15.11.2022 Die freie Meinungsäußerung ist in der europäischen Menschenrechtskonvention garantiert. Wie könne es sein, so fragt der ehemalige Präsident der Akademie der Künste Klaus Staeck, dass eine ukrainische Behörde darüber befinde, was in deutschen Medien gesagt und geschrieben werden dürfe? So geschehen im Juli 2022, als der Fraktionsvorsitzende der SPD, Rolf Mützenich, auf einer „schwarzen Liste“ der staatlichen ukrainischen Behörde „Zentrum für die Bekämpfung von Desinformation“ namentlich und mit Foto gelistet wurde. Ihm wird vorgeworfen, sich “für einen Waffenstillstand eingesetzt zu haben, sowie für die Möglichkeit, über lokale Waffenruhen auch in weitere diplomatische Schritte zu gehen… Es bleibt dabei: (…) die meisten Kriege sind am Ende nicht auf dem Schlachtfeld beendet worden.“ Seitdem ist er Anfeindungen und Drohungen ausgesetzt.
Die IPPNW leitet das Verständnis für das humanitäre Leid der Ukrainer*innen: Das Eintreten für einen Waffenstillstand und gegen die Eskalationsspirale im Ukraine-Krieg bedeutet Handeln im Sinne von Friedenslogik. Die ukrainische Bevölkerung zu unterstützen bedeutet, Wege aufzuzeigen, wie dieser Krieg schnell beendet werden kann. Verhandlungen und Überlegungen für eine neue Sicherheitsstruktur in Europa sind eine wesentliche Grundlage dafür.
Die IPPNW unterstützt Rolf Mützenich als friedenspolitische Organisation in seiner Haltung und in seinem Bemühen um eine diplomatische Lösung. Rolf Mützenich und die IPPNW verbindet auch schon in der Vergangenheit der Einsatz für Frieden und Abrüstung und die Notwendigkeit einer Abkehr von der nuklearen Abschreckung. Immer wieder hat er die nukleare Teilhabe als überholtes Konzept in Frage gestellt und eine Wiederaufnahme von Abrüstungsverhandlungen gefordert.
Das „Zentrum für Desinformationsbekämpfung“ wurde im März 2021 per Erlass eingerichtet und als Behörde direkt Präsident Selenskyj unterstellt. Seit Juli 2022 sind dort insgesamt mehr als 70 Personen gelistet. Ihnen wird vorgeworfen, „russische Narrative“ zu verbreiten,. Der Leiter des Zentrums, Andriy Shapovalov, bezeichnete am 14. Juli 2022 anlässlich eines Runden Tisches, an dem auch Beamte des US-Außenministeriums teilnahmen, die auf der Liste genannten Personen als „Informationsterroristen“, die damit rechnen müssten, als Kriegsverbrecher verfolgt werden zu können. Kiew dementierte daraufhin, eine „Terrorliste“ zu führen. Inzwischen hat die Behörde die Liste off-line geschaltet, im Archiv kann sie aber noch eingesehen werden.
Ende September 2022 stellte die Fraktion DIE LINKE eine kleine Anfrage zum „Ukrainischen Zentrum zur Bekämpfung von Desinformation“ an den Bundestag (Drucksache 20/ 3696). Die meisten Fragen wurden wegen der gebotenen Vertraulichkeit nicht beantwortet oder es hieß, es lägen keine Informationen vor.
Wir sind erstaunt über die spärliche Information durch die Medien und die Tatsache, dass sich weder die Parteiführung, noch der Bundeskanzler oder der Bundespräsident öffentlich schützend vor Rolf Mützenich stellt. Wir sind zudem besorgt über die Verrohung der Debattenkultur, die aus unserer Sicht inakzeptabel ist. Wir wehren uns entschieden gegen alle Versuche der Einschüchterung und der Einschränkung der freien Meinungsäußerung.
Die IPPNW steht an der Seite derjenigen, die sich im Interesse der ukrainischen Zivilbevölkerung und der Weltbevölkerung für einen Waffenstillstand und Frieden in der Ukraine einsetzen. Wir wünschen Herrn Mützenich, dass er weiterhin so standhaft und mutig für den Frieden eintritt.
Weiterführende Links:
dserver.bundestag.de/btd/20/036/2003669.pdf
www.rolfmuetzenich.de/publikation/nukleare-teilhabe-ueberholtes-konzept
www.rolfmuetzenich.de/publikation/deutschland-nukleare-teilhabe
www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Waffenstillstand_und_Frieden_Ukrainekonflikt.pdf
zurück