IPPNW-Presseinformation vom 11. Mai 2007

Menschenrecht muss Vorrang haben

Kritik am Prüfbericht des BMI

Berlin - Die IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung) bezeichnet den jetzt öffentlich vorliegenden Bericht des Bundesinnenministeriums (BMI) "Illegal aufhältige Migranten in Deutschland" als in weiten Teilen nur juristischem Denken verhaftet. „Trotz wiederholter Stellungnahmen von ärztlicher Seite zur inakzeptablen Praxis staatlicher Organe bei der gesundheitlichen Versorgung von Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus findet sich in dem Prüfbericht keinerlei Lösungsansatz, der den tatsächlichen Problemen dieser Menschen gerecht wird”, erklärte die Vorsitzende der IPPNW Dr. Angelika Claußen.

Insbesondere blendet die Beibehaltung und teilweise sogar Verschärfung der Meldepflicht öffentlicher Stellen an die Ausländerbehörde bei Bekanntwerden eines illegalen Aufenthaltes die Realität und die tatsächlichen Probleme dieser Menschen aus. Aus berechtigter Angst vor Aufdeckung ihres illegalen Aufenthaltes und der daraus folgenden Gefahr einer Abschiebung für sich und evtl. der ganzen Familie nehmen erkrankte Menschen ohne Papiere ärztliche Hilfe oft zu spät oder gar nicht in Anspruch. „Wir Ärzte erleben die Konsequenzen bei verschleppten Krankheiten, unterlassenen Impfungen, fehlender Schwangerenbetreuung oder ansteckenden Erkrankungen für die Umgebung”, so Dr. Angelika Claußen. „Dass Kindern der Besuch von staatlichen Kindergärten und Schulen unmöglich gemacht werden soll, nur weil ihre Eltern gegen das Aufenthaltsrecht verstoßen, ist für einen humanitären Rechtsstaat ein Skandal.”

Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz steht den Menschen ohne Papiere zwar ärztliche Behandlung im Falle schwerer Erkrankung zu, aber eben nur um den Preis der Aufdeckung ihres Aufenthaltsstatus und dann mit allen Konsequenzen. Es ist nach Meinung der IPPNW nicht hinnehmbar, die gesundheitliche Gefährdung von Migranten und ggf. von ihrer Umgebung billigend in Kauf zu nehmen, nur damit dem Ordnungsrecht genüge getan wird. Das Menschenrecht auf medizinische Versorgung muss Vorrang vor dem Ordnungsrecht haben. Das ist gängige Praxis in Ländern wie USA, Großbritannien, Frankreich, Belgien, der Schweiz oder Italien, wo es keine oder nur eine eingeschränkte Meldepflicht gegenüber der Ausländerbehörde gibt. Das aber hat in diesen Ländern weder die Zahl der Menschen ohne Papiere wesentlich erhöht, noch hat es die staatliche Ordnung zusammenbrechen lassen.

Weltweite Migration kann nur mit weltweiter Armutsbekämpfung begegnet werden. Statt hierfür größte Anstrengungen zu unternehmen, wird in Deutschland mit unverhältnismäßigem Aufwand das Ordnungsrecht bei Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus durchgesetzt. Das dient der Autorität des Staates und bestärkt die Fremdenfeindlichkeit, löst aber überhaupt nicht die eigentlichen Probleme. „Als Ärzte werden wir auch weiterhin kranke Menschen ohne Ansehen ihres Aufenthaltsstatus behandeln und uns nicht von den Vorgaben des Bundesinnenministeriums behindern lassen. Wir fordern, das Recht auf medizinische Behandlung von Menschen ohne Papiere ohne Angst vor Abschiebung zu ermöglichen”, fasst die Vorsitzende der IPPNW, Dr. Angelika Claußen, die Haltung der Ärztinnen und Ärzten in der IPPNW zusammen.

Kontakt: Frank Uhe, 030 69807410, Dr. med. Jürgen Hölzinger 030 - 802 5773

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