Berlin/New York - Das Gebäude der Vereinten Nationen in New York gleicht dieser Tage einem Raumschiff, dass jeden kommunikativen Kontakt zu seiner Basisstation verloren hat. Während die Diplomaten der 188 Mitgliedstaaten des Atomwaffensperrvertrages darum ringen, arbeitsfähige Gremien zu etablieren und hinter verschlossenen Türen um Formulierungen und Fußnoten auf der Tagesordnung der Konferenz feilschen, sind außerhalb des Raumschiffes wesentlich deutlichere Worte zu hören. Worte, die den beobachtenden Nichtregierungsorganisationen Sorgen bereiten.
Nordkorea verlautbart, 8000 angebrannte Brennstäbe aus seinem Hauptreaktor Yongbyon entfernt zu haben, um mit dem Material seinen Vorrat an waffenfähigem Plutonium aufzustocken. Die Gespräche zwischen dem Iran und den EU3 (Deutschland, Frankreich, Großbritannien) über das iranische Atomprogramm nehmen an Schärfe wieder zu, werden deswegen möglicherweise bald abgebrochen. Die USA applaudieren und hoffen, den Iran dann vor den UN-Sicherheitsrat zitieren zu können.
Apropos USA: Einem Bericht der Sunday´s Post zufolge hat US-Verteidigungsminister Rumsfeld die militärische Alarmbereitschaft erhöhen lassen, um feindliche Staaten, die Massenvernichtungswaffen herstellen speziell Iran und Nordkorea , attackieren zu können. Auch die Alarmbereitschaft der nuklearen Waffen ist davon betroffen.
Ob die Diplomaten des Raumschiffes UN diesen realen Entwicklungen entschiedene Schritte zur Stärkung des NVV entgegensetzten können, werden die letzten eineinhalb Wochen dieser Konferenz zeigen. Zur Zeit wird über die Zahl der Mitglieder in den drei Hauptausschüssen nukleare Abrüstung, regionale Angelegenheiten und Ausscheiden aus dem Vertrag verhandelt. Erbsenzählerei könnte man meinen. Allerdings verbergen sich hinter solchen Detailverhandlungen die entscheidenden Konfliktlinien dieser Verhandlungen:
Vor allem die Gruppe der sog. blockfreien Staaten (Non-Aligned-Movement) verlangt, dass über eine atomwaffenfreie Zone im Mittleren Osten diskutiert wird und über Sicherheitsgarantien von den USA. Letztere wiederum sind nicht gewillt, über bereits erreichte Zugeständnisse zur atomaren Abrüstung (13 Schritte als Ergebnis der Überprüfungskonferenz 2000) zu reden und weder einen Unterausschuss zum Mittleren Osten noch einen über Sicherheitsgarantien einzurichten.
Falls allerdings keine Einigung über die Unterausschüsse gefunden werden kann, ist auch weiterhin nicht alle Hoffnung auf ein substantielles Ergebnis der Konferenz verloren: Gerüchteweise gilt die heutige Plenarsitzung als Deadline für die Einrichtung der Ausschüsse. Wird dabei wieder kein Konsens erzielt, ist der Weg frei für offene Beratungen. Diese hätten wiederum den Vorteil, sich nicht auf gemeinsame Papiere einigen zu müssen. Hier könnten endlich Arbeitspapiere für Konfliktlösungsstrategien eingebracht und diskutiert werden. Vor allem könnte hier offen auf den Tisch gebracht und öffentlich ausgesprochen werden, wer die tatsächlichen Blockierer dieser Verhandlungen sind.
Ein Schlussdokument würde es unter diesen Umständen wahrscheinlich nicht geben. Am Ende stellt sich allerdings die Frage: Besser eine weichgewaschene Einigung, an die sich niemand hält, oder eine verkrachte Konferenz, die zutage bringt, wer die Welt in atomarem Schrecken verharren lässt.
Jörg Welke
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