert, ist davon auszugehen, dass es letztlich notwendig zu einem System mit autonomen Waffen weiterentwickelt wird. Es liegt in der Logik dieser Waffen, die längere Reaktionszeit des Menschen durch die kürzere der künstlichen Intelligenz zu ersetzen. Unter Umständen wird die Umwandlung zu autonomen Waffen durch das einfache Auswechseln der Software möglich sein.

„Der Einstieg in diese Technologie führt auf eine schiefe Ebene, an deren Ende Computer und nicht mehr Menschen über den Waffeneinsatz, Leben und Tod entscheiden“, so Dr. Jakob Foerster, der zur Künstlichen Schwarmintelligenz forscht. Zunehmende Automatisierung bis hin zur Autonomie von Waffensystemen könnte im Rahmen einer Eskalationsspirale unkontrollierbar in einen sogenannten „Flash War“ führen, heißt es im Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu Technikfolgenabschätzung Autonomer Waffensysteme vom 21. Oktober 2020. Im Kalten Krieg gab es wiederholt nukleare Fehlalarme, die nur durch menschliches Überlegen und Entscheiden aufgedeckt wurden, so dass die atomare Katastrophe ausblieb. Zum Beispiel meldete 1983 ein Satellit des russischen Frühwarnsystems fünf angreifende Interkontinentalraketen. Der diensthabende russische Offizier Stanislaw Petrow hielt einen Angriff der Amerikaner mit nur fünfRaketen aber für unwahrscheinlich und entschied, dass es sich um einen Fehlalarm handeln müsste. Für die Entscheidung, den Alarm nicht weiterzuleiten, ist Petrow als „der Mann, der die Welt gerettet hat“, bekannt und vielfach ausgezeichnet worden, u.a. mit dem World Citizen Award der UN.

Der Einstieg in die Entwicklung des FCAS soll zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die Welt mit den Folgen der Corona-Pandemie und der Klimakatastrophe zu kämpfen hat. Internationale Zusammenarbeit und Solidarität sind das Gebot der Stunde. Die für das FCAS veranschlagten Milliarden brauchen wir dringend für eine ökologisch-soziale Transformation. Stattdessen wird erwogen, angesichts der immensen Entwicklungskosten von über 100 Milliarden Euro, diese nicht aus dem Verteidigungsetat, sondern „über einen anderen Topf zu finanzieren“ (Reinhard Brandl, Mitglied im Verteidigungs- und Haushaltsausschuss des Bundestages). Die Gesamtkosten des Waffensystems werden so hoch sein, dass diese nach einem Dokument des französischen Senats nur durch Rüstungsexporte gedeckt werden können.

Zu FCAS wird gelegentlich mit dem Hinweis argumentiert, dass der Tornado veraltet sei und ersetzt werden müsse. FCAS ist aber mehr als nur ein neuartiger Kampfjet, nämlich ein mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz betriebenes System, das auch Atomwaffen tragen soll und von Drohnen-Schwärmen begleitet wird. FCAS ist nach Worten des Luftwaffeninspekteurs „das größte europäische Rüstungsprojekt überhaupt“.


Nach dem schon erwähnten französischen Senatsbericht wird FCAS „das gesamte Verteidigungsinstrument auf europäischer Ebene strukturieren“, und zwar für den Zeitraum des geplanten Einsatzes von 2040 bis wahrscheinlich 2080. Es soll ein „Rotes Team“ aus „Science-Fiction-Autor*innen oder Zukunftsforscher*innen gebildet“ werden, um die Anpassungsfähigkeit von FCAS an „neue und unvorhersehbare“ Szenarien zu überprüfen. Katastrophenszenarien werden so ein Wettrüsten antreiben, das diese Szenarien im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung bestätigen wird. Im Bericht zur Technikfolgenabschätzung Autonomer Waffensysteme (Bundestagsdrucksache 19/23672 vom 21.10.20) wird ausgeführt, dass durch potente autonome Waffensysteme auch das strategische Gleichgewicht zwischen den Atomwaffenstaaten massiv infragegestellt und dadurch nukleare Abrüstung unmöglich gemacht werden könnte.

„Es wäre vorstellbar, dass sehr potente autonome Waffensysteme (AWS) zukünftig als konventionelle Erstschlagwaffen zur Zerstörung gegnerischer Nuklearwaffenarsenale eingesetzt werden könnten, die mögliche Ziele (Raketensilos oder mit Nuklearwaffen bestückte U-Boote) selbstständig aufklären, in deren Nähe unentdeckt verweilen und auf Befehl koordiniert diese Ziele angreifen und zerstören. AWS könnten auch als Trägerplattformen für Atomwaffen verwendet werden, beispielsweise in Form von autonomen Unterwasserfahrzeugen. Diese könnten schneller, überraschender und koordinierter als bisherige Trägersysteme zuschlagen und vorhandene Verteidigungsmaßnahmen aushebeln. Eine solche Nutzung von AWS würde die strategische Stabilität massiv infrage stellen. Dies wiederum könnte weitere nukleare Abrüstung unmöglich machen und eine Ära nuklearer Modernisierung oder gar nuklearer Aufrüstung einläuten“, schreiben die Autoren Reinhard Grünwald und Christoph Kehl.
Im Fazit des Berichts heißt es: „Derzeit existiert ein Fenster von Möglichkeiten, um mit einem international abgestimmten, zielgerichteten Vorgehen die möglichen Gefahren einzuhegen, die AWS mit sich bringen könnten. Dieses Fenster schließt sich sukzessive mit fortschreitender technologischer Entwicklung und der kontinuierlichen Integration autonomer Funktionen in Waffensysteme aller Art.“ Es erscheine „dringend geboten, diese Herausforderung unverzüglich anzugehen und Lösungen zu entwickeln.

Ralph Urban und Ute Rippel-Lau sind Mitglieder des IPPNW-Vorstandes.

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