IPPNW-Presseinfo vom 4. März 2008

Klares Nein auf dem nächsten Ärztetag gefordert

Elektronische Gesundheitskarte

04.03.2008 - Auf einem Symposium zur elektronischen Gesundheitskarte in Hamburg sprachen sich Ärzte, Patientenvertreter, Wissenschaftler und Datenschützern gegen das Mammutprojekt E-Card aus. Die Patientenvertreterin Gaby Thiess brachte die Hauptkritik an der elektronischen Gesundheitskarte auf den Punkt: »Wir lehnen die Übermittlung von Patientendaten über das Internet zur zentralen Speicherung ab«. Dies zerstöre die Arzt-Patient-Beziehung und führe zur Überwachung und Lenkung von Patienten. Sie wies daraufhin, dass die immensen Kosten des Mammutprojektes E-Card von den Krankenversicherten getragen werden. Die Milliarden, die für dieses Projekt ohne nachgewiesenen medizinischen Nutzen ausgegeben werden, stünden dann nicht mehr der Versorgung von Patienten zur Verfügung. Neben Thiess sprachen Vertreter der Ärzteschaft, Bürgerrechtsorganisationen und Informatiker auf einem Symposium der Ärzteorganisation IPPNW zur elektronischen Gesundheitskarte. Es fand am 1. März im Haus der Ärztekammer Hamburg statt. In ihren Schlussworten betonten die Podiumsteilnehmer, dass vom kommenden Ärztetag in Ulm, ein klares Signal ausgehen müsse. Die Entscheidung des Ärztetages vom letzten Jahr - die Einführung in der geplanten Form abzulehnen - müsse unbedingt bekräftigt werden.

Hagen Kühn, ehemaliger Leiter der Public-Health-Abteilung am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB), untersucht seit Jahrzehnten Industrialisierungs- und Ökonomisierungsprozesse in der medizinischen Versorgung. Im Hinblick auf die heute stattfindenden Modernisierungstendenzen im Gesundheitswesen betonte Kühn zwei Prinzipien, die unbedingt abzulehnen seien: die Herauslagerung von medizinischen Entscheidungen außerhalb der Arzt-Patient-Beziehung sowie jegliche Versuche mit finanziellen Mitteln ärztliche Entscheidungen zu beeinflussen. Die Kultur des Helfens werde hier fundamental verändert.

Christian Euler, Präsident des österreichischen Hausärzteverbandes, berichtete von der Situation in Österreich. Dort ist eine zentrale Speicherung von Patientendaten bereits seit 2005 Realität. Es habe sich die ärztliche Schweigepflicht nun in eine Meldepflicht umgewandelt, so Euler. Kein Arzt könne die Vertraulichkeit von ihm erhobener Patientendaten mehr garantieren. Durch die sofortige Online-Übertragung der Daten beim Auslesen der Karte wüssten die Krankenkassen nun schneller als der Arzt selber, wer im Wartezimmer sitze. Als Beispiel für das Denken, dass dahinter steht, stellte Euler eine Aussage des Sektionschefs im österreichischen Gesundheitsministerium, Dr. Clemens Auer, vor: »Das Paradigma von der besonderen Intimität des Arzt-Patienten-Verhältnisses ist im Zeitalter von E-health zu hinterfragen«.

»Die E-Card ist ein großer Schritt hin zur Zerstörung der Humanmedizin«, sagte Bernd Hontschik, Chirurg und Autor, Er betonte, dass die Kritiker der E-Card nicht gegen den Fortschritt seien, sondern für etwas. Medizin, die heilt, basiere auf Kommunikation. Die Zerstörung der ärztlichen Schweigepflicht dürfe nicht einfach als Kollateralschaden in Kauf genommen werden.

Für weitere Informationen zu den ReferentInnen und ihren Vorträgen: Pressekontakt: Sven Hessmann, Tel.: 030 - 69 80 74 14, E-Mail: hessmann[at]ippnw.de

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