IPPNW-Pressemitteilung vom 28.2.2013

Sanktionen sind ein langsames Gift, keine Medizin

Nach den Verhandlungen über iranisches Atomprogramm

28.02.2013 Die deutsche Sektion der IPPNW appelliert nach den Verhandlungen in Kasachstan über das iranische Atomprogramm an Außenminister Guido Westerwelle, sich für eine Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran stark zu machen. Sanktionen sind kontraproduktiv für eine Lösung des Irankonflikts, denn sie treffen hauptsächlich die Zivilbevölkerung. Erfahrungen mit den Sanktionen gegen den Irak lehren zudem, dass sie Teil einer Eskalationsspirale sind, die in einen Krieg münden kann. Die IPPNW fordert stattdessen schon seit Langem einen Stopp des Rüstungsexports in die Region sowie Verhandlungen über eine Zone frei von Massenvernichtungswaffen im Nahen und Mittleren Osten.

„Sanktionen sind weder in politischer noch in gesellschaftlicher Hinsicht eine Heilung versprechende Medizin, sondern eher ein langsames Gift. Die laut US-Präsident Obama härtesten Sanktionen, die je in der Geschichte auferlegt wurden, treffen die einfachen Menschen in Iran und nicht etwa das Regime. Die Zivilbevölkerung leidet massiv unter den Folgen, der Humus der Zivilgesellschaft wird langsam aber sicher ausgetrocknet. Somit wächst der Machtvorsprung des Staates gegenüber zivilgesellschaftlicher Widerstandskraft“, kritisiert der deutsch-iranische Politologe Ali Fathollah-Nejad. Wie auch zunehmend in den USA zugegeben werde, sei diese Druck- und Drohpolitik gegen Iran gescheitert.

Im Fall des Irak entschied sich der UNO-Sicherheitsrat „umfassende“ Sanktionen einzuführen. Das Öl-für-Nahrungsmittel der UNO sollte die Bevölkerung vor Schaden schützen. Nach 6,5 Jahren dieses sogenannten humanitären Programms (1996-2003) wurden humanitäre Güter im Werte von $ 28 Milliarden ins Land gebracht. Dies sind 51 Cent pro Person/pro Tag. Das Resultat war eine hohe Kindersterblichkeit, tiefe Armut sowie ein zerbrochenes Sozial- und Bildungs-system. „Dass für den Iran 'gezielte' Sanktionen eingeführt wurden, ist eine große Unwahrheit“, erklärt der ehemalige UN-Koordinator für humanitäre Hilfe Irak Hans von Sponeck. Das Finanzsystem zu sanktionieren heiße, auch die anderen Sektoren zu sanktionieren. Die verheerende Versorgungslage, z.B. im medizinischen Sektor, führe im Iran zu einer ähnlichen Entwicklung wie seinerzeit im Irak mit dem Unterschied, dass der Iran keine humanitäre Hilfe der Vereinten Nationen zugesprochen bekommen hat.

Im Iran fehlen beispielsweise lokal wirkende Immunsuppressiva für Augenoperationen und Impfstoffe gegen Pneumonien. Diese Erfahrung machte der IPPNW-Vorsitzende Matthias Jochheim als Teilnehmer einer IPPNW-Delegation nach Teheran im November letzten Jahres: „Die chronisch kranken Opfer des Giftgaseinsatzes der irakischen Armee im ersten Golfkrieg 1980 bis 1988, Opfer eines völkerrechtswidrigen Vorgehens, das durch Lieferungen deutscher Firmen mit ermöglicht wurde, erhalten nun nicht mehr die dringend erforderlichen Medikamente zur Behandlung ihrer Lungen- und Augenhornhaut-Schäden. Denn die Blockade der Finanztransfers mit dem Iran verhindert deren Lieferung“, so Jochheim. Die deutsche Sektion der IPPNW versucht nun, die Lieferung der benötigten Medikamente in den Iran durch Vermittlung zwischen den beteiligten Akteuren in Deutschland zu ermöglichen.

Bei einem Angriff der atomaren Anlagen im Iran muss nach Angaben von Experten mit massiven radioaktiven Kontaminationen und einer hohen Zahl ziviler Opfer gerechnet werden. Dies hatte 2012 die US-amerikanische Studie „The Ayatollah’s Nuclear Gamble - The human cost of military strikes against iran’s nuclear facilities“ der Hinckley Institut an der Universität Utah ergeben.

Sie finden die Zusammenfassung der Studie unter http://nucleargamble.org/wordpress/wp-content/uploads/2012/09/Executive-Summary.pdf

Kontakt: Angelika Wilmen, Pressesprecherin der IPPNW, Tel. 030-69 80 74-15, Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), Körtestr. 10, 10967 Berlin, www.ippnw.de, Email: wilmen[at]ippnw.de

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