IPPNW-Pressemitteilung vom 08. Januar 2024

IPPNW fordert erneut Waffenstillstand und Friedensverhandlungen

Lieferung weiterer Waffen birgt Eskalation zu einem NATO-Russland-Krieg

Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW nimmt die aktuelle Kritik von Alt-Bundespräsident Joachim Gauck an Bundeskanzler Olaf Scholz zum Anlass, von der Bundesregierung erneut eine Initiative zu fordern, auf eine Verhandlungslösung im Krieg zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine zu drängen und einen Waffenstillstand zu ermöglichen. Der frühere Bundespräsident hat in der Bild am Sonntag den Bundeskanzler wegen dessen "Zögern" bei der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine kritisiert.

Die IPPNW verurteilt die zuletzt verstärkten russischen Luftangriffe mit zahlreichen Toten. Aufgrund dieser Angriffe hatte Polens Außenminister Radoslaw Sikorski gefordert, Kiew Raketen mit größerer Reichweite zu liefern. Politiker*innen von CDU/CSU, FDP und Grünen griffen diese Forderung auf und forderten die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an Kiew.

„Wir brauchen in Deutschland keine Diskussionen um Taurus-Lieferungen, sondern eine ehrliche Debatte über Wege, den Krieg zu beenden. Dafür liegen zahlreiche diplomatische Vorschläge auf dem Tisch“, so IPPNW-Vorstandsmitglied Ralph Urban. So hätten beispielsweise im August 2023 Peter Brandt, Hajo Funke, General a. D. Harald Kujat und Horst Teltschik einen detaillierten Verhandlungsvorschlag veröffentlicht. Danach soll der UN-Sicherheitsrat in einer ersten Phase gemäß Artikel 24 Absatz 1 der UN-Charta einen Zeit- und Ablaufplan für einen Waffenstillstand und für Verhandlungen zur Beendigung des Ukrainekrieges beschließen. In einer zweiten Phase könne es Friedensverhandlungen unter dem Vorsitz des UN-Generalsekretärs und/oder des Hohen Kommissars der UN für Frieden und Sicherheit in der Ukraine in Genf geben.

Auch Anatol Lieven vom Quincy Institute for Responsible Statecraft in Washington hält seit dem Scheitern der ukrainischen Offensive einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen für die Ukraine für immer dringlicher. Laut der New York Times vom 23. Dezember 2023 hat Präsident Putin zudem mindest seit September 2023 über Mittelsmänner signalisiert, dass er für einen Waffenstillstand offen ist, der die Kämpfe entlang der gegenwärtigen Linien einfriere. Zudem habe er sein Ziel aufgegeben, einen Regierungswechsel in der Ukraine zu erreichen.

Im Krieg zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine ist ein Patt eingetreten, darüber herrscht unter westlichen Experten weitgehend Konsens, selbst der Oberkommandierende der ukrainischen Streitkräfte, General Walerij Saluschnij, spricht von einem Patt wie im ersten Weltkrieg. In den USA wird eine offene Debatte darüber geführt, dass jede Verlängerung des Krieges zu unnötigem Leid und Tod führen und die Gefahr erhöhen würde, dass der Krieg zu einem Russland-Nato-Krieg eskalieren könnte. Die ukrainische Regierung solle motiviert werden, einen Waffenstillstand auszuhandeln und gleichzeitig den militärischen Schwerpunkt von der Offensive zur Defensive verlagern. Heftiger Widerspruch kommt vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seinem Umfeld. Ein Sieg sei weiter möglich, dazu seien aber Waffen mit größerer Reichweite erforderlich.

Vor diesem Hintergrund erscheinen die Forderungen, Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, als Versuch, trotz der beschriebenen Gefahren zur Fortsetzung des Krieges beizutragen, bis die Ukraine gemäß der Vorgabe ihres Präsidenten alle verlorenen Territorien einschließlich der Krim zurückgewonnen hätte. Der Marschflugkörper Taurus hat eine Reichweite von über 500 Kilometer, mit der er in russisches Gebiet eindringen könnte. Attacken mit westlichen Waffen auf russisches Kerngebiet bergen allerdings die Gefahr, dass die NATO Kriegspartei wird.

Weitere Informationen finden Sie im IPPNW-Papier „Waffenstillstand und Friedensverhandlungen für die Ukraine“

Den Verhandlungsvorschlag von Peter Brandt, Hajo Funke, General a. D. Harald Kujat und Horst Teltschik finden Sie hier.

Kontakt: Angelika Wilmen, IPPNW-Friedensreferentin, Mail: wilmen[at]ippnw.de, Tel: 030-69807413

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Ansprechpartnerin

Angelika Wilmen

Angelika Wilmen
Referentin für Friedenspolitik
Tel. 030 / 698074 - 13
Email: wilmen[at]ippnw.de

Materialien

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