Vom 2. - 28. Mai 2005 findet die siebte Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages (NVV) statt. Alle fünf Jahre treffen sich die rund 190 Vertragsparteien (alle Staaten der Welt außer Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea), um den Vertragserfolg zu überprüfen und Maßnahmen zu verabreden, die den Vertrag stärken. Bei der letzten Konferenz in 2000 wurde eine Liste von 13 Maßnahmen einstimmig verabschiedet. Diese Liste enthielt in Artikel VI eine Bestätigung der Verpflichtung, alle Atomwaffen abzuschaffen. Die USA wollen diese Verpflichtung als "überholt" ad acta legen.
Am letzten Tag des Jahres 2004 erschien ein Bericht in der japanischen Zeitung Kyodo News, in dem ein us-amerikanischer Regierungsbeamter das Abschlussdokument der Überprüfungskonferenz als "historisch" bezeichnete. Das Dokument enthielt die 13 "Schritte" zur nuklearen Abrüstung. Der Beamte erklärte die Position der USA: es bestehe eine Notwendigkeit, ein neues Dokument zu verabschieden, das die veränderte Lage seit dem 11. September wiederspiegele.
Bereits zwei andere Maßnahmen auf dieser Liste haben die USA als für sich obsolet erklärt: das Inkrafttreten des Atomteststoppvertrags und die Stärkung des ABM-Vertrags. Der ABM-Vertrag wurde inzwischen einseitig von den USA aufgelöst und der Atomteststoppvertrag wird in absehbarer Zeit von den USA nicht ratifiziert werden. Noch schlimmer: die USA erwägen die Wiederaufnahme von Atomtests. Das Abkommen zwischen Bush und Putin von 2002 (Moskauer Vertrag), die stationierten strategischen Atomwaffen jeweils auf 1700 bis 2200 zu reduzieren, hebt den START-II-Vertrag auf, der noch nicht vollendet war. Damit werden die Atomwaffen nur gelagert und nicht verschrottet, was gegen das in 2000 verabredete Prinzip der Unumkehrbarkeit steht.
Die Liste der fallengelassenen Versprechungen ist lang und der Ärger groß. Nicht zuletzt, weil das "unveräußerliche Recht" auf Hilfe zur zivilen Nutzung der Atomenergie unter Artikel IV in Frage gestellt wird. Seitdem Iran an einem Urananreicherungsprogramm arbeitet, fragen die USA, ob es nicht besser wäre, bestimmten Ländern diese Technologien zu verweigern. Bush schlug diese Idee den G8-Staaten auf dem Gipfel auf Sea Island im Juni 2004 vor, und es wurde dort verabredet - entgegen deren Vertragsverpflichtung - Atomtechnologie nur an Staaten zu exportieren, die durch ein Zusatzprotokoll von der internationalen Atomenergie-Behörde IAEO als "sicher" gesehen werden. Der Iran würde jedoch unter dieser Bedingung weiterhin Technologie zur Urananreicherung bekommen können, es sei denn die IAEO findet einen weiteren Grund zur Ablehnung.
Es ist an der Zeit, das Tabu des Artikel IV und das Recht auf Atomenergie zu brechen. Der Leiter der IAEO hat bereits einen wichtigen Schritt gemacht, indem er sich im Januar 2005 für ein weltweites Moratorium der Urananreicherung und der Wiederaufarbeitung ausgesprochen hat. Nur solche universellen Schritte sind zukunftsfähig in einer Welt, in der die zivile (und militärische) Nutzung der Atomenergie als eine Art Statussymbol betrachtet wird und aus entwicklungspolitischen und nicht energie- oder sicherheitspolitischen Gründen ausgebaut wird. Dennoch darf es nicht beim Moratorium bleiben. Denn dieses manifestiert lediglich die jetzige Situation, die einer atomaren "Apartheid" gleichkommt, da manche Staaten bereits sehr viel spaltbare Materialien auf Lager haben und somit nicht auf weitere Anreicherung angewiesen sind.
Die Abrüstung braucht ein neues Vertragswerk, das die Abschaffung aller Atomwaffen regelt. Dafür setzt sich Hiroshimas Bürgermeister Akiba mit der weltweiten Bürgermeisterkampagne "2020 Vision" ein. In New York soll eine Delegation von etwa 100 BürgermeisterInnen an der Überprüfungskonferenz teilnehmen. Letztes Jahr besuchte eine kleinere Delegation von BürgermeisterInnen das Vorbereitungskomitee für die Überprüfungskonferenz und redete mit DiplomatInnen über die Kampagne. Daraus entstand ein Werbefilm "Mayors for Peace" (die deutsche Version kann in der Geschäftstelle zur Werbung weiterer BürgermeisterInnen abgerufen werden).
Die Demonstration am 1. Mai 2005
Mayors for Peace und United for Peace and Justice (UPJ) sponsort eine Demonstration am 1. Mai in New York. UPJ hat bereits Demonstrationen von Hunderttausenden US-Amerikanern gegen den Irakkrieg organisiert. Man hofft auf eine Teilnehmerzahl von ungefähr 100.000.
Drei Demonstrationszüge werden von Norden, Süden und Osten durch den Central Park auf das Gebäude der Vereinten Nationen zulaufen. BürgermeisterInnen sollen an der Spitze des Zuges mitlaufen, oder Einladungen zu Teilen des Zuges annehmen, die möglicherweise Bezüge zu ihren Heimatregionen haben.
Namhafte Redner werden während der Demonstration zu Wort kommen, darunter zehn BürgermeisterInnen aus großen Städten. Das Programm wird von mehreren musikalischen Zwischenspielen unterbrochen. Bei der Auswahl der Redner und Musiker wird auf größtmögliche kulturelle Diversität Wert gelegt.
Beobachtung der Überprüfungskonferenz
Jede Konferenz und jedes Vorbereitungstreffen der NVV wird von Nichtregierungs-Organisationen (NGOs) beobachtet und mit vielen inhaltlichen Veranstaltungen begleitet. Darunter auch die IPPNW. Dieses Mal ist das Ziel, 1000 NGO-VertreterInnen anzumelden. Angemeldete NGOs bekommen Zugang zu den UN-Gebäuden und können die öffentlichen Verhandlungsdebatten mithören. Sie bekommen viele der Dokumente auf offiziellem Weg und den Rest über befreundete DiplomatInnen.
Meist am dritten Tag (diesmal am 4. Mai) gibt es eine Möglichkeit für die NGOs zu Präsentationen. Seit einigen Jahren haben sich die NGOs im Vorfeld der Konferenz durch E-Mail darüber ausgetauscht, welche inhaltliche Punkte in den Präsentationen vorkommen sollen. Kleine Redaktionsgruppen schreiben die Reden und es werden gute RednerInnen ausgesucht. Letztes Jahr haben einige BürgermeisterInnen geredet und die Schülerin Charlotte Wohlfarth aus Heidelberg für die Aktion Völkerrecht.
Nicht zuletzt gibt es viel Lobbyarbeit für die NGO-VertreterInnen. Sie reden direkt mit den DiplomatInnen, wenn sie aus den Verhandlungen kommen (daher der Name "Lobby", weil man immer im Vorraum stehen muss). Manchmal entstehen spontane Gespräche, manchmal verabredet man sich für einen späteren Zeitpunkt. Oft verabredet man sich vorher und trifft sich in der jeweiligen UN-Vertretung in der Nähe. Diese Gespräche können sehr ergiebig werden, besonders wenn es um befreundete Staaten geht, da die DiplomatInnen oft sehr offen für Formulierungsangebote und inhaltliche Hilfe sind.
Das Ziel der NGO-Arbeit bei der diesjährigen Überprüfungskonferenz ist gleichermaßen das Ziel der Kampagne "atomwaffenfrei bis 2020". Es soll bis zum Schluss der Verhandlungen von den Staaten verabredet werden, dass neue Verhandlungen über ein Vertragswerk zur Abschaffung aller Atomwaffen aufgenommen werden. Sonst wird der "Plan B" des Hiroshima-Bürgermeisters in Kraft treten: der "Hiroshima-Prozess". Analog des Ottawa-Prozesses für das Verbot der Landminen wird dann zu einer Verhandlungsrunde der "willigen" Staaten eingeladen. Damit sollen die nicht-willigen Staaten diplomatisch isoliert werden.
Xanthe Hall
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