Vortrag von Prof. Dr. Ulrich Gottstein

Humanitäre Friedens- und Versöhnungsarbeit in Kriegs- und Nachkriegsgebieten, im Irak und im früheren Jugoslawien

IPPNW-Mitgliederversammlung, Braunschweig 21.4. 2012

Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele von Ihnen werden wissen, dass die IPPNW unter Leitung unseres damaligen Präsidenten Prof. Bernard Lown im Dezember 1990 mit einer Reise nach Bagdad versuchte, den Ausbruch des Krieges zwischen den USA und dem Irak verhüten zu helfen. Ich war Teil der internationalen Delegation. Wir sprachen mit dem Vizepräsidenten Iraks und vielen weiteren einflussreichen Persönlichkeiten, aber erfolglos. Der brutale Krieg brach aus, die Zivilbevölkerung und das irakische Militär erlitten schwerste Verluste. Innerhalb weniger Wochen war der Irak geschlagen, und die Bevölkerung litt nicht nur unter dem zerstörten Land, sondern außerdem unter dem totalen Embargo. Das bedeutete Hunger, aber vor allem der Zusammenbruch des Gesundheitswesens. 1,5 Millionen Iraker, insbesondere Kinder, starben in den ersten Jahren.

Zwei Monate nach Kriegsende, im Mai 1991, haben wir als deutsche IPPNW den ersten Hilfstransport zu den Krankenhäusern Iraks gebracht, dann weiter in den folgenden Jahren. Ich selber habe 8 mal die Transporte geführt.
Seit Ende des Embargos 2003 helfen wir mit der „ IPPNW-Kinderhilfe Irak“  irakischen Kindern zu dringend notwendigen Operationen in deutschen Kliniken.

Ich möchte nun zur Vorgeschichte unserer IPPNW-Aktivitäten für Frieden und Versöhnung im früheren Jugoslawien berichten. Ursula Völker hat sich zu meiner sehr großen Freude seit zwei Jahren für die Fortsetzung dieser wichtigen Arbeit mit Medizinstudenten und Jungärzten des West-Balkans, wie das frühere Jugoslawien jetzt genannt wird, engagiert. Sie wird anschließend darüber berichten.

1992 war ich als IPPNW-Vizepräsident Europa von einem serbischen und einem kroatischen Arzt der damals existierenden „jugoslawischen IPPNW-Sektion“ gebeten worden, nach Jugoslawien zu kommen und mir während der Feindseligkeiten in Jugoslawien ein eigenes Bild des Krieges zu machen. Die Kollegen hatten die Hoffnung, dass wir als Friedensnobelpreisträgerorganisation zur Beendigung der hasserfüllten Feindschaft beitragen könnten. So war ich in den Jahren 1992 bis 1994 mehrfach in Serbien, Kroatien und Bosnien in den Kriegsgebieten. Ich sprach mit dem Präsidenten  Jugoslawiens  in Belgrad, mit dem Außenminister von Kroatien in Zagreb, mit Medizinprofessoren und  Lazarettärzten, z.T. an vorderster Front in Bosnien. Ich kam als mitfühlender Kollege, fuhr mit einem bosnischen Arzt im PKW auf Schleichwegen in das belagerte und ständig beschossene Sarajewo sowie in einem UN-PKW nach Ost Mostar, wo die Ärzte bei Kerzenbeleuchtung in Kellerküchen operierten. Ich  war im Kosovo und in den Lagern der aus dem Kosovo geflüchteten Serben, die auf Geheiß von Milosevic mit ihren Bauernwagen der zurück gehenden serbischen Armee hatten folgen müssen.  Überall waren Verzweiflung, Wut, Angst und große Not.

Ich hielt Vorträge in den Medizinischen Gesellschaften von Belgrad und Zagreb, sowie in der Kroatischen Akademie der Wissenschaften.  In all den Vorträgen und Gesprächen, sowie in einem live-Fernseh Interview des freien serbischen Kanals warb ich für eine Beendigung der Feindseligkeiten, für Versöhnung und Humanität. Meine Präsenz wurde als wichtig und  wohltuend empfunden, denn die Menschen fühlten sich von aller Welt verlassen und hilflos bezüglich der Zukunftsaussichten. Ich berichtete nach jeder Jugoslawienreise dem deutschen Bundesaußenminister, zumal die deutsche Botschaft in Jugoslawien, also in Belgrad, die meiste Zeit geschlossen war. Ich überbrachte die Meinungen und Wünsche meiner Gesprächspartner, so auch des damaligen Vorsitzenden der serbischen Sozialdemokraten, Djindjic, der nach Milosevics Sturz Ministerpräsident Serbiens geworden war und von einem Radikalen erschossen wurde.

Außer meinen Gesprächen  brachte und organisierte ich Hilfstransporte mit Medikamenten zu den Kliniken und Lazaretten. Dabei half mir 1992 unser Freund Iskenius, der in einem Flüchtlingslager in Kroatien eine großartige humanitäre Hilfe leistete.

Zwei Jahre nach dem wesentlichen Ende der Kampfhandlungen fragten mich nach einem Vortrag Würzburger IPPNW-Kollegen, wie man  wohl weiter helfen könne. Ich schlug vor, Medizinstudenten aus den verschiedenen Teilen Jugoslawiens zu Famulaturen in die Würzburger Missionsärztliche Klinik einzuladen. Dr. Wolfram  Braun mit Kolleginnen und Kollegen nahmen den Vorschlag sofort auf, und seit 1996 finden jedes Jahr Treffen von 10 Medizinstudenten in Würzburg für vier Wochen statt, was sehr dankbar aufgenommen wurde und wird. Sie leben und arbeiten harmonisch zusammen in der Klinik.

Ab 1998 begannen diese und andere Medizinstudenten und Jungärzte ihrerseits in die verschiedenen Nationen des früheren Jugoslawien einzuladen, was mit finanzieller Hilfe unserer IPPNW ermöglicht wurde und wird. Solche Symposien fanden 3 mal in Sarajewo, 2 mal in Belgrad, 2 mal in Skopje, 1 mal in Neum,  1 mal in Pristina und dieses Jahr zum 2. mal in Mostar statt.

Alle diese Aktivitäten stehen in Einklang mit der Satzung der Internationalen IPPNW, bei der es in Artikel 2, Sektion 2,1 heißt „ Die IPPNW ist eine unparteiische internationale Föderation von Ärzteorganisationen. Sie widmet sich Forschung, Ausbildung und Beratung, erforderlich zur Verhütung eines Atomkriegs. Um das zu erreichen, soll sich die IPPNW um die Verhütung aller Kriege bemühen, gewaltfreie Konfliktlösungen fördern und die Auswirkungen von Krieg und Kriegsvorbereitungen auf Gesundheit, Entwicklung und Umwelt minimieren“.  

Hinzufügen möchte ich, dass unsere Versöhnungsarbeit bei der Ärzteschaft im früheren Jugoslawien sehr dankbar aufgenommen wird, und dass sowohl in Kosovo, als auch Mazedonien und Serbien IPPNW-Sektionen gebildet wurden.
Unsere Arbeit dient dem Frieden und der Versöhnung.

Prof. Dr. Ulrich Gottstein

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