Verantwortung 2009

Rede von Horst-Eberhard Richter auf dem Neujahrsempfang des DGB

10.01.2009 Nach acht Jahren Bush Regierung in den USA, hat der Frieden unter dem neuen amerikanischen Präsidenten eine neue Chance. Uns auf diese zu besinnen, erleichtert den Eintritt in dieses Jahr 2009, was immer uns zur Zeit an ökonomischen, sozialen und Klima-Sorgen beschwert. Acht Jahre hatte uns das Bush-Amerika gelehrt, die Welt wie in alten Kreuzzugszeiten in Gut und Böse zu spalten und in einer Hassfront gegen Schurkenstaaten die Arbeit an einer gerechten Globalisierung und am dringlichen Klimaschutz hinten an zu stellen.

Jetzt tritt in Washington ein Barack Obama mit dem Versprechen an, - so wörtlich – „dass Amerika an seine Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag glaubt und auf eine endgültige Abschaffung aller Nuklearwaffen hinzuarbeiten bereit ist." Und weiter versichert er: „Ich werde mit Russland in einer Art und Weise zusammenarbeiten, die von gegenseitigem Respekt und Transparenz geprägt ist."

Das ist eine sensationelle Wendung. Und es ist eine Botschaft, die den beharrlichen Einsatz unserer Arbeit in der Ärztlichen Friedensbewegung indirekt bestätigt. Jetzt sollte unsere Regierung den Mut aufbringen, die Entfernung der 20 Nato-Atombomben von deutschem Boden zu beanspruchen, was 84 % unserer Bevölkerung laut Forsa-Institut verlangen.

Aber es geht um mehr als um die Waffen. Es geht um den Einzug eines grundlegend neuen Denkens, das schon Michail Gorbatschow einst auf dem Internationalen Friedensforum 1987 in Moskau beschrieben und gefordert hatte. Da hatte er gesagt: „Uns alle vereint die Gefahr eines nuklearen Todes, einer ökologischen Katastrophe und eines globalen Ausbruchs der Widersprüche zwischen Armut und Reichtum in verschiedenen Teilen der Welt.“ „Deshalb müssen wir trotz aller zwischen uns bestehender Gegensätze lernen, uns als eine große Familie zu begreifen und entsprechend zu handeln."

Auch Obama hat diese große Familie im Sinn. Das Erstarken dieses Geistes haben die Amerikaner bereits in seiner Wahl als eines Schwarzen symbolisiert. Das erinnert daran, dass und wie der Schwarze Nelson Mandela die Südafrikaner geeinigt hat. Also zieht der neue Geist von unten ein. Die ehemals Unterdrückten befreien nicht nur sich selbst. Mandela hat gesagt: „Wir befreien die Weißen aus den Gefängnissen ihres Hasses."  Das war auch schon der Traum Martin-Luther Kings. Doch dass nun Obama als Führer der führenden Supermacht mit der Vision Gorbatschows antritt, die Versöhnung der gesamten Weltfamilie zu fördern, beflügelt unsere Hoffnungen.

Noch wichtiger scheint mir aber die Ansteckungskraft seiner Idee  zu sein, die weit über Amerika hinausstrahlt. Da hält dieser Obama, noch gar nicht gewählt, an der Berliner Siegessäule eine Rede und 200.000 überwiegend junge Leute strömen zusammen und rufen in Sprechchören: „Yes, we can, we can!" Die jungen Deutschen sind nicht nur angerührt, sondern wollen mitmachen, als wären sie dazu aufgerufen, Das heißt, es ist eine Aufbruchstimmung da, die auch hierzulande darauf wartet, abgerufen zu werden. Es ist das Verlangen nach mehr Frieden, nach mehr Solidarität statt nach Ausgrenzung oder gar Ächtung.

Barack Obama ist bereits mit Heilserwartungen überlastet. Doch Kundige meinen, nur er könne die zögernden und teilweise zerstrittenen Verantwortlichen in Kopenhagen zu einem entschlossenen „we can" zusammenführen. Aber dazu braucht er hinreichenden Rückhalt von einer sensibilisierten und engagierten Basis. Gewiss wird die globalisierungskritische Bewegung in Kopenhagen präsent sein und hoffentlich auf Medien stoßen, die sich diesmal mehr für ihre konstruktiven Ideen als für krawallbereite Randgruppen interessieren.

Kürzlich wurde Ex-Kanzler Helmut Schmidt im ARD Fernsehen von Beckmann gefragt, was er sich von Obama verspreche. Dazu Schmidt: Abwarten! Was von den Ideen eines charismatischen Idealisten zu halten sei, wisse man erst, wenn er die Bewährung in der Praxis bestanden habe. Natürlich sind wir  alle gespannt, was Obama gelingen oder misslingen wird. Doch möchte ich jetzt schon Helmut Schmidt ein Votum seines sonst gern zitierten Vorbildes, des Philosophen Kant, entgegenhalten. Als dieser die Begeisterung der Nachbarvölker für die Ideen der Französischen Revolution bemerkte, sagte er: Mag die Revolution auch praktisch scheitern, die Begeisterung der Völker für ihre Ideen beweist mir allein schon, dass in der Menschheit die moralische Anlage steckt, zum Besseren voranzuschreiten.

Ich bin überzeugt, dass Kant Recht hat. Die Ideen der Französischen Revolution sind für uns ein unveränderter Ansporn. Der Geist der Humanität lebt in den Menschen. Unsere Aufgabe ist, uns darin nicht irre machen zu lassen und in einer Situation wie der jetzigen für diesen Geist einzustehen. Viele praktische Aufgaben sind zu bewältigen: Meistern der Rezession, Rettung der Arbeitsplätze, Stützung der Schwachen, Regulierung der Finanzmärkte, durchgreifende neue Energiepolitik, Durchbruch auf der Kyoto-Nachfolgekonferenz in Kopenhagen usw. Aber alles noch so hoffentlich erfolgreiche Krisenmanagement wird uns vor baldigen Rückfällen nur bewahren, wenn jener Geist der Humanität auflebt und wenn das von Hans Jonas erläuterte Prinzip Verantwortung nicht länger dem Odium kitschiger Gutmenschlichkeit verfällt.

Horst-Eberhard Richter

Dies ist ein Auszug aus einer Rede von Prof. Dr. Dr. Horst-Eberhard Richter, gehalten beim Neujahrsempfang des DGB am 10. Januar 2009.  

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