Presseinformation vom 19. Oktober 2006

Medizin und Gewissen

IPPNW-Kongress in Nürnberg

Nürnberg- Alice Ricciardi-von Platen und Hedy Epstein - zwei Mitarbeiterinnen bei den Nürnberger Ärzteprozessen erinnern sich. Sie waren dabei, als 22 Ärzten und einer Ärztin vor genau 60 Jahren in der Frankenstadt der Prozess gemacht wurde. Diese Ärzte waren Teil der Tötungsmaschinerie des Naziregimes, waren Teil des Euthanasieprogramms, bei dem unschuldige Menschen zu grausamsten medizinischen Versuchen missbraucht und getötet wurden.

Alice Riccardi-von Platen gehörte zu der Beobachterkommission unter der Leitung des Psychoanalytikers Alexander Mitscherlich.

Hedy Epstein arbeitete als Mitarbeiterin für die Anklagevertretung im Ärzteprozess.

Beide werden auf dem ab morgen in Nürnberg stattfindenden Medizinethik-Kongress der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) von ihren Erfahrungen bei ihrer Arbeit bei dem damaligen Prozess berichten.

Der örtlichen Presse gewährten sie vorab kurze Eindrücke ihrer Erinnerungen:

So berichtete von Platen, dass sie einerseits besonders von der menschlichen Grausamkeit der Angeklagten erschüttert gewesen sei: „Die einzige angeklagte Ärztin Herta Oberhäuser ließ ohne Not, nur zu ihrer sadistischen Befriedigung, frisch operierte Patienten vom Operationssaal allein und unter Schmerzen zu ihren Krankenbetten zurücklaufen.” Andererseits habe sie später erkannt, mit welcher "Folgerichtigkeit" die Tötungsmaschinerie des Nationalsozialismus funktioniert habe: „In Nürnberg wurde deutlich, dass es sich um ein ganzes Gebäude des Bösen, der systematischen Destruktion des Tötens und nicht nur um die Grausamkeitsfantasien einiger weniger Menschen gehandelt hat.”

Hedy Epstein wurde 1938 von ihrer Familie getrennt und kam mit einem Kindertransport nach England. Später kehrte sie als Mitarbeiterin für die Anklagevertretung nach Deutschland zurück. Von ihren Erlebnissen während des Prozesses berichtete sie: „Ich war auf die Beschreibungen der ärztlichen Grausamkeiten vollkommen unvorbereitet. Häufig musste ich mich bei der Durchsicht der Akten übergeben. Da wurde in einer völlig unbeteiligten und gefühllosen Art und Weise beschrieben, wie z.B. bei Kälteexperimenten Menschen Köperteilen unter unerträglichen Schmerzen erfroren. Das waren technische Beschreibungen wie vielleicht bei der Restauration eines Tisches.” Die völlig unbewegten Minen der Angeklagten, während sie mit ihren Taten konfrontiert wurden, seien für sie unerträglich gewesen.

Weitere Informationen zu den Referentinnnen und zum Kongress unter www.medizinundgewissen.de

Kontakt:
Jörg Welke, Pressereferent IPPNW: 0177 - 480 63 90

Pressegespräche am IPPNW-Kongress "Medizin und Gewissen"
20. - 22. Oktober 2006 in Nürnberg - Rückfragen Stephan Kolb unter 0172 8428233


Pressegespräch Freitag, 20.10.  60 Jahre Ärzteprozess - Historiker und Zeitzeugen
11.00 Uhr im Grand Hotel Nürnberg. Treffpunkt Foyer.

Prof. Dr. Robert Jay Lifton, Cambridge, USA
Psychiater, Autor der berühmter Studie "Nazi Doctors"
Prof. Dr. Paul Weindling, Oxford, GB
Historiker, forscht über Ärzteprozess und heutige Bedeutung
Arno S. Hamburger, Stadtrat, Nürnberg
1. Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde, Dolmetscher beim Ärzteprozess
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Pressegespräch Freitag, 20.10. - Standortbestimmung Gesundheitswesen
12.00 Uhr im Grand Hotel Nürnberg. Treffpunkt Foyer.

Prof. Dr. Gerd Glaeske, Universität Bremen
Zur Effizienz in der Arzneimittelforschung
Prof. Dr. Oliver Schöffski, Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement, Nürnberg
Ist die Nutzenbewertung alles - Ansichten eines Ökonomen
Dr. Stefan Etgeton, Verbraucherzentrale Bundesverband, Berlin
Gesundheitsreform aus der Sicht von Patienten/innen
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Pressegespräch Samstag, den 21.10.2006 - Kontroversen und Perspektiven
13.30 Uhr im Raum 0.143, WiSo-Campus, Lange Gasse 20, Nürnberg

Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Wissenschaftszentrum Berlin
Erfolgsgeschichte Solidarirät - was wir nicht aufgeben sollten
Dr. Sigrid Graumann, Institut Mensch, Ethik, Wissenschaft, Berlin
Selbstbestimmung und Eigenverantwortung - zwei problematische Schlüsselbegriffe
Prof. Dr. Frank Erbguth, Leiter der Klinik für Neurologie, Klinikum Nürnberg
Ethische Empfehlungen und ihre Konsequenzen in der klinischen Praxis
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Pressegespräch Sonntag, den 22.10. - Kongressabschluss
14.00 Uhr im Raum 0.143, WiSo-Campus, Lange Gasse 20, Nürnberg

Prof. Dr. Steffie Woolhandler, Harvard Medical School, Cambridge, USA
Zur Profitorientierung der Medizin in den USA
Prof. Dr. Hans-Ulrich Deppe, emeritierter Medizinsoziologe, Frankfurt
Zur Orientierung von Gesundheitspolitik zwischen Kommerz und Solidarität
Dr. Angelika Claußen, Bielefeld
Als Vorsitzende der deutschen Sektion der IPPNW

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