IPPNW-Hintergrundpapier, August 2001

Einsatz in Mazedonien ablehnen!

IPPNW stärkt Abgeordneten den Rücken

Die IPPNW lehnt einen Einsatz aus grundsätzlichen Erwägungen ab und befürchtet als Folge der anstehenden Entscheidung eine Festigung der Militarisierung deutscher Außenpolitik. Kritische Stimmen sind jetzt besonders wichtig, da die Zusage, der NATO-Krieg gegen Jugoslawien ohne VN-Mandat bliebe eine Ausnahme, vergessen scheint.

Die IPPNW sieht im NATO-Vertrag keine rechtliche Grundlage für ihren Einsatz in Mazedonien und hält zudem die Entsendung deutscher Soldaten für nicht vereinbar mit dem Grundgesetz. Die NATO sieht keine anderen Formen von Militäreinsätzen als zu Zwecken der Verteidigung vor, weswegen sie sich nicht selbst zu dem Einsatz "Essential Harvest" mandatieren kann. Erfolgt der Einsatz der Soldaten aber nicht nach den Regeln eines "akzeptierten Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit", dann verstößt ihr Einsatz gegen das Grundgesetz und dessen Deutung nach dem "Out of Area-Urteil" vom 12. Juli 1994. Alleine der Sicherheitsrat kann laut Charta der VN die NATO beauftragen.

Über die juristischen Bedenken hinaus kümmern die IPPNW die politischen Folgen des anstehenden Entscheids. Für einen Soldateneinsatz gibt es keine Notwendigkeit und zudem wird er sich für die Entwicklung in Mazedonien und für die internationale Sicherheitspolitik als äußerst konfliktträchtig zeigen. Die IPPNW bedauert, dass die Politik der Bundesregierung einen Beitrag zur weiteren Schwächung der VN und der OSZE leistet. Anstatt den VN die Befähigung zu internationaler Krisenprävention als weltumspannender Einrichtung des Interessensaustausches auf rechtlicher Grundlage zu ermöglichen, beteiligt sich Deutschland daran, die NATO als Interessensvertretung einiger mächtiger Staaten zunehmend an ihre Stelle zu setzen.

Eine Entwaffnung der Separatisten muss und kann von anderen Kräften als Soldaten der NATO durchgeführt werden. Der Einsatz adäquater Mittel zivilgesellschaftlicher internationaler Prävention wäre ein wichtiger Beitrag für ein multiethnisches Mazedonien auf dem Weg nach Europa. Die Bereitstellung zivilgesellschaftlicher Kräfte belegt zugleich die notwendige Distanz zu der widersprüchlichen Politik der USA gegenüber den albanischen Extremisten und der Souveränität Mazedoniens.

Es sollte jedem klar sein: Die Entscheidung nur als eine der Entsendung von Soldaten zum 30-tägigen Waffensammeln zu sehen, verkürzt das Problem. Ein Ja zementiert Deutschland in ein USA-gelenktes Bündnis, von dem andere Länder in Zukunft befürchten müssen, außerhalb konfliktregelnder internationaler Zusammenschlüsse, belangt zu werden. Mit Rückblick auf die Entscheidung zum Waffengang der NATO gegen Jugoslawien fordert die IPPNW die vollständige Aufklärung des Parlaments und der Öffentlichkeit über alle Bedingungen und mögliche Perspektiven der Entwicklung in Mazedonien und der gesamten Region. Nur ein gleicher Wissensstand der Parlamentarier mit der Bundesregierung ermöglicht dem Souverän die volle demokratische Kontrolle über zentrale Anliegen deutscher Politik.

Die IPPNW lehnt Gewalt grundsätzlich ab, es gibt auch keine Rechtfertigung für Gegengewalt. Eine Gewaltspirale bessert nicht, was grundsätzlich falsch ist - sie verschlimmert nur die Lage. Seit jeher fordern wir eine präventive Politik, die den Einsatz von Gewalt politisch nicht honoriert. Leider ist aber zu konstatieren, dass oftmals erst der Einsatz von Gewalt zu Reaktionen der internationalen Gemeinschaft führt. Die IPPNW appelliert an alle Beteiligten, jede Chance zu einem friedlichen Ausgleich der Interessen zu ergreifen und zu verstehen, dass allein darin Lösung und Zukunft liegen. Es liegt besonders in der Verantwortung der Europäer, der Region des ehemaligen Bundesstaates Jugoslawien eine Entwicklungsperspektive zu bieten, die den Menschen eine vertrauenswürdige wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Zukunft bieten.

Berlin, 15. August 2001

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