Interview aus dem IPPNW-Forum 99/100

Streit schlichten, statt Krieg führen

Das Monitoring-Projekt

Forum: Was ist das Monitoring-Projekt?

Andreas Buro: Zivile Konfliktbearbeitung bedeutet, dass nicht militärische Mittel in Konflikten eingesetzt werden, sondern vorausschauend und aktuell zivile Mittel benutzt werden, um Konflikte zu entschärfen. Konfrontationen sollen so über Vertrauensbildung zu Kooperationen verwandelt werden. Monitoring wird von uns im Sinne von „Mahnen“ gebraucht und nicht im gegenwärtig oft gebräuchlichen Sinne des Beobachtens und Überwachens. Der Begriff ist sehr bewusst von uns gewählt worden, denn wir sind nicht neutral in Hinblick auf militärische Einsätze. Uns geht es darum, Krieg zu überwinden und eine zivilisierte Form des Konfliktaustrages auszuweiten. Wir beobachten nicht nur, vielmehr analysieren wir und schlagen Strategien der Zivilen Konfliktbearbeitung vor. Wir wollen die Regierung und auch die Gesellschaft mahnen, solche Wege auszubauen und statt einer ständig steigenden, immer bedrohlicheren Rüstung, die Potentiale für Zivile Konfliktbearbeitung zu erweitern und auch einzusetzen.

Forum: Die ZKB selbst und ihr Potential zur Einsparung von Opfern, Material und Ressourcen sind enorm. Auch volkswirtschaftlich ein echtes Erfolgsmodell. Warum lassen sich trotzdem so viele Protagonisten auf militärische Konflikte ein?

Andreas Buro: Zum ersten gibt es Traditionen, die in den Gesellschaften psychologisch verwurzelt sind. Zweitens existieren Gruppeninteressen von Industrie wie auch die Interessen des Personals aus dem militärischen Bereich. Drittens sind bisher die Formen der Zivilen Konfliktbearbeitung noch nicht in die Gewohnheiten und Erfahrungsschätze der Herrschenden eingegangen. Zudem sind riesige Investitionen in Militär getätigt worden. Allein auf die USA entfällt etwa die Hälfte der Weltrüstungskosten, was dazu geführt hat, dass dieses dominierende Land seine Außenpolitik weitgehend auf seine riesigen militärischen Kapazitäten stützt.

Forum: Streitschlichtung ist viel unspektakulärer als die offen ausgetragene bewaffnete Fehde. Sie fordern „öffentliche Debatten und energische Lobby- und Medienarbeit“ im Vorfeld von Konflikten. Wie könnte eine erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit für Monitoring und ZKB aussehen?

Andreas Buro: Es ist furchtbar einfach Krieg darzustellen, indem man seine Grausamkeiten zeigt. Zivile Konfliktbearbeitung muss jedoch auf soziale und ökonomische Interessen in differenzierter Weise eingehen. Dies bedarf einer besonderen journalistischen Qualifikation und genauer Kenntnisse der Konfliktsituation. Die zu erlernende Kunst dabei ist, die große Dramatik von friedlichen Konfliktlösungsprozessen der Bevölkerung nahe zu bringen. Das ist nicht einfach, nachdem die Sozialisation der Medien genau in die andere Richtung geht. Ich beobachte allerdings in letzter Zeit eine zunehmende Verknüpfung von Dokumentationen mit Elementen des Spielfilms, die das leisten – ein interessanter Ansatz.

Forum: Irans Präsident Ahmadinedschad wirft mit rhetorischen Brandbomben um sich. Auch die USA rüsten verbal immer mehr auf. Wie kann die Bundesregierung im Sinne der ZKB zwischen den Streitparteien vermitteln?

Andreas Buro: Als erstes Dossier im Rahmen des Monitoring-Projektes haben wir eine Studie zum Irankonflikt veröffentlicht, die dieser Ausgabe des IPPNW Forums beiliegt. Darin sind eine Reihe von Vorschlägen entwickelt, die sich auch an die deutsche Regierung wenden. Zentral ist: Die Bundesregierung muss grundsätzlich einen militärischen Konflikt ausschließen und damit auch die EU veranlassen, eine „rote Linie“ gegenüber den Kriegsambitionen der USA zu ziehen. Zweitens müssen dem Iran die dem Land zustehenden Rechte aus dem Nichtverbreitungsvertrag zuerkannt werden, allerdings unter strikter Kontrolle der IAEO. Das sollte die Bundesregierung deutlich aussprechen. Drittens muss der Iran aufgefordert werden, eine Zwischenlösung – wie etwa von Russland vorgeschlagen – zu akzeptieren. Wobei ihm grundsätzlich zugestanden werden muss, im Forschungs- und Entwicklungsbereich an den Problemen der Kernenergieerzeugung weiter zu arbeiten und im Laufe der Deeskalation des politischen Konfliktes auch die Anreicherung für Energieerzeugung im eigenen Lande zu betreiben. Wenn ich das sage, betone ich gleichzeitig, dass wir gegen eine Atombewaffnung des Iran sind und dass wir auch die Erzeugung von Kernenergie nicht befürworten. Trotzdem sind die Rechte des Iran zu respektieren. Viertens: um eine positive Entwicklung zu ermöglichen sollte die Bundesregierung, wenn möglich in Kooperation mit der EU, eine Initiative für die Bildung einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten ergreifen, so dass auch die Nachbarschaftsprobleme und Konflikte dieser Region entschärft und Kooperationen ermöglicht werden können. Die Bundesregierung darf nicht als Parteigänger der USA auftreten. Ein Beispiel hierfür: Zu dem jüngsten Gesprächsangebot der USA an Iran muss sie deutlich Stellung beziehen. Die von den USA genannten Voraussetzungen für direkte Gespräche sind für Teheran unakzeptabel. Das ganze ist eine propagandistische Mogelpackung, um Teheran den Schwarzen Peter zuzuspielen. Wenn Berlin ein Interesse an einer diplomatischen Lösung hat, darf es hierbei nicht mitspielen.

Das Interview führte Jörg Welke.

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Ansprechpartnerin

Angelika Wilmen

Angelika Wilmen
Referentin für Friedenspolitik
Tel. 030 / 698074 - 13
Email: wilmen[at]ippnw.de

Materialien

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