Pressemitteilung vom 09. Februar 2021

Sofortiger Abschiebestopp nach Afghanistan!

IPPNW und 96 Organisationen und Vereine verurteilen geplante Abschiebungen auf das Schärfste

Mitten im Lockdown soll heute wieder ein Abschiebeflug  in das Kriegs- und Krisengebiet Afghanistan stattfinden. 96 Organisationen und Vereine, darunter die IPPNW, verurteilen die geplante Abschiebung auf das Schärfste und fordern die Bundesregierung mit Nachdruck auf, sofort jegliche Abschiebungen nach Afghanistan zu stoppen.

Wie im Dezember letzten Jahres wieder begonnen, setzt Deutschland seine zuvor reduzierte Abschiebepraxis mit monatlichen Massenabschiebungen nach Afghanistan fort. Abschiebungen in ein Land, welches 2020 schon das zweite Mal in Folge vom Institute for Economics & Peace in seinem Global Peace Index 2020 als das gefährlichste Land der Welt eingestuft wurde. Am 31. Januar 2021 hat das Auswärtige Amt Afghanistan als Gebiet mit besonders hohem Infektionsrisiko (Hochinzidenzgebiet) ausgewiesen und als Konsequenz seine Reise- und Sicherheitswarnungen noch weiter verschärft, da Afghanistan von COVID-19 besonders stark betroffen sei und das Gesundheitssystem den Belastungen nicht standhalte. „Es schmerzt  furchtbar, dass wir es bisher nicht verhindern konnten, die Abschiebemaschinerie zu stoppen trotz der offensichtlichen horrenden Widersprüchlichkeit. Warum können die Entscheidungsträger*innen sich dermaßen taub stellen und ihnen geschieht nichts? Was fehlt? Argumente mit Sicherheit nicht“, schlussfolgert IPPNW-Arzt Ernst-Ludwig Iskenius.

Mittlerweile haben das Oberverwaltungsgericht Bremen im September 2020 sowie der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Anfang Februar festgestellt, dass auch gesunde, alleinstehende Männer ohne soziales Netzwerk in Afghanistan nicht dorthin abgeschoben werden dürfen, da aufgrund der im Rahmen der Corona-Pandemie verschlechterten wirtschaftlichen Lage ihre elementarsten Bedürfnisse nicht gedeckt werden können bzw. die Wahrscheinlichkeit eines Lebens am Rande des Existenzminimums gegeben ist. Ungeachtet dessen plant Deutschland heute, am 9. Februar 2021 den nächsten Abschiebeflug nach Afghanistan, bei dem sich erfahrungsgemäß wieder viele Bundesländer beteiligen werden. Während in Deutschland einerseits um jedes Leben gekämpft wird, werden andererseits Menschen in ein Covid19-Hochrisiko- und Kriegsgebiet abgeschoben und die lebensbedrohliche Situation dort wissentlich in Kauf genommen.

Der Sammelcharter am 9. Februar wäre der erste Abschiebeflug aus Deutschland seit der informellen „Joint Declaration on Migration Cooperation“, die die Europäischen Union und Afghanistan im Januar dieses Jahres unterzeichnet haben und die für unbestimmte Zeit gelten soll. Demnach können künftig monatlich bis zu 500 Flüchtlinge aus der EU nach Afghanistan abgeschoben werden.

Unter den von der Abschiebung am 9. Februar Betroffenen sind voraussichtlich der 22jährige Hasib aus Kempten/Allgäu, der dort zur Schule ging, jobbte, Fußballspielen liebt, eine Ausbildung beginnen wollte und jetzt in Abschiebehaft in Ingelheim sitzt sowie der 20jährige H. aus NRW, der im Iran geboren wurde, mit neun Jahren nach Deutschland kam, noch nie in Afghanistan war und dort auch keine Angehörigen hat. Um nur zwei Schicksale zu nennen.

Der Schutz von Menschenleben während einer globalen Pandemie einzigartigen Ausmaßes kann nicht an nationalen Grenzen halt machen und vom Aufenthaltsstatus oder der Nationalität abhängen. Wir fordern die Bundesregierung auf, sofort jegliche Abschiebungen nach Afghanistan zu stoppen und Menschenleben zu schützen!


Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen finden Sie unter https://www.oberverwaltungsgericht.bremen.de/entscheidungen/detail.php?gsid=bremen72.c.20994.de&asl=bremen72.c.11265.de

Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg finden sie hier https://verwaltungsgerichtshof-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/,Lde/8969988/?LISTPAGE=1213200

 

Kontakt:
Lara-Marie Krauße, krausse[at]ippnw.de, Tel. 030 - 69807415

zurück

Ansprechpartnerinnen

 

Anne Jurema
Referentin "Soziale Verantwortung"
Tel. 030/698074 - 17
Email: jurema[at]ippnw.de



Laura Wunder
Referentin für Klimagerechtigkeit und Global Health
Tel. 030 / 698074 - 19
Email: wunder[at]ippnw.de

Materialien

 

Türkei/Kurdistan 2023: Nach dem Beben
PDF | Im Shop bestellen

Globale Impfgerechtigkeit: Warum der Globale Norden versagt hat und worauf es ankommt
Download als PDF

Globale Gesundheitspolitik – für alle Menschen an jedem Ort
Download [PDF]

IPPNW-Report: Gesundheitliche Folgen von Abschiebungen
Bestellen | PDF

Navigation