IPPNW-Pressemitteilung vom 5. März 2024

IPPNW lehnt Lieferung von „Taurus“ in die Ukraine ab

Debatte um Marschflugkörper nach Abhöraffäre

Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW bekräftigt ihr Nein zu der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine und fordert erneut Waffenstillstandsverhandlungen statt immer neuer Diskussionen um Waffen. Der „Taurus“ hat eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern, mit der er tief in russisches Gebiet bis nach Moskau eindringen kann. In dem Leak geht es um konkrete Überlegungen von Bundeswehroffizieren, ob und wie die Krim-Brücke zerstört werden kann. Und es geht um die Verschleierung der Beteiligung deutscher Soldaten, falls es zur „Taurus“-Lieferung kommen sollte. Angriffe mit westlichen Waffen auf russisches Kerngebiet bedeuten das Risiko, dass die NATO in dem Konflikt Kriegspartei wird. Es gibt also gute Gründe für Bundeskanzler Olaf Scholz, bei seiner klaren Ablehnung zu bleiben, „Taurus“ an die Ukraine zu liefern.

Auch die Regierung der USA hat sich bisher geweigert, entsprechend weitreichende Waffensysteme zu liefern. In Deutschland dagegen wird diese gefährliche Diskussion um „Taurus“ weiter und mit zunehmender Schärfe geführt. Der ehemalige CIA-Analyst George Beebe und der Eurasien-Experte Anatol Lieven weisen darauf hin, dass russische Hardliner inzwischen öffentlich die Frage stellen, wie lange Putin die massive Aufrüstung der Ukraine durch die NATO tolerieren wird, ohne direkte Vergeltungsmaßnahmen gegen NATO-Länder zu ergreifen.

„Wir warnen vor einer Eskalation hin zu einem Atomkrieg. Nicht zuletzt müssen deutsche Politiker*innen berücksichtigen, dass Deutschland in zwei Weltkriegen Russland bzw. die Sowjetunion, zu der zu diesem Zeitpunkt auch die Ukrainische Sowjetrepublik gehörte, angegriffen hat. Statt immer neue Diskussionen über Waffensysteme brauchen wir Debatten über kollektive Sicherheitsstrukturen, Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie die Stärkung der UN“, erklärt IPPNW-Vorstandsmitglied Ralph Urban.

Laut Beebe und Lieven entwickelt sich die militärische Lage in der Ukraine nicht zu einem stabilen Patt, vielmehr zeige die ukrainische Niederlage bei Awdijiwka, wie sehr sich das Kräfteverhältnis zu Gunsten Russlands verschoben habe. Ein Zusammenbruch der erschöpften und waffenmäßig unterlegenen ukrainischen Armee erscheine eine reale Möglichkeit.

Daher ist eine diplomatische Lösung umso dringlicher. Laut der Studie „Verhandlungen über ein Ende des Krieges in der Ukraine“ des Schweizer Think Tanks Inclusive Peace zeigen vergleichende Untersuchungen, dass Verhandlungen der häufigste Weg sind, um Kriege zwischen Staaten zu beenden: Knapp 70 Prozent der zwischenstaatlichen Kriege, die zwischen 1800 und 1980 geführt wurden, endeten durch Verhandlungen. Kämpfen und Verhandeln würden sich dabei nicht ausschließen. Dass Verhandlungen mit Putin möglich sind, zeigen auf der einen Seite die fortlaufenden Verhandlungen zum Gefangenenaustausch, auf der anderen Seite die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland im April 2022. Das Istanbuler Abkommen enthielt u.a. die Neutralität der Ukraine und einen Verzicht auf den NATO-Beitritt. Laut Wolfgang Richter, ehemaliger Leitender Militärberater in den deutschen UN- und OSZE-Vertretungen und derzeit Fellow am Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik, erschien ein Kompromissfrieden in Reichweite und Russland habe auf Maximalforderungen verzichtet. Nach Aussagen ukrainischer Verhandlungsteilnehmer*innen hätten jedoch sowohl die massive Einflussnahme westlicher Regierungsvertreter*innen als auch der Widerstand der nationalen Opposition gegen jegliche Zugeständnisse an Russland die ukrainische Führung zum Verhandlungsabbruch bewegt.




Weitere Informationen:
IPPNW-Waffenstillstandspapier
IPPNW begrüßt klare Haltung des Bundeskanzlers, IPPNW-Pressemitteilung vom 28. Februar 2024
Programmbeschwerde zum Video von ZDF un.logo! „Kein Taurus für die Ukraine?“



Pressekontakt:
Frederic Jage-Bowler, IPPNW-Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:
jagebowler[at]ippnw.de, Tel. 030-698074-15

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Ansprechpartnerin

Angelika Wilmen

Angelika Wilmen
Referentin für Friedenspolitik
Tel. 030 / 698074 - 13
Email: wilmen[at]ippnw.de

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Das russische Außenministerium hat am 17. Dezember 2021 Vertragsentwürfe für gegenseitige Sicherheitsgarantien zwischen Russland und der NATO sowie zwischen Russland und den USA vorgelegt. Das Ostinstitut Wismar hat die russischen Vertragsentwürfe in einer inoffiziellen deutschen Übersetzung veröffentlich. Die Antwort der NATO an Russland wurde bisher nicht veröffentlicht.

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Reden von IPPNW-Mitgliedern*:

23.02.2024 Dr. Lars Pohlmeier, Berlin
10.04.2023 Ute Rippel-Lau, Hamburg
10.04.2023 Dr. Inga Blum, Hamburg
10.04.2023 Matthias Jochheim, Frankfurt
09.04.2023 Werner Strahl, Essen
08.04.2023 Ralf Urban, Wedel
08.04.2023 Odette Klepper, Düren
08.04.2023 Siegfried Lauinger, Kiel
08.04.2023 Angelika Claußen, Bielefeld
08.04.2023 Dr. Helmut Lohrer, Freudenstadt
01.10.2022 Ralph Urban, Hamburg
01.10.2022 Christoph Krämer, Berlin
01.10.2022 Matthias Jochheim, Frankfurt
01.10.2022 Dr. Helmut Lohrer, Stuttgart
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13.03.2022 Dr. Lars Pohlmeier, Berlin | Youtube
13.03.2022 Dr. Inga Blum
13.03.2022 Ralph Urban
04.03.2022 Dr. Sabine Farrouh, Offenbach
27.02.2022 Dr. Lars Pohlmeier, Berlin
26.02.2022 Ute Rippel-Lau, Hamburg

* Die Redebeiträge sind persönliche Texte der Redner*innen und spiegeln nicht unbedingt die Meinung der IPPNW bzw. des Vorstandes der IPPNW wider.

Fotos von der Kundgebung Atomkrieg verhindern in Hamburg

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