Presseinformation vom 19.05.04

Ärztliche Stellungnahme zur Folter

UN-Übereinkommen strikt einhalten!

Berlin- Im UN-"Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe" vom 10.12.1984 heißt es in Artikel 2, Abs. 2: "Außergewöhnliche Umstände gleich welcher Art, sei es Krieg oder Kriegsgefahr, innenpolitische Instabilität oder ein sonstiger öffentlicher Notstand, dürfen nicht als Rechtfertigung für Folter geltend gemacht werden."

Die aktuellen Versuche, das Folterverbot angesichts des "Krieges gegen den Terror" zu relativieren oder Folter sogar zu rechtfertigen (in den USA Rumsfeld, Bush, Cheney; in Deutschland Wolfssohn), können nicht hingenommen werden.

Die IPPNW fordert, das UN-Übereinkommen ohne irgendwelche Einschränkungen strikt einzuhalten. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung gelingt es Folterern im allgemeinen nicht, mit ihren sadistischen "Verhörmethoden" relevante Informationen zu erhalten.

Folter zielt vielmehr darauf ab, den Willen, die Selbstachtung, die Persönlichkeit des Opfers zu zerbrechen. Das soziale Umfeld des Gefangenen soll in Angst und Schrecken versetzt, das Netzwerk der oppositionellen Bewegung zerschlagen werden.


Folterer wollen ihre Opfer erniedrigen, sie ihrer Menschenwürde berauben. Folter zerstört auf perfide Art den Menschen als Sozialwesen, ohne ihn zu töten. Folter schlägt seelische Wunden, die lebens-lang nicht verheilen. Folter erzeugt Entsetzen, Scham, Schuld- und Ohnmachtgefühl, Wut, Hass, Angst, Rachegedanken. Nach der Befreiung empfindet sich der Gefolterte als geschädigt, er ist unsicher und misstrauisch, schreckhaft und schlaflos. Er durchlebt die furchtbaren Ereignisse immer wie-der, fühlt sich ständig bedroht und in Gefahr, kann seine Emotionen nicht kontrollieren, sieht keinen Sinn mehr im Leben, grübelt, zieht sich zurück, zerbricht. Kurz: "Ein Gefolterter wird nicht mehr heimisch in dieser Welt." (Amery)

Nicht nur der Gefolterte selbst leidet lebenslang unter diesem "Beschädigtsein", sondern auch seine Familie, insbesondere die Kinder. Diese werden durch widersprüchliche, unkontrollierte und hilflose Reaktionen der Eltern verwirrt; es kann zur Rollenumkehr kommen ("Kinder werden Eltern ihrer Eltern"), zu Entfremdung und Hass. Diese Folterfolgen werden oft über mehrere Generationen weiter gegeben.

Rehabilitation von Folteropfern verlangt eine jahrelange intensive Therapie, die ein hohes Maß an Geduld, Einfühlungsvermögen und Stresstoleranz voraussetzt. Ohne ein schützendes, sicheres Um-feld ist jede Therapie aussichtslos. In Deutschland gibt es 22 Zentren, in denen professionelle Hilfe möglich ist.

Rehabilitation von Folteropfern stellt einen wichtigen Beitrag zur Überwindung von Gewalt, ein Stück Friedensarbeit dar.

Im Irak und in Afghanistan ist eine angemessene Behandlung von Folteropfern z.Z. völlig undenkbar. Erst wenn die Besatzungstruppen, die Folter zulassen oder sogar anordnen, die Länder verlassen haben, wird sich die Situation allmählich verbessern können.


Pressekontakt:
Dr. Jens-Peter Steffen, 030 - 698 074 - 13

Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW),
Körtestr. 10, 10967 Berlin, Tel.: 030-698074-0, Fax: 030-6938166,
E-Mail: ippnw@ippnw.de



Hintergrundinformation:

Die Genfer Konventionen

Grundgedanke der Genfer Konventionen und des humanitären Völkerrechts ist der Schutz für all diejenigen Menschen, die nicht oder nicht mehr aktiv an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligt sind. Damit unterscheiden sie sich von den Menschenrechten, die immer ihre Gültigkeit haben. In allen vier Genfer Abkommen vom 12.8.1949 heißt es: "Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen, einschließlich der Mitglieder der Streitkräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die durch Krankheit, Verwundung, oder Gefangennahme oder irgendeine andere Ursache außer Kampf gesetzt sind, werden unter allen Umständen mit Menschlichkeit, behandelt, ohne jede auf Rasse, Farbe, Religion oder Glauben, Geschlecht, Geburt oder Vermögen oder auf irgendeinem anderen ähnlichen Unterscheidungsmerkmal beruhende Benachteiligung." Im dritten Genfer Abkommen, das die Behandlung von Kriegsgefangenen regelt, heißt es: "die gefangen genommenen Soldaten stehen unter dem Gewahrsam des feindlichen Landes, das alles dafür tun muss, um den Soldaten trotz ihrer Gefangenschaft ein menschliches Leben zu ermöglichen." Und: "Sie dürfen nicht misshandelt oder verstümmelt werden...Verboten sind ferner Einschüchterungen und Beleidigungen sowie Vergeltungsmaßnahmen. Auch sind die Gefangenen vor öffentlicher Neugier, zum Beispiel 'Zurschaustellen' zu schützen." In Bezug auf die Verhörpraktiken heißt es: "Bei der Befragung von Gefangenen darf kein Zwang auf sie ausgeübt werden, und körperliche oder seelische Folterungen dabei sind ebenfalls ausdrücklich verboten." In Zusatzprotokollen wurde der Schutz der Konventionen auf Mitglieder milizartiger Verbände und kriegerische Auseinandersetzungen ohne internationalen Charakter wie etwa Bürgerkriege ausgeweitet.


zurück

Ansprechpartnerin

Angelika Wilmen

Angelika Wilmen
Referentin für Friedenspolitik
Tel. 030 / 698074 - 13
Email: wilmen[at]ippnw.de

Materialien


Irak - Humanitäre Hilfe statt Waffen
pdf Datei | Im Shop bestellen

Navigation