Pressemitteilung vom 27.12.2000

Verleihung 24. März, zweiter Jahrestag Beginn des NATO-Krieges gegen Jugoslawien

Clara-Immerwahr-Auszeichnung an Heinz Loquai. Ärzte ehren Brigadegeneral a.D. für seine Kritik an NATO-Kriegslegitimation

Berlin-  Der vormals bei der OSZE-Mission in Wien für den Balkan zuständige Brigadegeneral a.D. Dr. Heinz Loquai erhält am 24. März 2001 in Berlin die Clara-Immerwahr Auszeichnung der "Ärzte für Frieden und soziale Verantwortung" (IPPNW). Mit dieser Auszeichnung würdigt die IPPNW Loquais Engagement, der Öffentlichkeit eine verständliche Informationsgrundlage für die kritische Auseinandersetzung über den Kosovo-Krieg vorgelegt zu haben.

Loquai habe in einer Studie belegt, dass der erste Kampfeinsatz der Bundeswehr im Kosovo auf der Grundlage unzutreffender Informationen entschieden wurde. Nach der Publikation intervenierte das Bundesministerium der Verteidigung erfolgreich gegen die Verlängerung seines Vertrages. Die nicht-dotierte Clara-Immerwahr-Auszeichnung würdigt Personen, die sich in ihrem Beruf ungeachtet persönlicher Nachteile aktiv für Menschlichkeit und friedliches Zusammenleben einsetzen.

Bisher wurden ausgezeichnet:

1996 Michael Bouteiller, Bürgermeister der Hansestadt Lübeck
1994 Roland Schlosser, Polizeihauptkommissar
1992 Helmuth Prieß, Major, Sprecher des Arbeitskreises Darmstädter Signal
1991 Heinz Friedrich, Diplomingenieur (Dornier)

Das Auswahlgremium schreibt zur Ehrung für Dr. Heinz Loquai: "Der erste Kampfeinsatz der Bundeswehr im Kosovo-Krieg 1999 geschah auf der Grundlage unzutreffender Information. Dies belegt eine Studie von Dr. Heinz Loquai. Die IPPNW verleiht dem Brigadegeneral a.D. ihre Clara-Immerwahr-Auszeichnung. Die Möglichkeiten zur friedlichen Konfliktlösung wurden nicht konsequent wahrgenommen. Der Beschluss, die Bundeswehr am NATO-Kampfeinsatz gegen Jugoslawien zu beteiligen, wurde von einer überwältigenden Parlamentsmehrheit getragen, und von der Öffentlichkeit weitgehend gestützt. Diese Legitimation wurde mit irreführenden Informationen herbeigeführt.

Wie Loquai nachweist, wurde schon im Vorfeld des Krieges die Lage einseitig dargestellt. Loquais Studie stützt sich auf detaillierte Berichte und Informationen, wie sie der Regierung selbst vorgelegen haben. Ein eklatantes Beispiel für die Politik der Fehlinformation ist der "Hufeisenplan", der Anfang April 1999 von der Bundesregierung ins Spiel gebracht wurde. Angeblich handelte es sich dabei um einen Operationsplan der serbischen Führung mit dem Ziel, Kosovo von der albanischen Bevölkerung zu säubern. Für die Existenz eines solchen Plans gibt es keine Beweise, wie Loquai darlegt.

Die Studie ist im Nomos-Verlag, Baden-Baden 2000, unter dem Titel "Der Kosovo-Konflikt, Wege in einen vermeidbaren Krieg" erschienen. Brigadegeneral Heinz Loquai, heute 62, war vor seiner Pensionierung im März 1999 vier Jahre lang bei der deutschen OSZE-Vertretung in Wien tätig, mit Zuständigkeit für den Balkan. Danach war er Militärberater bei der OSZE selbst. Diese Tätigkeit musste er beenden, weil das Bundesverteidigungsministerium gegen eine routinemäßige Verlängerung seines Vertrags intervenierte. Kurz zuvor war Loquais Buch erschienen.

Mit der Clara-Immerwahr-Auszeichnung würdigt die IPPNW Loquais Engagement, der Öffentlichkeit eine verständliche Informationsgrundlage für die kritische Auseinandersetzung über den Kosovo-Krieg zu geben. Diese Auseinandersetzung ist überfällig, zumal nach den von ihm vorgetragenen Tatsachen friedliche Lösungen näher lagen als der Krieg, den Regierungen und NATO als zwingend darstellten. Loquai handelte damit vorbildlich verantwortlich.

Der Krieg hat Tausende von Menschenleben gekostet, und schwerste materielle Schäden angerichtet. Die Art und Weise, wie sachliche Kritik an der deutschen Regierungspolitik von den Ministern Josef Fischer und Rudolf Scharping bisher diffamiert wurde ("bösartig, böswillig, naiv"), lässt den Schluss zu, dass die Regierung die gebotene öffentliche Diskussion zu unterdrücken versucht.

Die Clara-Immerwahr-Auszeichnung wurde von der "Deutschen Sektion der IPPNW / Ärzte in sozialer Verantwortung" geschaffen, um Personen zu würdigen und hervorzuheben, die sich in ihrem Beruf, an ihrem Arbeitsplatz ungeachtet persönlicher Nachteile aktiv für Menschlichkeit und friedliches Zusammenleben einsetzen.

Der Name der Auszeichnung erinnert an die Chemikerin Clara Immerwahr (1870-1915), die sich als Ehefrau von Fritz Haber entschieden und mit persönlichen Einsatz gegen die Entwicklung und Anwendung von Giftgas verwahrte, welche ihr Mann vorantrieb. Sie nannte dies "eine Perversion der Wissenschaft". Die feierliche Verleihung der Auszeichnung wird am 24.März 2001, zwei Jahre nach Beginn der NATO-Bombardierung, in Berlin stattfinden.

ViSdP Jörn Heher
Bitte wenden Sie sich für Rückfragen an:
Kontakt: Dr. Heinz Loquai, Tel. 02225-945696
Jörn Heher, Tel.+Fax 07071-45286

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