IPPNW-Pressemitteilung vom 20. März 2024

IPPNW fordert Mut zum Verhandeln

Regierungserklärung des Bundeskanzlers und EU-Gipfeltreffen in Brüssel

EU-Gipfeltreffen in Brüssel

Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW begrüßt den Aufruf des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich, darüber nachzudenken, „wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann" und fordert die Bundesregierung und Abgeordneten auf, sich mit seinen Vorschlägen inhaltlich auseinander zu setzen. Mützenich spricht sich für lokale Waffenruhen und humanitäre Feuerpausen aus, die überführt werden könnten in eine beständige Abwesenheit militärischer Gewalt, was die Zustimmung beider Kriegsparteien benötige.

Schwerpunkt des Gipfeltreffens der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel ist die militärische Unterstützung der Ukraine und eine Strategie für die europäische Verteidigungsindustrie. Die Bundesregierung hat gestern bei einem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein eine weitere Unterstützung der Ukraine in Höhe von 500 Millionen Euro angekündigt. Die Friedensnobelpreisträgerorganisation warnt erneut davor, ausschließlich auf eine militärische Lösung des Konfliktes zu setzen. Mit jedem Tag, den der Krieg dauert, steige die Gefahr einer Ausweitung des Krieges bis hin zum Atomkrieg.

Dass diese Befürchtungen ernst zu nehmen sind, zeigt ein Bericht der „New York Times“ vom 9. März 2024. Danach soll die US-Regierung im Herbst 2022 mit einem russischen Einsatz von Atomwaffen gerechnet haben. Als die ukrainischen Streitkräfte während ihrer Gegenoffensive im Osten des Landes die russische Armee in die Enge getrieben haben, hätte Russland zu jener Zeit ernsthaft in Erwägung gezogen, Atomwaffen in der Ukraine einzusetzen. Laut der New York Times stammen diese Informationen u.a. aus abgefangener, streng vertraulicher Kommunikation. Sollte die Ukraine versuchen, die Krim zurückzuerobern, steige die Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes von Atomwaffen durch Russland nach Einschätzung der CIA „auf 50 Prozent oder sogar noch höher“, heißt es in dem Artikel.

„Es ist höchste Zeit für ein Umdenken. Die Parlamentarier müssen darüber nachdenken und diskutieren, wie der Teufelskreis der Kriegslogik durchbrochen werden kann und ein Einstieg in erste vertrauensbildende Maßnahmen und eine Deeskalation im Sinne der Friedenslogik gelingt,“ erklärt die IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen.

Der Ukrainekrieg hat laut Zählungen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte bis zum 31. Januar 2024 knapp 11.000 zivile Todesopfer in der Ukraine gefordert. Hunderttausende russische und ukrainische Soldaten sind gefallen oder schwer verletzt. Unzählige der Millionen vertriebenen Menschen leiden an körperlichen und psychischen Schäden, die noch lange nachwirken werden, wenn die eigentlichen Kampfhandlungen längst beendet sind.

In den USA wird seit 2022 eine öffentliche Debatte darüber geführt, dass eine Fortsetzung des Krieges zu unnötigem Leid und Tod sowie einem erhöhten Eskalationsrisiko führen würde. Vertreter konservativer, militärnaher Think Tanks zeichnen den Weg zu vertrauensbildenden Maßnahmen vor. Alle Parteien sollten Schritte unternehmen, um die Möglichkeit künftiger Gespräche zu schaffen und Offenheit für eventuelle Verhandlungen signalisieren.

Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine ist nach übereinstimmender Einschätzung von zahlreichen Expert*innen für keine der Kriegsparteien mit militärischen Mitteln zu gewinnen und hat sich zu einem brutalen Abnutzungskrieg entwickelt. Die IPPNW sieht angesichts der Möglichkeiten eines langen, blutigen Krieges und ständiger Eskalationsrisiken einen Waffenstillstand und darauf aufbauende Friedensverhandlungen weiterhin als einzig sinnvollen Ausgang des Krieges an.

„Friedensfähig ist nur, wer über die Kriegslogiken hinausdenkt und diplomatische Optionen entwickelt, Gewaltkonflikte zumindest einzufrieren, um sie mittel- bis langfristig zu lösen.“ (Friedensgutachten 2022, S. 12)

IPPNW-Papier „Waffenstillstand und Frieden für die Ukraine“



Pressekontakt:
Frederic Jage-Bowler, IPPNW-Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:
jagebowler[at]ippnw.de, Tel. 030-698074-15

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Ansprechpartnerin

Angelika Wilmen

Angelika Wilmen
Referentin für Friedenspolitik
Tel. 030 / 698074 - 13
Email: wilmen[at]ippnw.de

Hintergrundinformationen

Ärzt*innen warnen vor dem Atomkrieg
Papier über die humanitären Folgen eines Atomkrieges sowie eines kon­ventionellen Krieges in der Ukraine. PDF Download | Im Shop bestellen

Waffenstillstand und Frieden für die Ukraine
IPPNW-Papier: Überblick über bestehende Vorschläge und mögliche Schritte, den Krieg in der Ukraine durch Diplomatie statt durch Waffen zu beenden, 6. überarbeitete Auflage, Feb. 2024

Erklärungen der IPPNW
Hamburger Erklärung: Im Sturm den Friedenskurs halten (2022) | Download
Resolution: Am IPPNW-Friedenskurs festhalten (2023) | Download

"Schmutzige Bombe"
IPPNW-Information zu radiologischen Dispersionwaffen

Hyperschallkriege
Recherche von Ralph Urban zum neuen Wettrüsten mit Hyperschallwaffen (Forum 169/2022)

Risiko eines Atomkriegs aus Versehen
Mehr unter: atomkrieg-aus-versehen.de

Vertragsentwürfe zu Sicherheitsgarantien
Das russische Außenministerium hat am 17. Dezember 2021 Vertragsentwürfe für gegenseitige Sicherheitsgarantien zwischen Russland und der NATO sowie zwischen Russland und den USA vorgelegt. Das Ostinstitut Wismar hat die russischen Vertragsentwürfe in einer inoffiziellen deutschen Übersetzung veröffentlich. Die Antwort der NATO an Russland wurde bisher nicht veröffentlicht.

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Reden von IPPNW-Mitgliedern*:

23.02.2024 Dr. Lars Pohlmeier, Berlin
10.04.2023 Ute Rippel-Lau, Hamburg
10.04.2023 Dr. Inga Blum, Hamburg
10.04.2023 Matthias Jochheim, Frankfurt
09.04.2023 Werner Strahl, Essen
08.04.2023 Ralf Urban, Wedel
08.04.2023 Odette Klepper, Düren
08.04.2023 Siegfried Lauinger, Kiel
08.04.2023 Angelika Claußen, Bielefeld
08.04.2023 Dr. Helmut Lohrer, Freudenstadt
01.10.2022 Ralph Urban, Hamburg
01.10.2022 Christoph Krämer, Berlin
01.10.2022 Matthias Jochheim, Frankfurt
01.10.2022 Dr. Helmut Lohrer, Stuttgart
18.04.2022 Dr. Elisabeth Heyn, Nürnberg
17.04.2022 Ernst-Ludwig Iskenius, Neuruppin
13.03.2022 Dr. Lars Pohlmeier, Berlin | Youtube
13.03.2022 Dr. Inga Blum
13.03.2022 Ralph Urban
04.03.2022 Dr. Sabine Farrouh, Offenbach
27.02.2022 Dr. Lars Pohlmeier, Berlin
26.02.2022 Ute Rippel-Lau, Hamburg

* Die Redebeiträge sind persönliche Texte der Redner*innen und spiegeln nicht unbedingt die Meinung der IPPNW bzw. des Vorstandes der IPPNW wider.

Fotos von der Kundgebung Atomkrieg verhindern in Hamburg

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