Bisher wurde in Fukushima nur eine einzige Krankheitsentität bei Menschen systematisch untersucht: Schilddrüsenkrebs. Die Zahl der Schilddrüsenkrebsfälle bei Kindern in Fukushima liegt in den letzten drei Screenings 20-mal höher als zu erwarten wäre“, erklärt Dr. med. Alex Rosen, Vorsitzender der IPPNW und Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin. Relativ gesehen seien die meisten dieser Fälle in den am schwersten verstrahlten Gebieten aufgetreten. Besonders betroffen sind in Fukushima zudem die Kinder, die im Jahr der Kernschmelzen noch im Mutterleib waren.
„In den verstrahlten Gebieten ist darüber hinaus die Rate an Depressionen, Suizidalität und Posttraumatischen Belastungsstörungen weiterhin erhöht“, ergänzt Dr. med. Angelika Claußen, Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und IPPNW-Europavorsitzende. „Es gibt eine direkte Korrelation zwischen dem Ausmaß der radioaktiven Belastung am jeweiligen Wohnort in der Präfektur Fukushima und dem psychosozialen Stress, dem die Bevölkerung ausgesetzt wurde.“
Auf der Fachtagung vorgestellte biologische Studien zeigten außerdem, dass die erhöhte Radioaktivität bei Bäumen, Insekten und Vögeln zu Mutationen und Unfruchtbarkeit führt. Auch in wilden Affen und Rindern fand man erhöhte Strahlenwerte und zahlreiche schwere Krankheiten. Untersuchungen des Meeresbodens wiesen eine anhaltende Verstrahlung von bodennahen Meeresbewohnern auf. Auch zeigt sich, dass Flüsse kontinuierlich Radioaktivität aus höher gelegenen Regionen in Seen, Buchten und ins Meer befördern und sich vor allem in Stränden und entlang der Flussmündungen erhöhte Strahlenwerte ansammeln.
„Die japanische Atomindustrie und ihre Unterstützer*innen in Regierung und Verwaltung waren bislang erfolgreich darin, unabhängige Forschung zu unterdrücken und ihre Förderung zu unterbinden. Sie wurden dabei von den internationalen Organisationen IAEO (Internationale Atomenergie-Organisation) und UNSCEAR (Wissenschaftliche Ausschuss der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen atomarer Strahlung) unterstützt. Daher gibt es zu vielen wichtigen Fragestellungen leider bis heute keine wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die letzten zehn Jahre sind somit auch eine vertane Chance für die Wissenschaft“, schließt Dr. Alex Rosen.
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