Benefizkonzert mit Lesungen, St. Katharinenkirche

100 Jahre Urwaldkrankenhaus in Lambarene

Albert Schweitzers "Appell an die Menschheit"

Vowort: Ich lese aus Albert Schweitzers Friedens Nobel Preis Rede und aus seinem „Appell an die Menschheit“. Ich habe den Auftrag zur Lesung sehr gern angenommen, weil Schweitzer seit meiner Studentenzeit mein großes ärztliches Vorbild war, aber auch weil sein Engagement wegweisend war für unsere ärztliche Friedensbewegung zur Verhütung eines Atomkriegs IPPNW, die ich mitgründete und die 1985  ebenfalls den Friedensnobelpreis erhielt. Eine zusätzliche Freude ist es mir, erwähnen zu dürfen, dass Albert Schweitzers Ehefrau Helene ihre Krankenschwestern Ausbildung am Frankfurter Bürgerhospital erhielt, an dem ich 60 Jahre später Chefarzt der Medizinischen Klinik wurde.

Vor  60 Jahren (1952) wurde ALBERT  SCHWEITZER, dem großen Humanisten, Theologen, Arzt, Organist und Musikwissenschaftler der Friedens Nobel Preis zuerkannt. In seiner Nobel Preis Rede 1954 sagte er: “Weil offenbar ist, ein wie furchtbares Übel ein Krieg in unserer Zeit ist, darf nichts unversucht bleiben, ihn zu verhindern. Insbesondere muss dies  aus einem ethischen Grunde geschehen. Wir haben uns in den beiden letzten Kriegen grausiger Unmenschlichkeit schuldig gemacht und würden es in einem kommenden noch weiter tun. Dies darf nicht sein……

Was uns aber zu Bewusstsein kommen sollte und schon lange zuvor hätte kommen sollen, ist dies, dass wir als Übermenschen Unmenschen geworden sind. Wir haben es geschehen lassen, dass in den Kriegen – im zweiten Weltkrieg an die 20 Millionen Menschen– vernichtet wurden, dass durch Atombomben ganze Städte mit ihren Bewohnern zu nichts wurden, dass durch Brandbomben Menschen zu lodernden Fackeln wurden. Wir nahmen solche Geschehnisse in Radiosendungen und in Zeitungen zur Kenntnis und beurteilten sie danach, ob sie einen Erfolg der Völkergruppe, der wir zugehörten, oder unserer Gegner bedeuteten. Wenn wir uns eingestanden, dass dieses Geschehen aus einem unmenschlichen Tun bestehe, taten wir es mit dem Gedanken, dass wir durch die gegebene Tatsache des Krieges dazu verurteilt seien, es geschehen zu lassen.

Indem wir uns so ohne weiteres in dieses Schicksal ergeben, machen wir uns der Unmenschlichkeit schuldig.

Die Erkenntnis, die uns heute not tut, ist die, dass wir miteinander der Unmenschlichkeit schuldig sind. Das furchtbare gemeinsame Erleben muss uns dazu aufrütteln, alles zu wollen und zu erhoffen, was eine Zeit heraufführen kann, in der Kriege nicht mehr sein werden.“

Drei Jahre später schrieb Albert Schweitzer in dem von ihm gegründeten Urwaldkrankenhaus in Lambarene seinen berühmten „Appell an die Menschheit“. Er war verzweifelt über das atomare Wettrüsten seit 1945 und die unzähligen Testexplosionen von Atombomben und dann auch Wasserstoffbomben. Schweitzer hatte erkannt, dass „nur mittels einer engagierten Weltmeinung die Gefahren für die Menschheit und Natur gestoppt werden könnten“. Er beschrieb in seiner Rede in klaren und eindringlichen Worten die Auswirkungen der überirdischen Atomexplosionen, die auf Jahrhunderte die Atmosphäre, Wasser, Erde, Nahrung und alle Lebewesen radioaktiv verseuchen.

In seinem Appell, der ab 23. April 1957 in vier Folgen von Radio Oslo über 150 Radiosender, in viele Sprachen übersetzt, weltweit ausgestrahlt wurde, sagte Albert Schweitzer: “ Mit anderen, die sich für verpflichtet halten, in diesen Tagen als Mahner in Wort und Schrift aufzutreten, erhebe ich meine Stimme. Mein Alter und die Sympathie, die mir die von mir vertretene Idee der Ehrfurcht vor dem Leben eingetragen hat, lassen mich erhoffen, dass meine Meinung dazu beitragen kann, der Einsicht, die nötig ist, den Weg zu bereiten“

„Das Bewusstsein, dass wir miteinander Menschen sind, ist uns in Kriegen und Politik abhanden gekommen. Wir kamen dazu, miteinander nur noch als Angehörige verbündeter oder gegnerischer Völker zu verkehren und in den sich daraus ergebenden Ansichten, Vorurteilen, Zuneigungen und Abneigungen gefangen zu bleiben. Nun heißt es wiederentdecken, dass wir miteinander Menschen sind und uns zu bemühen haben, uns gegenseitig zuzugestehen, was in dem Wesen des Menschen als moralische Fähigkeit vorhanden ist. So können wir uns zu dem Glauben erheben, dass auch in Angehörigen anderer Völker das Bedürfnis eines neuen Geistes wach werden wird, wodurch wir beginnen werden, für einander wieder vertrauenswürdig zu sein.

Der Geist ist eine gewaltige Macht der Umgestaltung der Dinge. Wir haben ihn als Geist des Bösen am Werke gesehen, der das Unglaubliche vermochte, um aus dem Zustand des Bemühens um geistige Kultur in das Barbarentum zurück zu werfen. Nun wollen wir unsere Hoffnung auf dasselbe Vermögen des Geistes setzen, die Menschen und die Völker wieder zu Kulturgesinnung gelangen zu lassen.

Zurzeit haben wir die Wahl zwischen zwei Risiken. Das eine besteht in der Fortsetzung des unsinnigen Wettrüstens in Atomwaffen und der damit gegebenen Gefahr eines unvermeidlichen und baldigen Atomkrieges, das andere in dem Verzicht auf Atomwaffen und in dem Hoffen, dass Amerika, die Sowjetunion und die mit ihnen in Verbindung stehenden Völker es fertig bringen werden, in Verträglichkeit und Frieden nebeneinander zu leben. Das erste enthält keine Möglichkeit einer gedeihlichen Zukunft. Das zweite tut es. Wir müssen das zweite wagen“…..

Schweitzer fährt fort „In der unter dem Eindruck des Sputnik Ereignisses am 7. November 1957 gehaltenen Rede des Präsidenten Eisenhower kommt das Wort vor:“ Was die Welt heute noch mehr braucht als einen gigantischen Sprung in den Weltraum,  ist ein gigantischer Sprung zum Frieden hin“, und Schweitzer sagt dazu: „Dieser gigantische Sprung besteht darin, dass wir den Mut zum Hoffen aufbringen, dass in den Menschen und Völkern der Geist der Vernünftigkeit und der Menschlichkeit den der Unvernünftigkeit und Unmenschlichkeit verdrängen könnte.“

Diesen Mut zum Hoffen und zum Tun wollen wir im  Geist Albert Schweitzers auch nie aufgeben.

Prof. Dr. Ulrich Gottstein

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