Pristina, 1.- 3. Juli 2011

IPPNW-Symposium junger Mediziner des westlichen Balkans

12.09.2011 Landeanflug auf Pristina. Die hohe Zahl an Passagieren im Säuglings- und Kleinkindalter ist unüberhörbar. Keine Frage, Kosovo gehört zu den jüngsten Staaten der Welt, und das in zweierlei Hinsicht: Am 17. Februar 2011 feierte man den dritten Jahrestag der Unabhängigkeit und das Durchschnittsalter der Bevölkerung liegt bei 26,3 Jahren – in Deutschland sind es etwa 42 Jahre.

Mit den jungen Einwohnern, niedrigen Steuern und drahtlosem Internetzugang an allen Ecken wird in der Eingangshalle des Flughafens um ausländische Investoren geworben. Nach Belgrad und zuletzt Skopje ist in diesem Jahr die Hauptstadt des Kosovo der Ort, an dem junge Mediziner aus den Ländern des westlichen Balkans mit langjährig aktiven IPPNW-Ärzten und Studierenden aus Deutschland und Österreich zusammenkommen, um sich über das Prinzip einer Medizin in sozialer Verantwortung in ihrer Region auszutauschen.

Kein leichtes Unterfangen, bestätigt eine Studentin aus Pristina, was man schon an der geringen Zahl studentischer Teilnehmer aus dem Kosovo in der gut zwanzigköpfigen Runde feststellen könne: Von ihren Kommilitonen sei niemand bereit gewesen, sich am Treffen zu beteiligen. Es herrsche eine Scheuklappenmentalität, zudem gebe es in Pristina bereits sehr viele Nichtregierungsorganisationen, der Markt der Möglichkeiten zur Mitarbeit sei gesättigt.

Bei einer morgendlichen Vortragsrunde, dem Mittagessen am Batlava Lake, bei Eis und Kaffee am Nachmittag schwebt Pioniergeist in der Luft. In Mazedonien besteht seit letztem Jahr eine Sektion der IPPNW, die sich „Physicians for Peace and Social Responsibility“ nennt. Im Kosovo laufen die Vorbereitungen für eine Registrierung im Central Office der IPPNW, während die serbischen Ärzte mit bürokratischen Schwierigkeiten staatlicherseits zu kämpfen haben. Kleine Fortschritte, pragmatisch ertragene Rückschläge und viel Begeisterung.

Später am Abend ändert sich die Stimmung in den Gesprächen. Die Studierenden und Berufsanfänger äußern sich selbstironisch bis sarkastisch über ihre Lage, Lachen und Seufzen auf einmal. Sie leiden unter der hohen Arbeits- und dementsprechenden Perspektivlosigkeit, sind hin- und hergerissen zwischen der Bedeutung familiärer Traditionen und Auslandsaufenthalten in Europa, zwischen amerikanischen Charts und albanischer Folklore. Unter die Freude über die Unabhängigkeit des Kosovo mischt sich Enttäuschung. Ohne Vermittlung durch Drittstaaten sei man kaum zu Verhandlungen wie etwa um die Grenzabkommen mit Serbien fähig.

Völlig selbstverständlich wechseln die Sprachen, in denen sich die Studierenden und jungen Ärzte aus Mazedonien, Serbien und Kosovo untereinander austauschen. In dieser Runde kaum vorstellbar, dass die ersten Teilnehmer am Würzburger Famulaturprojekt enorme Schwierigkeiten hatten, den über Jahre geschürten Hass zu überwinden: Fünf bis sechs Medizinstudenten aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawien famulieren seit 1995 einen Monat lang in der Missionsärztlichen Klinik und leben in dieser Zeit gemeinsam in deren Gästehaus. Der Fokus des Programms habe sich verändert, so die betreuende Oberärztin Dr. Renate Geiser. Habe anfänglich die Überwindung von Berührungsängsten im Vordergrund gestanden, gehe es heute verstärkt darum, Rollenmodelle für friedenspolitisches Engagement als Arzt kennenzulernen oder über Korruption in der Medizin zu diskutieren.

Welche Rolle sollte die deutsche IPPNW auf dem Balkan spielen? Im Dialog Interesse an medizinischer Friedensarbeit wecken und nicht den Fehler begehen, die eigene Thematik ungefiltert überzustülpen, lautet der Tenor. Ehemalige Teilnehmer des Würzburger Famulaturprojekts oder von famulieren & engagieren könnten den Kontakt zu den neuen Sektionen der IPPNW über die jährlichen Treffen hinaus am Leben erhalten. Kontinuierliche Vernetzung als wichtiger Baustein für Frieden, Versöhnung und eine Medizin in sozialer Verantwortung!

Ursula Völker ist Ärztin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Vorstandsmitglied der IPPNW. Sie bedankt sich an dieser Stelle für das unermüdliche Engagement aller Beteiligten, besonders bei Prof. Ulrich Gottstein für die Ermunterung zu ihrer ersten Balkanreise und Ilirjana Bajraktari, der diesjährigen Gastgeberin.

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