IPPNW-Pressemitteilung vom 13. Dezember 2021

Die Bedrohungspolitik durch eine Verständigungspolitik ersetzen

10. Todestag von Horst-Eberhard Richter am 19. Dezember

Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW erinnert anlässlich des 10. Todestages ihres Gründungsmitglieds Horst-Eberhard Richter an sein geistiges Vermächtnis, die Krankheit „Friedlosigkeit“ zu überwinden. Der Psychoanalytiker und ehemalige Direktor des Sigmund-Freud-Institutes, der am 28. April 1923 in Berlin geboren wurde, sah ärztliches Verhalten immer politisch. Die prinzipielle Verpflichtung aller Ärzt*innen sei es, Leben zu schützen und nicht politische Systeme.

Für Richter musste Medizin im Sinne ihrer lebenserhaltenden Aufgabe pazifistisch sein. Kriege waren für ihn keine Naturereignisse und keine der menschlichen Existenz inhärente Konstante. Er bestritt die Behauptung, der Mensch sei von Natur aus aggressiv. Im Gegensatz zum Tier sei er in der Lage, seine aggressiven Impulse in sozial unschädliche Bahnen zu lenken. „Wie viele andere Gruppen der Friedensbewegung wollen wir praktisch einen umfassenden Prozess der gesellschaftlichen Militarisierung stören, wo wir als Ärzte in seine Mechanismen eingeschaltet sind“, erklärte er.

In seinem autobiographischen Buch "Wanderer zwischen den Fronten" beschrieb Richter sein Ziel bei der IPPNW: "Im Unterschied zu anderen IPPNW-Ärzten, die vor allem mit den Mitteln der medizinischen Aufklärung über die verheerende Wirkung der Nuklearwaffen gegen die Rüstungspolitik protestierten, widmete ich mich in den eigenen Reden mehr der psychologischen Aufgabe, die Bedrohungs- durch eine Verständigungspolitik zu ersetzen. Der Wille der Menschen, über die Grenzen hinweg friedlich zu kooperieren, sei ebenso zu fördern, wie man anerkennen müsse, dass die Angst vor der horrenden Zerstörungsgewalt der nuklearen Arsenale nichts mit Feigheit oder Mangel an Verteidigungsbereitschaft zu tun habe, sondern eine gesunde Signal-Reaktion gegenüber der Strategie des atomaren Wahnsinns darstelle."

1981 war Richter mit seinem Buch „Alle redeten vom Frieden“ zu einer der Leitfiguren der Friedensbewegung geworden. 1982 gründete er die westdeutsche Sektion der Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges. Er verfasste die berühmte "Frankfurter Erklärung", die es Ärzt*innen möglich machen sollte, sich öffentlich per Unterschrift dazu zu bekennen, „sich jeglicher kriegsmedizinischen Schulung und Fortbildung zu verweigern“.

Sein friedenspolitisches Engagement auf internationaler Ebene brachte Richter 1987 in Kontakt mit einer Arbeitsgruppe unter der Schirmherrschaft von Michail Gorbatschow. Zu ihr gehörten unter anderem der russische Atomwissenschaftler und Menschenrechtler Andrej Sacharow, Ex-US-Verteidigungsminister Robert McNamara und der Gründer von Greenpeace, David McTaggart. Eins der Projekte, die diese Gruppe ins Leben rief, setzte Richter an seiner Klinik um: Es ging um eine psychologische Untersuchung, in der 1.400 Studierende der Justus-Liebig-Universität Gießen und 1.000 Moskauer Studierende zu ihren Einstellungen zum jeweiligen anderen Volk befragt wurden. Das zentrale Ergebnis dieser Untersuchung – die noch vor dem Ende des Kalten Krieges und der Maueröffnung stattfand: Junge Russen und Deutsche waren sich psychologisch viel näher und hatten viel weniger Vorurteile über den jeweils anderen, als die offizielle Politik vermuten ließ. Die Ergebnisse publiziert Richter 1990 in dem Buch „Russen und Deutsche. Alte Feindbilder weichen neuen Hoffnungen“.


Weitere Informationen unter
https://www.ippnw.de/der-verein/geschichte-der-ippnw/persoenlichkeiten/artikel/de/horst-eberhard-richter.html


Kontakt:

Lara-Marie Krauße
(IPPNW), Tel. 030 / 69 80 74 15, Email: krausse@ippnw.de

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Ansprechpartnerin

Angelika Wilmen

Angelika Wilmen
Referentin für Friedenspolitik
Tel. 030 / 698074 - 13
Email: wilmen[at]ippnw.de

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