Interview 19.05.05

Unakzeptable Gefahr für die Menschheit

News in Review mit Ron McCoy, IPPNW

News in Review: Was ist die wichtigste Priorität für die IPPNW bei der Überprüfungskonferenz?

Ron McCoy: Am wichtigsten ist es, ein Zeichen des „guten Glaubens“ sowohl von den Atomwaffenstaaten als auch von den atomwaffenfreien Staaten zu bekommen. Sie müssen ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag erfüllen und die untrennbar miteinander verbundenen Themen Abrüstung und Nichtverbreitung gleichgewichtig angehen. Die Atomwaffenstaaten müssen auf den Einsatz und die Entwicklung von Atomwaffen verzichten und sie müssen sofort von der Höchstalarmbereitschaft runter. Atomwaffenfreie Staaten sollten alle Ambitionen auf dem Besitz von Atomwaffen aufgeben und die Verpflichtungen bezüglich der zivilen Nutzung der Atomenergie unter Artikel IV und dem Zusatzprotokoll erfüllen.

News in Review: Was wäre das beste und das schlechteste Ergebnis der Konferenz? Im schlimmsten Fall, wie wird die Welt mit der darauf folgenden Krise fertig, wenn die Konferenz scheitert?

Ron McCoy: Das beste Ergebnis wäre, wenn die Atomwaffenstaaten ihren politischen Willen bekunden würden, den Sperrvertrag zu stärken, in dem sie auf den 13 praktischen Schritten (verabschiedet bei der Konferenz im Jahr 2000) aufbauen. Sie entstehen aus der grundlegenden „unbedingten Versprechung“, ihre Atomarsenale zu vernichten.

Der schlimmste Fall wäre, wenn die Atomwaffenstaaten ihre Verpflichtungen von 2000 leugnen würden. Eine Pattsituation führt zu einem weiteren Verfall des Nichtverbreitungsprozesses und das System fällt damit weiter auseinander. Mehr Staaten würden dem Vertrag kündigen, wie Nordkorea es bereits getan hat.

Wenn diese Krise stattfinden wird und es keinen Weg gibt, eine Brücke zu bauen zwischen Abrüstung und Nichtverbreitung nach 35 Jahren diplomatischer Schläue, wird die Welt mit der Erkenntnis konfrontiert, dass sie jenseits des Sperrvertrages schauen muss. Es muss dann einen neuen Weg geben, indem man wie beim „Ottawa-Prozesses“, die Rahmenbedingungen für die Abschaffung aller Atomwaffen durch eine Atomwaffenkonvention akzeptiert. Dies ist jetzt machbarer denn je, weil es Fortschritte bei der Verifikationstechnologie und den Erfüllungsprozeduren gegeben hat. Bereits stattgefundene inhaltliche und konzeptionelle Arbeiten in den juristischen, technischen und politischen Bereichen bieten die Gelegenheit, eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen. Bei der UNO wurde sogar bereits ein Entwurfsmodell für eine entsprechende Konvention eingereicht.

Es muss ein politisches Urteil gefällt werden, ob ein Verifikationssystem genügend Vertrauen genießen kann. Gleichzeitig muss man anerkennen, dass kein Verifikationssystem eine lückenlose Garantie anbietet. Es ist unvermeidlich, dass ein Restrisiko zu akzeptieren ist, um die weit größeren Vorteile einer atomwaffenfreien Welt zu realisieren. In einer globalisierten Welt, in der der Wirkungsgrad und die Zerstörungskraft konventioneller Waffen immer größer werden, wäre die Entwicklung einer illegalen Atomstreitkraft kontraproduktiv.
Die atomare Abrüstung ist vor allem eine positive Verpflichtung, den technischen Prozess der Demontage und Eliminierung von Atomwaffen zu unternehmen. Die atomare Abschaffung bedeutet hingegen nicht nur die Eliminierung von Atomwaffen, sondern auch einen normativen Prozess, um den Erwerb, den Transfer, den Einsatz oder die Drohung des Einsatzes von Atomwaffen zu verbieten. Anders gesagt: die Abschaffung aller Atomwaffen beinhaltet die Synthese der konkurrierenden Herangehensweisen – die Abrüstung und die Nichtverbreitung.

Das Konzept eines Rahmens für die Abschaffung aller Atomwaffen beinhaltet also einerseits die Abrüstung, zu der die Atomwaffenstaaten sich verständigt haben, greift aber gleichzeitig auch ihre Befürchtungen über die Weiterverbreitung auf. Ein solcher Rahmen würde vielleicht die Atomwaffenstaaten eher ansprechen als einer, der sich nur auf Abrüstung konzentriert.

Eine unabhängige Konferenz im Stil von „Ottawa“ über die Abschaffung aller Atomwaffen könnte beträchtlich Medienaufmerksamkeit und politischen Druck erzeugen. Egal welche Gründe oder Bedenken zur Entwicklung von Atomwaffen und führten, Atomwaffen stellen eine unakzeptable Gefahr für die Menschheit dar und müssen abgeschafft werden. Atomwaffen sind Genozidwaffen und können ganze Bevölkerungen auslöschen. Seit 35 Jahren versagt der Atomwaffensperrvertrag abgrundtief, weil die Welt nicht von Atomwaffen befreit wurde. Die Mehrheit der Menschen wollen die Abschaffung aller Atomwaffen. Es ist an der Zeit, neue Wege zu finden, um den Willen der Mehrheit in demokratische Aktion umzusetzen und das rechtwidrige Handeln einer kleinen Minderheit aufzuheben.

Aus: News in Review, No 14, Übersetzung: Xanthe Hall

zurück

Kooperationspartner

International Campaign to Abolish Nuclear weapons (ICAN)
Homepage international
Homepage Deutschland
Homepage ICAN-Partner in DE

Navigation